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Interim Management - Teil II

Der Markt für Interim Management

Interim Management ist besonders stark verbreitet in den Niederlanden, in England, Belgien, Skandinavien und USA. Obwohl in Deutschland nach der Wiedervereinigung durch die zahlreichen Projekte der Treuhandanstalt ein kräftiger Schub ausgelöst wurde, hat Interim Management in Deutschland noch erheblichen Nachholbedarf. 

Absoluter Vorreiter bei Interim Management sind die Niederlande. Dort gibt es auch relativ fundierte Angaben über den Einsatz von Interim Management. So beziffert man die Zahl der Interim Manager in Holland auf ca. 40.000 mit einem Honorarumsatz von 6 bis 7 Mrd. Euro; darunter fallen allerdings vor allem auch viele Spezialisten, die zeitlich befristet in Projekten zum Einsatz kommen. Der Anteil der Interim Manager für Krisenmanagement und andere leitende Interim-Aufgaben beläuft sich auf etwa 5.000 Personen mit etwa 1,3 Mrd. Euro Honorarumsatz.

Der Hauptgrund für die in Holland gut etablierte Dienstleistung „Interim Management“ liegt in den niederländischen Gehaltsstrukturen. Lange Jahre wurden Gehälter im kaufmännischen Bereich kaum erhöht. Um das Gehaltsniveau nicht anpassen zu müssen, wurde auf freie Mitarbeiter zurückgegriffen, mit denen eine deutlich höhere Entlohnung vereinbart wurde. Zwei größere Organisationen: ORM ( Nederlandse Orde van Register Managers )  und die RIM ( Raad voor Interim Management ) widmen sich dem verstärkten und professionellen Einsatz von Interim Management. An Universitäten wie z. B. in Antwerpen oder Rotterdam können Kurse zum Thema "Interim Management" belegt werden.

Hinter den Niederlanden folgt England mit deutlichem Abstand, was die Verbreitung von Interim Management betrifft. "The 2001 Sambrook Report on the UK Interim Management Market", einer Studie über den englischen Markt, die von einer großen Interim Managementgesellschaft in Auftrag gegeben wurde, beziffert den englischen Markt auf über 300 Mio. Euro, mit jährlichen Wachstumsraten von 20 Prozent. Demgegenüber schätzt Ian Daniell, der Vorsitzende der Interim Management Association London (IMA) das Marktvolumen für das Jahr 2002 sogar auf 800 Mio. Euro, mit jährlichen Wachstumsraten von ca. 10 Prozent. Möglicherweise sind unterschiedliche Definitionen von Interim Management und ihrem Einsatz die Ursache für diese unterschiedlichen Angaben. 

Während der IMA vor allem Vermittler von Interim Management-Leistungen angehören, hat das UK Institute of Management im Jahr 2001 eine eigene Organisation – das Institute of Interim Management (IIM) –  gegründet mit dem Ziel, Status, Vernetzung und Knowhow von Interim Managern zu verbessern.

In den USA ist Interim Management etwas weniger stark verbreitet als in England, oder gar in den Niederlanden. Gründe hierfür sind die traditionell größere Flexibilität der Manager und die weniger starre Arbeitsgesetzgebung. Auch wenn der Interim Management-Boom zu Zeiten der Internet-Euphorie längst Vergangenheit ist, wächst die Nachfrage nach Interim Management inzwischen wieder mit guten zweistelligen Raten.

Im Vergleich zu den erwähnten Ländern ist in Deutschland Interim Management deutlich weniger verbreitet. In den letzten Jahren haben sich allerdings spezialisierte Organisationen gebildet:

  • BRSI Bundesvereinigung Restrukturierung, Sanierung und Interim Management ,
  • DDIM – Dachgesellschaft Deutscher Interim Manager e. V. ,
  • AIMP – Arbeitsgemeinschaft Interim Management Provider

Die Öffentlichkeitswirkung und Schlagkraft dieser Organisationen ist aber noch begrenzt. Gesicherte Informationen über die Größe und Struktur des Marktes sind nicht bekannt. Je nach Quelle liegen die jeweiligen Schätzungen teilweise weit auseinander. 

Etwa ein Viertel aller Interim-Einsätze in Deutschland werden über die spezialisierten Interim Managementgesellschaften abgewickelt. Der Rest des Marktes verteilt sich auf Personal- und Unternehmensberatungsfirmen sowie vor allem auf direkte Verträge zwischen dem Interim Manager und dem Klienten, dem beauftragenden Unternehmen.

