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Joint Venture - gemeinsam ein Wagnis eingehen
Ein Beitrag von Ingo Leipner
Was ist eigentlich ein Joint Venture?
Kennen Sie "Beigi Foton Motor"? Nein? Aber natürlich ist Ihnen die Daimler AG ein Begriff. Mit ihr hat das chinesische Unternehmen gerade einen Vertrag unterschrieben. Inhalt: Im Rahmen eines Joint Ventures soll die Produktion von schweren und mittelschweren Nutzfahrzeugen in China anlaufen. Dieser Schritt ist ein "gemeinsames Wagnis", wie man Joint Venture wörtlich übersetzen kann.
Darum geht's
In der Wirtschaftssprache bedeutet Joint Venture Gemeinschaftsunternehmen, was im Fall von "Beigi Foton Motor" und der Daimler AG heißt: Beide Unternehmen sind zu 50 Prozent an dem neuen Hersteller von Nutzfahrzeugen beteiligt. Es wird erwartet, dass sich durch die Kooperation das Image der chinesischen Marke, das Management und die technologische Ausstattung bei "Beigi Foton Motor" verbessern. Außerdem sollen Produktion und Absatz der Beigi-Foton-Marke "Auman" zulegen. Der Vorteil für die Daimler AG: Im wachsenden Markt für Nutzfahrzeuge in China bekommt der Stuttgarter Konzern eine gute Ausgangsposition.
Was in China geschieht, ist eine spezielle Form der Zusammenarbeit, die zwischen Unternehmen möglich ist: Eine neue Geschäftseinheit wird ins Leben gerufen, die in der Regel rechtlich selbstständig ist. Die Partner bringen unter anderem Kapital und Know-how ein, sodass eine enge Bindung des Joint Ventures an seine Gründer besteht. Es agiert zwar autonom am Markt, ist aber in die Kooperation der beiden Partner eingebettet.
Was verbirgt sich also hinter dem Begriff "Joint Venture"? Ein Gemeinschaftsunternehmen, das zum Beispiel entsteht, damit Unternehmen einen neuen Markt im Ausland erschließen können. Dazu kooperieren sie mit einem einheimischen Unternehmen. So erlaubt es China ausländischen Unternehmen in manchen Branchen nicht, 100-prozentige Töchter zu gründen. Ein Joint Venture ist dann der einzige Weg, um direkt auf dem chinesischen Markt aktiv zu werden.
So sieht es in der Praxis aus
Wer im Wachstumsmarkt China Fuß fassen will, gründet mit einem chinesischen Partner ein Joint Venture. Der ausländische Partner bringt Know-how mit, er beherrscht moderne Produktionsverfahren. Auch erfolgreiche Vertriebsstrategien sind in China gefragt. Die chinesische Seite kennt natürlich den heimischen Markt mit seinen regionalen Besonderheiten, zumal sie vor Ort mit allen Geschäftspraktiken vertraut ist. Nicht zu unterschätzen sind ihre Kontakte zu wichtigen Regierungsstellen, was den Umgang mit der Bürokratie vereinfacht. Außerdem kann der chinesische Partner oft zu günstigen Bedingungen produzieren lassen – und mit einem bewährten Vertrieb die gemeinsamen Produkte an den Mann bringen. Synergieeffekt lautet das Zauberwort, wobei für das Joint Venture zwei rechtliche Konstruktionen zur Auswahl stehen.
Equity Joint Venture: Dieses Joint Venture wird am häufigsten gegründet, in der Regel mit einer Laufzeit von 30 bis 50 Jahren. Es ist ein Unternehmen mit eigener Rechtspersönlichkeit, das wie alle anderen chinesischen Firmen handeln kann: Dem Equity Joint Venture ist es erlaubt, Rechte zur Landnutzung zu kaufen, Produkte zu exportieren und zu importieren, chinesische Mitarbeiter zu beschäftigen oder Gebäude zu errichten.
