Unternehmenserweiterung mit Stolperfallen

Ausländische Firmenerweiterungen: Wo welche Probleme lauern

Nicht zuletzt die großen Freiheiten innerhalb der Europäischen Union machen es für viele Unternehmer verlockend, jenseits der Grenze Zweigstellen zu eröffnen, um dort günstiger zu produzieren, neue Absatzmärkte und Zielgruppen zu erschließen und von Doppelbesteuerungsabkommen zu profitieren – oder auch alles gemeinsam. Doch auch wenn diese Form der Unternehmenserweiterung selbst jenseits der Eurosphäre heute viel einfacher geworden ist, so birgt sie dennoch Risiken, die nicht nur erkannt, sondern auch gemanagt werden sollten.

Die falsche Form der Internationalisierung

Wer an ausländische Niederlassungen denkt, denkt meist an eine mehr oder weniger exakte Kopie seines bisherigen (deutschen) Standortes. Allerdings ist das nur eine Möglichkeit für unternehmerische Grenzsprünge. Insgesamt existieren die folgenden Varianten:

  1. Das Joint Venture, also der Zusammenschluss mit einem dortigen Unternehmen;
  2. Der Aufbau eines Franchise-Systems;
  3. Die Auslandsniederlassung als reduzierte Version der Tochtergesellschaft;
  4. Die klassische Filiale als Tochtergesellschaft unter voller Kontrolle des Mutterbetriebs;
  5. Die Vergabe von Lizenzen an lokale Partner.

Alles davon hat Stärken und Schwächen – beispielsweise ist eine Auslandsniederlassung als klassische Zweigniederlassung in Sachen Steuerrecht deutlich einfacher aufzubauen, dafür kommt sie aber selten in den Genuss von (staatlichen) Geldern, die in vielen Staaten für Gründungen vergeben werden und ist auch weniger flexibel, da sie keine juristische Person darstellt.

Die Krux besteht hier zudem darin, den Sprung ins Ausland in der richtigen „Stärke“ zu wagen. Eine bloße Niederlassung bietet sich wegen des geringeren Aufwandes vielleicht an; kann aber auch zu wenig sein. Umgekehrt könnte eine Lizenzvergabe dazu führen, dass durch nicht gleichhohe Qualitätsstandards der Ruf der ganzen Marke beschädigt wird. Hiergegen sollten alle Möglichkeiten zusammen mit den Standortrealitäten abgeglichen und ausgewertet werden –auch unter Inanspruchnahme von externen Experten für dieses Land.

Nuancierte Unterschiede der Unternehmensformen

Eine AG ist immer eine AG, eine GmbH ist immer eine GmbH, auch wenn sie lokal anders bezeichnet wird – derartige Denkweisen finden sich häufig. Leider entstehen daraus Risiken. Denn auch wenn besonders die EU die Unterschiede zwischen ihren Mitgliedsstaaten auf dieser Ebene reduziert(e), so gibt es doch nach wie vor viele Unterscheidungen, teils nur in Nuancen.

Als prominentes, weil unternehmerisch sehr beliebtes Beispiel sei hier die luxemburgische Société à responsabilité limitée (SARL) genannt. Sie wird häufig als unmittelbares Pendant zur deutschen GmbH angesehen – doch auch wenn das in vielerlei Hinsicht stimmt, so gibt es dennoch im Detail bestechende Unterschiede; etwa den, dass eine SARL höchstens hundert Gesellschafter haben darf, wo es bei der GmbH keine Begrenzung gibt. Oder dass das SARL-Mindestkapital nur 12.000 Euro beträgt, wo es bei der GmbH insgesamt bei 25.000 Euro liegt (wovon die Hälfte bei der Gründung vorhanden sein muss).

Derartige Unterschiede lassen sich für jedes Land und jede Geschäftsform finden. Immer entstehen daraus zwei Risiken:

  1. Es ist leicht, aus (deutschem) Routinedenken heraus Fehler zu begehen;
  2. Die bislang nicht bedachten Unterschiede können die Wahl der Geschäftsform fatal werden lassen, da sich im Nachhinein herausstellt, dass ob der lokalen Realitäten eine andere Variante besser gewesen wäre.

Auch hier sei deshalb dringend geraten, einen wirtschaftlich geschulten Rechtsexperten mit Referenzen für das angepeilte Zielland zu engagieren um zusammen mit ihm sämtliche Details auszuarbeiten.

Andere Länder, andere Arbeits- und Herangehensweisen

In den vergangenen Jahrzehnten expandierten auch viele deutsche Unternehmer nach China. Dieses Land eignet sich deshalb als hervorragendes Beispiel, weil es von so vielen Ländern als Zielland herangezogen wird. Doch so erfolgreich derartige Gründungen häufig auch sind, immer wieder kommt ein Kritikpunkt durch, völlig gleich, um welches Unternehmen aus welchem Herkunftsland es sich handelt: Eine teilweise dramatisch andere Arbeitskultur, als man es gewohnt war.

Beginnend bei unterschiedlichen Definitionen von Pünktlichkeit über Hierarchien bis zu Qualitätsmaßstäben. Teilweise in einem Ausmaß, dass sich die Expansion als Fehlschlag erwies und die Unternehmen ins Heimatland zurückkehren.

Bloß ist das keinesfalls nur auf das „Reich der Mitte“ beschränkt. In praktisch jedem Land, selbst wenn diese dicht beieinander liegen, herrschen unterschiedliche Kulturen vor. Und auch wenn sich innerhalb Europas vieles harmonisiert hat, so lässt sich dennoch feststellen, dass abermals nuancierte Unterschiede die praktischen Abläufe ungleich schwieriger machen können, als die theoretische Planung es zuvor vermuten ließ.

