Mit zunehmendem Detailgrad und Umfang von Prognosemodellen steigt die Gefahr, dass Entscheider sich in den Details verlieren und aufgrund der als umfassend angesehenen Informationsmenge dazu neigen, Fehler und Fehlannahmen bei Vorhersagen fast kategorisch auszuschließen. Ferner spielen Gefühle bei Entscheidungen eine weitaus wichtigere Rolle als es unsere Wahrnehmung im Allgemeinen zulässt. Denn trotz subjektiv empfundener Rationalität erfolgen Entscheidungen in hohem Maße emotional.
Der präfrontale Hirnlappen gilt als die Hirnregion, in der die Verarbeitung von Emotionen und Gefühlen erfolgt. Wenn dieser Bereich z.B. durch einen Unfall oder eine Operation beschädigt wird, sind die Betroffenen häufig nicht mehr in der Lage, Emotionen wahrzunehmen oder richtig zu interpretieren. Bei Studien wurde festgestellt, dass ebenfalls die Fähigkeit, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen, davon beeinflusst wird. Dies geschieht, obwohl die Menschen gesund und klaren Verstandes erscheinen.
Die Ursache sind zwei Faktoren: fehlende gefühlsmäßige Verknüpfung mit Erfahrungen und der Mangel, einen Unsicherheitsfaktor emotional zu bewerten. Über die Verknüpfung erlebter Entscheidungen mit den positiven oder negativen Gefühlen der Resultate legt sich der Mensch ein Repertoire an vorgefertigten Entscheidungen zu. Wenn diese Verknüpfung zwischen Gefühl und Entscheidung nicht mehr erfolgt, fällt es schwieriger, eine Entscheidung zu treffen. Da jede Entscheidung mit einem gewissen Grad an Unsicherheit einhergeht, verbleibt stets ein emotional oder qualitativ zu erfassender Aspekt, der aus dem Bauch heraus getroffen werden muss. Ohne die Möglichkeit, diesen Aspekt emotional wahrzunehmen, fehlt die innere Sicherheit, um sich einen Willen zu bilden und einen Entschluss zu fassen. Da eine Entscheidung aus Willensbildung und Entschluss besteht, kann somit keine nachvollziehbare Entscheidung getroffen werden.
Dieser Umstand ist von Entscheidern zu berücksichtigen. Denn unabhängig davon, wie rational eine Entscheidung in der eigenen Wahrnehmung erscheint, es verbleibt immer ein gefühlsmäßiger Anteil unbekannter Größe. Um wiederholbar fundierte und transparente Entscheidungen zu treffen, ist daher eine strukturierte Vorgehensweise erforderlich.
Entscheidungen klassifizieren
Entscheidungen sind immer nach Entscheidungsbedarf und -risiko zu klassifizieren. Ohne diese Einteilung ist keine verbindliche Aussage zu Entscheidungsumfang und -verantwortung möglich und die hierarchische Position der Entscheidung bleibt oftmals unklar. Der Entscheidungsbedarf leitet sich aus Entscheidungskomplexität und Dringlichkeit ab (siehe Abbildung 1).
Eine einfache Entscheidung besitzt wenige Entscheidungsparameter und die Auswirkungen sind gut abschätzbar. Eine komplizierte Entscheidung ist schwer abschätzbar und hat mehrere Parameter, die eventuell verknüpft sind. Eine komplexe Entscheidung verfügt über mehrere Parameter, die untereinander dynamisch wirken. Eine ganzheitliche Abschätzung komplexer Entscheidungen ist nicht mehr möglich.
###BILD_2### Das Entscheidungsrisiko wird aus dem Risikomaß und der Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt (siehe Abbildung 2). Je nachdem welches konkrete Risiko mit der Entscheidung einhergeht, verändern sich Entscheidungskreis, wer darüber zu entscheiden hat und Vorgehensweise, wie mit der Entscheidung umzugehen ist.
Die jeweilige Konstellation von Entscheidungsbedarf und –risiko kann als Richtliniendefinition zum Umgang mit Entscheidungen herangezogen werden. Eine einfache Entscheidung mit niedrigem Entscheidungsbedarf, die nur ein geringes Risiko beinhaltet, kann z.B. von einer Person direkt an der Entscheidung getroffen werden. Eine komplexe Entscheidung, die ein existenzbedrohliches Risiko beinhaltet, wird von einem hochkarätigen Team unter Zuhilfenahme externer Berater erarbeitet und durchläuft mehrere Entscheidungsgremien.
Entscheidungsnotwendigkeit ermitteln
Bevor an einer Entscheidung letztendlich gearbeitet wird sollte die Entscheidungsnotwendigkeit hinterfragt werden. Die Ermittlung der Entscheidungsnotwendigkeit erfolgt über die Faktoren Bedarf und Zwang. Der Bedarf, eine Entscheidung zu treffen, ergibt sich aus den potentiellen Folgen einer Nicht-Entscheidung. Was würde passieren, wenn die Entscheidung nicht getroffen wird? Der Zwang entsteht aus dem noch zur Verfügung stehenden Zeitraum, bis eine Entscheidung getroffen werden muss (siehe Abbildung 3).
###BILD_3### Geringer Entscheidungsbedarf und hoher Entscheidungszwang werden sofort entschieden. Bei geringem bis mittlerem Entscheidungsbedarf und niedrigem Entscheidungszwang sollte eine Entscheidung delegiert werden. Hoher Bedarf und hoher Zwang erfordern unsere ganze Aufmerksamkeit.