Gewinne und Verluste werden zwischen den Partnern aufgeteilt, der Verteilungsschlüssel entspricht dem jeweils investierten Kapital. Dabei muss die chinesische Seite keinen gesetzlich festgelegten Mindestanteil bereitstellen, während der ausländische Partner wenigstens 25 Prozent des Kapitals aufzubringen hat. Das kann in unterschiedlicher Weise geschehen: Bareinlagen, Materialien, technisches Know-how oder Markenrechte sind denkbar. Nur ein bis zwei Drittel des Kapitals dürfen über Bankkredite finanziert werden, und zwar abhängig von der Größe des Joint Ventures.
Wichtig: Die chinesischen Wirtschaftsbehörden spielen eine große Rolle, wenn zum Beispiel Gewinne in der Laufzeit des Equity Joint Ventures entnommen werden sollen. Das ist nur mit ihrer Zustimmung möglich, genauso wie der Verkauf von Anteilen an dem gemeinsamen Unternehmen. Eine Genehmigung durch die Behörden ist ebenfalls notwendig, sobald ein vorzeitiges Ende der Zusammenarbeit ins Auge gefasst wird. Das ist nur in Ausnahmesituationen möglich, etwa wenn es anhaltende Verluste gibt, oder ein Vertragsbruch vorliegt.
Cooperative Joint Venture: Diese Form des Joint Ventures heißt auch Contractual Joint Venture und besitzt eine große Ähnlichkeit mit dem Equity Joint Venture. Ein erster Unterschied besteht jedoch in der Möglichkeit, die vertraglichen Grundlagen offener zu gestalten: Den Partnern steht es frei, selbst den Schlüssel zur Verteilung von Gewinnen und Verlusten festzulegen. Das gilt auch für die Stimmrechte. Auf diese Weise entsteht eine sehr flexible Grundlage der Zusammenarbeit, was aber auch komplizierte und zeitaufwendige Verhandlungen bedeutet. Mehr Rechtssicherheit für den ausländischen Partner kann das Ergebnis sein, da die Parteien viele Details individuell regeln. Ein Scheitern der Verhandlungen ist aber auch leichter möglich.
Der zweite Unterschied: Das Cooperative Joint Venture muss nicht unbedingt eine juristische Person sein, die Partner können jeweils mit ihrer Einlage die Haftung übernehmen. Das senkt die Kosten in der Phase der Gründung, eventuell ergeben sich steuerliche Vorteile. Natürlich steigt das Risiko der Partner, die direkt haften müssen.
Der dritte Unterschied: Es gibt keine gesetzliche Mindestbeteiligung des ausländischen Partners, im Gegensatz zum Equity Joint Venture dürfen auch Arbeit oder Dienstleistungen als Kapital eingebracht werden. Will der ausländische Partner eine stärkere Kontrolle des Unternehmens, kann er im Vorstand des Joint Ventures überproportional vertreten sein.
Der vierte Unterschied: Während der Laufzeit des Joint Ventures ist es möglich, Kapital aus dem Unternehmen abzuziehen. So kann zum Beispiel eine Anschubfinanzierung ausgeglichen werden.
Fazit
Joint Ventures können eine Win-win-Situation mit sich bringen: So profitieren chinesische Unternehmen vom Technologie-Transfer – und die westlichen Partner sichern sich eine gute Position am Wachstumsmarkt China. Gefahren lauern aber auch: Wesentliche Geschäftsgeheimnisse können verloren gehen, Plagiate und Verstöße gegen den Patentschutz sind aus China bekannt. Kulturelle Differenzen werden auch leicht zu Sand im Getriebe – und die Integration des Joint Ventures in die Geschäftspolitik beider Partner kann schwerfallen, weil das Gemeinschaftsunternehmen autonom am Markt auftritt. So muss sich erst noch in der Praxis zeigen, ob die Daimler AG in "Beigi Foton Motor" einen guten Partner gefunden hat …