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Martin Weigert / Frank Müller

Geld-App Swish: Wie Schwedens Banken gemeinsam das Smartphone erobern

Nahaufnahmen von Händen, die ein Mobiltelefon mit Anwendung zum Senden und Empfangen von Geld halten. Mann und Frau mit Smartphone und Zahlungsverkehr. Smartphone-Bildschirm, der die gesendete Zahlung und das empfangene Geld nach der Transaktion anzeigt. iStock / Getty Images: Ridofranz

Ein Beispiel aus Schweden zeigt, dass selbst das oft gescholtene Establishment im Onlinebereich erfolgreich sein kann: Dort haben die großen Banken mit Swish gemeinsam eine App zum schnellen mobilen Überweisen etabliert. Mit Plänen zur Erhebung von Gebühren könnten sie die geschaffenen Markteinstiegsbarrieren aber kaputt machen.

Hinweis: Dieser Artikel wurde zuerst am 25. November 2014 veröffentlicht. Die ersten Absätze des Beitrages beziehen sich auf die Informationen zu diesem Zeitpunkt. Ein Update zur aktuellen Lage (Stand: 26. August 2016) finden Sie am Ende des Textes.

Swish: Eine Fintech-Idee aus Schweden

 

Als ich in der vergangenen Woche prognostizierte , dass mobile Peer-to-Peer-Überweisungen auch in Deutschland demnächst ihren Durchbruch erleben werden, führte ich als eine Option an, dass die in Deutschland aktiven Banken sich für einen entsprechenden Dienst zusammenschließen könnten. Auf diese Weise würden sie sicherstellen, den Markt nicht den großen US-Giganten zu überlassen.

Ob es dazu kommt und inwieweit ein derartiges Unterfangen irgendwelche Chancen hätte, steht in den Sternen. Ein Blick nach Skandinavien zeigt aber, dass die Idee funktionieren kann. In Schweden nämlich hat eine gemeinsam von den führenden Finanzinstituten des Landes entwickelte P2P-App namens Swish innerhalb von zwei Jahren eine gewaltige Verbreitung erreicht und sich als Quasi-Standard für schnelle elektronische Geldtransfers per Smartphone etabliert.

Gemeinschaftsunternehmen von sieben Banken

Swish betreibt als von den sieben in Schweden präsenten Großbanken Danske Bank, Handelsbanken, Länsförsäkringar Bank, Nordea, Skandia, SEB und Swedbank zusammen gegründetes Gemeinschaftsunternehmen eine offene Infrastruktur für Echtzeit-Überweisungen von Geldbeträgen. Jedes Unternehmen mit den gesetzlichen Anforderung entsprechenden Bankdienstleistungen kann sich an Swish anschließen und damit den eigenen Kunden Zugang zum System geben.

Wie WhatsApp und andere Smartphone-Messenger ist Swish an eine Handynummer gebunden. Für Überweisungen benötigt man lediglich diese Nummer. Die Aktivierung eines persönlichen Swish-Kontos erfolgt über die Onlinebanking-Portale der partizipierenden Finanzinstitue. Wer ausschließlich Geld empfangen möchte, braucht keine App.

Eingehende Beträge werden nach erfolgter Überweisung sofort dem Empfängerkonto gutgeschrieben. Für Geldtransfers ist Swishs für Android, iPhone und Windows Phone angebotene App notwendig. Um Missbrauch zu vermeiden, müssen ausgehende Zahlungen über eine separate, direkt in den Prozess integrierte App mit einer elektronischen Signatur bestätigt werden. Hier profitieren die Marktteilnehmer von der in Schweden existierenden Infrastruktur zur sicheren, offiziell anerkannten Online-Personenidentifikation.

 

Swish: Fast 20 Prozent der Schweden sind Nutzer (Stand: 2014)

Im Dezember 2012 gab das Betreiberkonsortium den Startschuss für Swish. Mittlerweile haben sich laut Firmenangaben mehr als 1,8 Millionen der 9,65 Millionen Einwohner des Landes registriert. Die Wachstumrate liegt aktuell bei 150.000 Nutzern pro Monat. Über 12 Millionen schwedische Kronen - rund 1,3 Millionen Euro - wechselten im Oktober über Swish die Besitzer. Vor allem bei Jüngeren hat sich der Service schnell etabliert. Mit dem neugeformten Verb “swisha” können heute die meisten etwas anfangen.

Bislang kann die App also als handfeste Erfolgsgeschichte gewertet werden. Auch wenn die partizipierenden, in Schweden marktführenden Banken mit ihrer enormen Reichweite natürlich ordentlich für den Service getrommelt haben, weshalb ein Scheitern ohnehin schwierig war.