Die deutschen Interim Managementgesellschaften (AIMP) schätzen den Markt auf etwa 450 Mio. Euro. Diese Zahl ist aber wohl eher hoch gegriffen. Realistischer dürfte eine Größenordnung von 250 – 350 Mio. Euro sein. Das sind etwa 2.000 Interim-Einsätze von durchschnittlich 6 - 8 Monaten Dauer. Die derzeitige jährliche Wachstumsrate für Interim Management dürfte bei etwa 10 Prozent liegen.

Marktkenner schätzen das Potenzial der Interim Manager derzeit auf 10.000 bis 15.000. Viele von ihnen sind allerdings, wie die vorhergehenden Zahlen zeigen, nicht aktiv im Einsatz. Für 2010 wird erwartet, dass die Zahl der Interim Manager in Deutschland auf über 20.000 zunehmen wird.

Laut dem "Interim Management Report 2001" der Handelshochschule Leipzig stehen nur 4 Prozent der befragten Unternehmen dem Interim Management misstrauisch gegenüber, allerdings hat nur 1/3 der Firmen auch tatsächlich schon Interim Manager beauftragt. 71 Prozent der befragten Unternehmen sehen einen Einsatz von Interim Managern als "unwahrscheinlich" an.

Interim Management Aufgaben in großen Unternehmen

Große Firmen arbeiten – extern – vorzugsweise mit Beratungsunternehmen zusammen. Die in häufig aufwändigen Analysen und Studien ermittelten Ergebnisse werden dann gegebenenfalls vom Linienmanagement umgesetzt.

Entsteht in größeren Firmen Bedarf für Interim Management, so wird dieser in der Regel intern gedeckt. Einerseits verfügen große Unternehmen über ein Reservoir an Führungskräften mit entsprechender Eignung und Erfahrung, die solche befristeten Einsätze übernehmen können. Andererseits sind diese Einsätze häufig auch wichtiger Bestandteil der Programme für den Führungskräftenachwuchs. Manchmal ist es aber auch eine (zweifelhafte) Imagefrage, Führungsbedarf aus eigenen Reihen decken zu können und auch seltenes Spezialwissen im eigenen Hause „vorrätig“ zu haben.

Einige große Firmen haben ehemalige oder ältere Führungskräfte, statt sich von ihnen vollständig zu trennen, in einem Pool oder in einer eigenen Unternehmenseinheit zusammengefasst. Die einzelnen operativen Unternehmensbereiche können dann bei Bedarf auf diese erfahrenen Manager zurückgreifen.

Externes Interim Management in kleinen und mittelgroßen Unternehmen

Externes Interim Management konzentriert sich damit auf Unternehmen mit bis zu etwa 2.000 Mitarbeitern. Auf das externe Interim Management beziehen sich auch die folgenden Ausführungen. Gleichwohl gilt das Gesagte in vielen Fällen auch für die interne Lösung von Interim Management Aufgaben. 

Wie bereits oben angeführt sind die zwei wesentlichen Einsatzbereiche von Interim Management

  • die Überbrückung einer Führungsvakanz und 
  • das Change Management.

Führungsvakanz kann z.B. durch Akquisition entstehen oder durch kurzfristigen Ausfall vorhandener Manager. In jedem Fall geht es um das Schließen einer Lücke, bis die entsprechende Position dauerhaft besetzt werden kann bzw. bei Krankheit wieder besetzt ist.

Der Begriff "Change Management" meint im weitesten Sinne alle Aufgaben und Projekte, welche das Unternehmen zielgerichtet verändern (sollen). Auch die Krisenbewältigung ist in diesem Sinne "Change Management".

Dementsprechend ist der am häufigsten angeführte Grund, einen Interim Manager zu beauftragen, der Knowhow-Transfer. Erst danach werden Flexibilitäts- und Kostenargumente genannt.

Bewältigung einer Unternehmenskrise

Die Bewältigung einer Unternehmenskrise, der angestrebte Turnaround, ist bei aller spektakulären Wirkung lediglich eine Sonderform des Change Managements. Diese Interim-Aufgabe nimmt aber in der Wahrnehmung einen weit überproportionalen Raum ein. In einem solchen Fall ist die Entscheidung für ein externes Interim Management natürlich auch besonders einleuchtend.

Leider kommt ein Interim Manager bei Unternehmenskrisen häufig erst zum Einsatz, wenn es schon fast zu spät ist. Vorstände und Geschäftsführer suchen erst nach externer Hilfe, wenn sie mit ihrem eigenen Latein am Ende sind, aber mit letzten Endes untauglichen weil ergebnislosen Versuchen wertvolle Zeit vertan wurde. Auch Aufsichtsräte und Banken reagieren häufig erst, wenn die Krise unübersehbar ist.