  • Einerseits bedeutet das, dass auf jeden Fall großzügig Raum eingeplant werden muss, um vor Ort zumindest hinsichtlich der Rahmenbedingungen eine Kultur zu etablieren, die der aus Deutschland Gewohnten entspricht.
     
  • Andererseits muss klar sein, dass es mitunter Jahre dauern kann, bis derartige Unterschiede verschwinden – und dass es auch Punkte gibt, die sich selbst unter großen Mühen nicht ändern lassen; dass also auch seitens der deutschen Leitung Flexibilität und Verständnis nötig sind.

Egal welche Variante der Internationalisierung auch gewählt wird, sie wird durch allzu menschliche Realitäten oft schwierig, auch wenn die steuerlichen und rechtlichen Hürden überwunden wurden.

Mangelnde Kontrolle durch die Distanz

Wenn ein Aachener Unternehmen eine Zweigstelle in Lüttich eröffnet, ein Flensburger Unternehmen nach Sønderborg expandiert, eine Dresdner Firma in Litoměřice aufbaut, dann ist das wegen der sehr geringen Distanzen in den allerseltensten Fällen mit Problemen verbunden – im Zweifelsfall setzt sich der Geschäftsführer ins Auto und ist innerhalb von weniger als einer Stunde vor Ort.

Bloß: Das sind Ausnahmen. Sofern beide Unternehmensstandorte nicht in Grenznähe zweier Nachbarländer liegen, wird die Distanz rasch mehrere hundert Kilometer und mehr betragen – ja, auch im eng zusammengewachsenen und gut vernetzten Europa.

Tatsächlich verkennen viele Unternehmer, dass aus dieser großen Distanz immer ein gewisser Kontrollverlust entsteht. Wer bereits über Erfahrungen mit Zweigstellen innerhalb Deutschlands verfügt, für den wird das nicht dramatisch sein. Für alle anderen jedoch bedeutet die Expansion häufig die Erkenntnis, weit weniger direkte, das heißt persönliche, Kontrolle ausüben zu können, als bisher gewohnt. Das muss nicht negativ sein – wenn an den Schaltstellen der Zweigstelle die richtigen Leute sitzen, die vollkommen im Sinne des Geschäftsführers als dessen „verlängerter Arm“ agieren, dann funktioniert es auch wenn die Distanz den halben Erdumfang beträgt.  

Dennoch bleiben vor allem Risiken in Fällen, in denen der Betrieb nicht so reibungslos wie gewünscht läuft. Dann muss klar sein, dass:

  1. Telefon, Videokonferenztools und ähnliche Mittel mitunter kein vollwertiger Ersatz sind – vielleicht auch nur auf einer subjektiven Ebene;
  2. der Geschäftsführer größere Reisebereitschaft zeigen muss. Wenn es hart auf hart kommt, muss „der Chef“ eben selbst in den Flieger steigen.

Zu leichtfertige Auslands-Expansionen sind bereits häufig an diesem Punkt ins Straucheln geraten.

Hürden entlang der Sprachgrenzen

Beinahe jedes Land hat eine eigene Sprache. Und selbst wo mehrere Länder sich eine Sprache teilen – etwa direkt bei uns im D-A-CH-Raum – so existieren doch immer noch vielerlei Unterschiede in genutzten Wörtern, Aussprachen und Bedeutungen.

Daraus entstehen zweierlei Risiken. Ein internes, also in der Kommunikation zwischen Zweigstelle und Mutterkonzern, sowie ein externes in der Kommunikation zwischen der hierzulande entwickelten Markenbotschaft, Markennamen usw. und deren Umsetzung in die ausländische Sprache.

  • Für die interne Kommunikation muss ein Weg gefunden werden, sodass keine Probleme durch Sprachhürden entstehen können. Die einfachste Methode dazu ist es, das Englische in seiner Eigenschaft als „Lingua Franca“ zu verwenden – allerdings ist das nicht grenzenlos möglich, da es auch viele Länder gibt, in denen die Englisch-Durchdringung der Bevölkerung nicht so hoch ist wie bei uns; prominent direkt jenseits der südwestlichen Grenze in Frankreich.
    Hierzu sei entsprechend dringend ein Blick in den English Proficiency Index angeraten, der die Englisch-Fähigkeiten unterschiedlicher Länder regelmäßig bewertet. Wo Englisch nicht infrage kommt, sollte direkt in der Landessprache kommuniziert werden – idealerweise in Form eines (festangestellten) Dolmetschers.
     
  • Für die externe Kommunikation sollte in jedem Fall auf dolmetschende Experten aus dem Zielland zurückgegriffen werden. Hier können Fehler einfach zu große Nachteile heraufbeschwören, die bis zum Bloßstellen oder gar Scheitern der ganzen Marke reichen können
    Das immer wieder verwendete humorige Beispiel eines japanischen Geländewagens, der für portugiesischsprachige Länder nach der Einführung eilends umbenannt werden musste, weil sein Name auf Portugiesisch ein übles Schimpfwort war, ist zwar unternehmerische Folklore, unterstreicht aber aufs Deutlichste das innewohnende Fehlerpotenzial.

Zudem kann nur geraten werden, kein Detail als unwichtig abzutun – wenn es darauf ankommt, kann bereits ein in der Schweiz verwendetes „ß“ eine Markenbotschaft ruinieren.

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