Potenzial im Handel

Richtig spannend wird nun, wie es mit Swish weitergeht. Jetzt, wo der berühmte Tipping Point überschritten ist und sich die Zahl der Nutzer rasant vervielfachen wird. Ganz neu ist ein Angebot für Firmen und Organisationen, sich ihrerseits ans Swish-System anzuschließen. Zielgruppe sind vor allem Akteure mit einer “hohen Barquote” - also Individuen, kleine Händler und Gastronomen, bei denen wenig Kartenzahlungen durchgeführt werden.

Im Falle der Teilnahme erhalten diese eine “Swish-Nummer”, die bei Transaktionen vom Geld-Absender anstelle einer Handynummer eingegeben wird. Anders als in Deutschland dominieren im schwedischen Handel bargeldlose Zahlungen. Die Frage ist, ob die Banken in einer künftigen Version von Swish versuchen könnten, mit Kartentransaktionen zu konkurrieren, etwa durch ein QR-Code oder NFC-basiertes Mobile-Payment-System. Für die Finanzinstitute hieße das, erhobene Transaktionsgebühren nicht mit den US-Kreditkartenfirmen teilen zu müssen.

Angesichts der längst erreichten kritischen Masse eröffnen sich hier in jedem Fall neue Möglichkeiten, die auch Auswirkungen auf die Erfolgschancen von Apple Pay in Schweden haben könnten.

Risiko Monetarisierung

Apropos Gebühren: Die Banken sehen Swish nicht einfach als netten Service für ihre Bankkunden. Sie Planen, auch von Privatpersonen Gebühren für Überweisungen zu erheben . Die Konditionen legt jede Bank individuell fest. Derzeit scheinen ein Prozent des überwiesenen Betrags die favorisierte Höhe zu sein. Ob Nutzer das aber akzeptieren werden, ist unklar. An diesem Punkt würden sich die Akteure angreifbar machen.

Der in den USA sehr beliebte P2P-Payment-Dienst Venmo , der früher oder später auch in Europa aufschlagen wird, schließt Transaktionsgebühren beispielsweise aus . Auch Snapchat - das sich in Schweden immer größerer Beliebtheit erfreut - berechnet für seinen bislang nur in Nordamerika angebotenen Dienst Snapcash keine Gebühren.

Angesichts der jetzt schon großen Verbreitung von Swish dürften es Startups und Onlinedienste im P2P-Payment-Bereich aktuell schwer haben, sich in Schweden auszubreiten. Sobald aber Swish-Überweisungen Geld kosten, steht der Markt plötzlich Angreifern wieder weit offen. Ein Markt, den Swish dann mühselig vorbereit hätte, nur um ihn an einen anderen Service zu verlieren.

Swish ist somit in doppelter Hinsicht eine Erwähnung weiter: Einerseits zeigt es, dass das oft als verkrustet und innovationsunfähig geltende Establishment mit schnellem Handeln und Investitionsbereitschaft doch vernünftige Dienste und damit verbundene Markteintrittsbarrieren für Akteure aus der Digitalszene erschaffen kann.

Update: Swish im Jahr 2016 - immer noch innovativ

Rund vier Jahre, nachdem sechs große schwedische Banken Swish gemeinsam entwickelt haben, hat sich das System zu einer echten Erfolgsstory entwickelt. 2015 konnte Swish mehr als drei Millionen aktive Nutzer in Schweden vermelden, das ist fast ein Drittel der schwedischen Bevölkerung.

Innovation, die inspiriert

Die Banken entwickeln Swish dabei immer weiter, und ganz nebenbei wird strahlt die Innovationskraft von Swish auch auf andere Unternehmen ab. Der schwedische Hifi-Händler Pause zum Beispiel nutzt die weit verbreitete App Swish für eine ungewöhnliche Werbeaktion.

Statt Kunden mit vorgeblichen Rabatten zu locken, die gar keine sind (wie in diesem Video zu sehen), schlägt Pause mit „ehrlichen Rabatten“ ("Honest Discounts") einen ganz anderen Weg ein. Pause überweist ausgewählten Kunden via Swish schon vor dem Kauf einen echten Rabatt, beispielsweise 10% des Kaufpreises eines ausgewählten Produkts. Kaufen die Kunden das Produkt nicht, verlässt sich Pause darauf, dass sie das Geld mit einem Fingertip zurücküberweisen. Wem soll man sonst trauen können, wenn nicht seinen eigenen Kunden?

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