Noch schlimmer: Die meisten Unternehmen, die Insolvenz anmelden, haben noch nie einen Interim Manager beauftragt. Es mag überzogen klingen, aber hätten sie dies eher und vielleicht auch öfter getan, wäre es vermutlich nie so weit gekommen.

So betrachtet, ist es geradezu zynisch, dass dann, wenn es zu spät ist und das Unternehmen Insolvenz anmelden muss, ein "besonderer Interim Manager" kommt, nämlich der Insolvenzverwalter, um die Krise – jetzt mit veränderter Zielrichtung – zu bewältigen. Bei Insolvenz gibt es allerdings für Interim Manager genug zu tun: Überlebensfähige Betriebsteile sind weiter zu führen und eventuell neu auszurichten, bisher vom Gesamtunternehmen wahrgenommene Aufgaben sind neu zu organisieren, für andere Betriebsteile gilt es einen Käufer zu finden, usw.

Einsatzgebiete

Die typischen "Einsatzgebiete für Interim Management"  werden – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – in nebenstehender Tabelle 3 dargestellt.

Allen Einsatzgebieten ist gemeinsam, dass es sich um eine Ausnahmesituation handelt. Vereinfachend ließe sich somit feststellen, dass das "schlanke Unternehmen" dauerhaft beschäftigte Managementressourcen nur für den normalen operativen Betrieb vorsieht und absehbar oder unerwartet zusätzlichen Managementbedarf extern zukauft.

###BILD_2### Die nebenstehende Grafik zeigt eine zusammenfassende Schätzung (basierend im wesentlichen auf Angaben größerer Interim Management Gesellschaften), wie sich in Deutschland die Interim Einsätze auf die Einsatzgebiete verteilen. Vier Fünftel der Einsätze sind heute schon NICHT krisenbedingt.

Es kann davon ausgegangen werden, dass sich auch in Deutschland – ähnlich wie in anderen Ländern – der Anteil der Kriseneinsätze zu Gunsten von anderen projekt- und veränderungsorientierten Aufgaben noch weiter verringern wird. 

Der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass es auch "Pseudo-Einsätze" von Interim Managern gibt, z. B. um Banken oder Gesellschaftern das Gefühl zu geben, jetzt würde gehandelt. Ähnlich wie Unternehmensberater werden auch Interim Manager immer wieder beauftragt, weil Vorstand oder Geschäftsführung es vorziehen, einen Externen die Maßnahmen vorschlagen und umsetzen zu lassen, die sie vorher schon für richtig gehalten haben.

Interim Management für Knowhow Austausch

Interim Management hat aber noch einen weiteren nicht zu unterschätzenden Aspekt. Mittelständische Unternehmen haben nur eine begrenzte Anzahl von Führungskräften, die zudem häufig lange im Unternehmen bleiben. Das ist einerseits natürlich vorteilhaft. Allerdings reduziert sich so auch der Knowhow Austausch mit der Außenwelt. Eventuell fehlende Aufgeschlossenheit in der Führungsspitze würde dieses Problem noch verschärfen. Neue fachliche Erkenntnisse, neue Arbeitsmethoden und Entwicklungen finden häufig erst stark verspätet Eingang in diese Unternehmen und beeinträchtigen so ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Der Erfolg eines Unternehmens hängt nicht nur ab von der eigenen Flexibilität und Lernfähigkeit, sondern auch von der Bereitschaft und Offenheit, externe Ressourcen sinnvoll zu nutzen.

Allein aus den gerade genannten Gründen kann es sinnvoll sein, statt intern "Ressourcen freizuschaufeln" einen Externen, der über das entsprechende aktuelle Knowhow verfügt, zu beauftragen und so Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter besonders wirkungsvoll mit neuen Entwicklungen im Markt vertraut zu machen.

In jedem Fall ist der aktive Knowhow Austausch mit der Außenwelt ein qualitativer Zusatznutzen bei einem Interim Einsatz.

Autor: Ludger Grevenkamp

Diplom-Wirtschaftsingenieur, Marketing- und Vertriebskarriere bei Hewlett-Packard, mehrfach erfolgreiche Neuausrichtung von Unternehmen in Industrie und Handel im In- und Ausland, zahlreiche Beratungs- und Interim-Management-Projekte, heute Geschäftsführender Gesellschafter der ELGRECO Professional Services GmbH, Dassendorf bei Hamburg. 
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