Gleichzeitig erfreuen sich immer mehr Networking-Veranstaltungen großer Beliebtheit, Beziehungsnetze in der virtuellen Welt wachsen ständig, Unternehmen schließen strategische Partnerschaften wie in der Pharma-Forschung oder Luftfahrt (Star Alliance) – und Brand Eins betitelte das Heft im Juli "Kooperieren. Oder verlieren."
Wachsender Wettbewerbskampf einerseits, wachsende Kooperation anderseits: müssen wir uns für eine Strategie entscheiden? Es ist gerade keine Frage der persönlichen Neigung, ob Kooperation oder Konkurrenz zum Erfolg führt – sondern der Notwendigkeit. Denn es gibt Situationen, in denen Kooperation die bessere Strategie ist. Je härter der Wettbewerb wird, desto flexibler gilt es, dieses Instrumentarium zu beherrschen!
So ist es auch in der Natur: oft führt Konkurrenz zum Erfolg. So etwa kämpfen Kolkraben um das vorhandene Futter, jeder möchte seinen Nachwuchs möglichst gut ernähren; ein logisches Verhalten. Kommen jedoch Wildschweine oder Wölfe hinzu, würde kein einzelner Rabe den Kampf des Stärkeren gewinnen, und keiner hätte dann genug zu fressen. Also schließen sie sich zusammen, die einen lenken die großen Tiere ab, die anderen klauen ihnen das Futter, die Beute wird danach geteilt – eine echte Kooperation.
Gut kooperieren
Auch im Management geht es darum zu erkennen, wann Kooperation die bessere Strategie ist, und wie sie am besten in der Praxis eingesetzt wird.
1. Die Situation gut einschätzen
Wenn Schnelligkeit oder Innovation gefragt sind, führt Konkurrenzverhalten meist zum besseren Ergebnis. So erhöht in Forschungsteams Konkurrenz die Innovationshäufigkeit. Konkurrieren ist oft auch der scheinbar leichtere Weg: man muss nur sich selbst vertrauen und ist unabhängig von anderen. Viele wählen daher so lange die Strategie Konkurrenzverhalten, bis sie nicht mehr funktioniert; dann erst kommt Kooperation ins Spiel.
Bei Kooperation geht es um Geben und Nehmen im dosierten Austausch – kann das in der jeweiligen Situation funktionieren? Und ist das Gegenüber verlässlich?
Das wollte auch eine Führungskraft herausfinden, die einen Kollegen für ein Projekt gewinnen wollte. Beide waren Spezialisten auf dem selben Gebiet, und der Initiator sah eine große Chance in der Zusammenarbeit. Er bringt deshalb vorsichtig ein paar vertrauliche Informationen ins Gespräch und lässt auch Persönliches durchblicken. Wie reagiert der Kollege darauf – gibt er selbst Hinweise preis, oder aber zeigt er sich abweisend und überheblich? So konnte ersterer testen, ob der andere offen für eine Kooperation war. Allerdings gilt dabei auch immer: wer gewinnen will, hat auch das Risiko, alles zu verlieren. Kooperation dagegen macht oft auch eine Win-Win-Lösung möglich.
2. Die Ziele beachten
Kooperation oder Konkurrenz: wichtig ist immer, sowohl die eigenen Ziele zu kennen und das übergeordnete Ziel im Blick zu behalten, und dann die geeignete Strategie wählen. Passen die Ziele aller Kooperationspartner zusammen, lassen sie sich als gemeinsame Ziele formulieren?
Zum Beispiel hatten ein Hotel, ein benachbartes Restaurant und ein ebenso nah gelegenes Seminarhaus das gleiche Ziel, eine kontinuierliche Auslastung zu erreichen. Die Kooperation lag nahe, da sie die gleiche Zielgruppe ansprachen – zahlungskräftige Individualisten, die Wert auf Atmosphäre, Qualität und Service legten – und sich ihre Leistungen perfekt ergänzten. Kunden bekommen nun in allen drei Bereichen beste Qualität. Absprachen der Partner, gemeinsame Werbung und gegenseitige Weiterempfehlungen führten dazu, dass die meisten Kunden alle drei Bereiche buchten.
3. Die Vorteile für den anderen bedenken
Habe ich selbst überhaupt genug zu bieten, damit die Kooperation auch für die andere Seite interessant ist – ist Kooperation grundsätzlich möglich? So musste ein Manager auf eine Kooperation verzichten, weil der dem Partner nur Know-how angeboten hatte, der aber eine Gewinnbeteiligung erwartet hatte.
Der Vorteil muss aber nicht immer finanziell sein, auch Kontakte zu bestimmten Personen können wichtig sein, oder sogar persönliche Eigenschaften. Wer in der Lage ist, auch in kritischen Situationen Ruhe zu bewahren, kann einem nervösen Kooperationspartner helfen, Fehler zu vermeiden und strategisch vorzugehen. Vieles wird von Außenstehenden ganz anders wahrgenommen als von einem selbst, so kann Selbstverständliches für den Partner einen Wert haben. Am besten ist, ihn einfach danach zu fragen und im Gegenzug klar zu sagen, was man selbst braucht.
4. Misstrauen respektieren
Gerade im Entscheidungsmoment über Kooperation oder Konkurrenz ist Misstrauen nicht ungewöhnlich. Es gilt, sowohl das Misstrauen der anderen Seite als auch das eigene zu akzeptieren und dann auf Basis von Taten Vertrauen aufzubauen und zu gewinnen. So lässt sich die Kooperation in der Anfangsphase testen. Gerade im oberen und im Top-Management ist anfängliches Misstrauen häufig der Fall. Es gilt dann zu testen, ob Vertrauensaufbau möglich ist – denn der ist die Voraussetzung für eine funktionierende Kooperation.
In der Praxis trägt dazu bei, den beruflichen Rahmen zu verlassen und private Dinge anzusprechen, zum Beispiel davon berichten, wie die eigenen Kinder in der Schule Misserfolge hatten. So stellt man sich nicht mehr als Helden dar, sondern wird angreifbar. Nun wird sich zeigen, wie der andere damit umgeht, ob er sich auf die Beziehungsebene einlässt und ob er also eine vertrauensvolle Beziehung ebenso eingeht.
Kooperation oder Konkurrenz – wer die Situation erkennt und beide Strategien beherrscht, kann sie angemessen einsetzen. Und immer ist dabei auch Weitsicht gefragt: Wer heute noch konkurriert, kann schon bald wieder auf Kooperation angewiesen sein.