Problemdefinition und -analyse
Der erste Schritt zur Vorbereitung einer wichtigen Entscheidung besteht in der Problemdefinition. Diese muss immer schriftlich erfolgen und das Problem konkret beschreiben. Die schriftliche Form erleichtert den sachlichen Bezug zum Thema und unterstützt den Entscheider bei der strukturierten Erarbeitung der Aufgabe. Nachdem das Problem definiert ist, folgt die Phase der Analyse bzw. Problemrecherche. Ziel hierbei muss immer die Erarbeitung mehrerer sinnvoller Lösungsalternativen sein.
Mehr Alternativen – bessere Entscheidung
Die Entscheidungsqualität steigt in der Regel mit der Anzahl der zur Verfügung stehenden Alternativen. Das Ergebnis einer Studie ist, dass Entscheidungen, die auf der Grundlage von mehr als zwei sinnvollen Alternativen getroffen werden, zu erfolgreicheren Ergebnissen führen als Entscheidungen, die aus zwei oder weniger Lösungsalternativen resultieren. Entscheidungen mit nur einer Option sind meist das-haben-wir-immer-so-gemacht-Lösungen oder es fehlt der Ansporn weitere innovative Lösungen zu suchen. Solche eindimensionalen Lösungsansätze führen nicht zu überragenden Resultaten.
Alternativen bewerten, simulieren und wählen
Die erarbeiteten Alternativen sind vergleichbar zu bewerten, um aus dem Pool an Lösungen die geeignete herauszufiltern. Hierfür eignen sich diverse Bewertungsmethoden, um eine nachvollziehbare Übersicht der Handlungsoptionen zu erstellen. Es sind gemeinsame Charakteristika zu definieren, die für die Entscheidung relevant sind und daher die Auswahl der einen oder anderen Alternative beeinflussen. Bei der Bewertung ist auf Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu achten. Denn mangelnde Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen erschwert die anschließende Umsetzung – einfach ist gut, einfacher ist besser.
Bei komplizierten und komplexen Entscheidungen beeinflussen die Auswirkungen teilweise unterschiedliche Unternehmensbereiche und Abteilungen. Die Erarbeitung von derart umfangreichen Konsequenzen ist in der Regel von einer Person allein nicht zu bewältigen. Die Auswirkungen der jeweiligen Alternativen sind vor diesem Hintergrund in einem Team zu simulieren, um Wechselbeziehungen aufzudecken und deren Effekte abschätzen zu können.
Entscheidung = Willensbildung + Entschluss
Nachdem die Lösungsalternativen bewertet sind und deren erwartete Folgen vorliegen, ist der Entschluss zu fassen. Obwohl sich der Entschluss nun auf die Auswahl einer der verglichenen Alternativen reduziert, fällt die Wahl oft schwer. Denn unabhängig von der vorliegenden Information, wie detailliert und umfangreich sie auch sein mag, besteht immer ein rational nicht erfassbarer Teil.
Ferner bestehen im Rahmen der Entscheidungsfindung häufig noch weitere Hindernisse. Diese können auf organisations- (Ursachen formaler Natur, z.B. Verantwortungsrahmen, Zielverständnis) oder mitarbeiterbezogene Ursachen (Ursachen emotionaler Natur, z.B. Angst, Aufwand, Konfliktvermeidung) zurückzuführen sein. Für eine effektive Behandlung ist die jeweilige Ursache zu analysieren und zu klären.
Der Entschluss ist von einer Person zu treffen, die für die Umsetzung und die Erreichung der Ergebnisse die Verantwortung übernimmt. Gegen eine Teamentscheidung sprechen zwei Aspekte: Zum einen neigen Teams zu sehr dazu, in Kompromissen zu denken. Zum anderen geht die Verantwortung im Team unter. Obwohl sich in der Theorie die Verantwortung bei Teamentscheidungen auf da Team verteilt, funktioniert das in der Praxis leider selten. Die Erarbeitung der Entscheidung erfolgt durch das Team und die Entscheidung trifft eine Person.
Entscheidung umsetzen
Nachdem die Entscheidung getroffen ist, sind alle nicht gewählten Alternativen abzulegen und die Entschlussoption umzusetzen. Dies bedarf einer ergebnisorientierten Projektsteuerung. Mit der transparenten Aufbereitung ist hierfür bereits der Grundstein gelegt. Der Entscheider muss während des Projektes am Ball bleiben, um Projektfortschritte und Zielerreichung kontrollieren und Abweichungen frühzeitig erkennen zu können. Merke: Der Erfolg einer Entscheidung hängt in erster Linie von deren Umsetzung ab; die Qualität der Entscheidung beeinflusst den Erfolg nur sekundär.
Manche Entscheidungen erweisen sich im Nachhinein als suboptimal. Das kann passieren. Jede Entscheidung birgt einen gewissen Grad an Unsicherheit. Daher kann sich eine heute richtige Entscheidung schon morgen als falsch herausstellen oder eine heute noch falsche morgen als die richtige. Das ist unerheblich. Die Zukunft ist unvorhersehbar. Daher gilt für den Entscheider nur die Informationsgrundlage zum Zeitpunkt der Entscheidung. Wenn sich die Informationsbasis im Nachhinein gravierend ändert, dann ändert dies die gesamten Rahmenbedingungen und nicht nur die Entscheidung in richtig oder falsch. In diesem Fall ist die Entscheidung neu zu klassifizieren, zu analysieren, zu bewerten und zu entscheiden.