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Insolvenzrecht

Wie der neue Überschuldungsbegriff Insolvenzanträge verhindert

Am 18.10.2008 ist zur Bekämpfung der Finanzkrise das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) in Kraft getreten. Für Sie als Geschäftsführer ist dabei im Insolvenzrecht die Änderung des § 19 Abs. 2 Insolvenzordnung (InsO) von erheblicher Bedeutung.

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Mit dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG) soll generell das Vertrauen zwischen den Marktteilnehmern (Banken) wieder hergestellt werden, das durch die Finanzkrise erheblich erschüttert wurde.

Dazu schafft das Gesetz einen besonderen Fonds, mit dem

  • Liquiditätsengpässe am Interbankenmarkt beseitigt unddie Eigenkapitalbasis insbesondere von Kreditinstituten, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds gestärkt werden sollen.
  • Begleitet wird dieser Fonds durch die Änderung des Überschuldungsbegriffs, die für alle Unternehmen, also auch für kleine und mittlere gilt.

 

So war die (alte) Rechtslage bis zum 17.10.2008

Nach dem bis zum 17.10.2008 geltenden § 19 Abs. 2 InsO war im Insolvenzrecht eine mehrstufige Überschuldungsprüfung vorzunehmen.

In einer ersten Überschuldungsbilanz wurde das Aktiv- und Passivvermögen ermittelt und gegenübergestellt.

Als Aktiva dienten die Liquidationswerte (also die Werte, die sich bei der Veräußerung mittels einer Zerschlagung des Unternehmens für jeden einzelnen Gegenstand erzielen lassen konnten).
Ergab sich eine rechnerische Überschuldung, musste eine Fortführungsprognose erfolgen.

Dadurch war zu klären, ob eine Fortführung des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich sein konnte. Abzustellen war darauf, ob ein ordentlicher Geschäftsführer auf der Grundlage einer gewissenhaften und sachkundigen Prüfung aller am Stichtag erkennbaren wesentlichen Umstände die Gesellschaft fortführen würde.

Die Prognose bestand also letztlich aus einer Liquiditätsplanung. Positiv konnte die Prognose nur sein, wenn die Gesellschaft voraussichtlich in der Lage war, ihre während des laufenden und des nächsten Geschäftsjahres fällig werdenden Verbindlichkeiten zu bedienen.

Erfolgte eine positive Fortführungsprognose, war eine zweite Überschuldungsbilanz zu erstellen. Darin wurden nicht die niedrigeren Liquidationswerte, sondern die höheren Fortführungswerte eingestellt.

Es wurde also der bei einer Veräußerung des gesamten Unternehmens zu erzielende wirkliche Unternehmenswert einschließlich der stillen Reserven und des „good will“ ermittelt.

War danach immer noch eine Überschuldung gegeben, musste der GmbH-Geschäftsführer innerhalb von drei Wochen nach dem rechnerischen Überschuldungseintritt einen Insolvenzantrag stellen.

Sie mussten den Insolvenzantrag nach altem Recht selbst in Fällen stellen, in denen bei der Gesellschaft an sich …

  • eine positive Führungsprognose vorangeschickt wurde und
  • der wirtschaftliche Fortgang der Gesellschaft erwartet werden konnte

 

Das ändert sich beim neuen Überschuldungsbegriff

Artikel 5 FMStG bestimmt, dass § 19 Abs. 2 InsO nun wie folgt lautet:

„Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.“

Damit knüpft der Begriff der Überschuldung wieder an den früheren zweistufigen modifizierten Überschuldungsbegriff, der vom Bundesgerichtshof (BGH) bis zum Inkrafttreten der InsO vertreten wurde.

Folge ist, dass eine Überschuldung der Gesellschaft im Sinn von § 63 Abs. 1 GmbH-Gesetz (GmbHG) grundsätzlich nur dann vorliegt, wenn das Vermögen der Gesellschaft …

  • bei Ansatz von Liquidationswerten die bestehenden Verbindlichkeiten nicht decken würde (rechnerische Überschuldung) und
  • die Finanzkraft der Gesellschaft mittelfristig nicht zur Fortführung des Unternehmens ausreicht

Eine positive Fortführungsprognose verhindert somit den Tatbestand der Überschuldung – Sie müssen deshalb bei positiver Fortführungsprognose keinen Antrag auf Insolvenz wegen Überschuldung (mehr) stellen.

Joachim Welper
Steuerberater

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