Duden - ein zweiter Nostradamus?

Schwarz auf weiß steht auf Seite 23 des 1880 verfassten "Urdudens" geschrieben: "Betttuch" – mit drei "t". Ganz so, wie es sich laut neuester Rechtschreibreform gehört.

Hier von einer Prophezeiung zu sprechen ist wohl übertrieben, aber ohne Zweifel war der Autor des Werkes, Konrad Duden, ein Vordenker, dem wir die Grundlage für eine einheitliche deutsche Rechtschreibung verdanken.

Wenn ein Markenname als Synonym für ein bestimmtes Produkt verwendet wird, geht der Traum eines jeden Marketingexperten in Erfüllung. Im deutschsprachigen Raum haben einige Marken diesen enormen Bekanntheitsgrad erreicht. So verlangt beispielsweise jemand der Klebeband benötigt einen Tesafilm. Schniefnasen bitten um ein Tempo und erhalten daraufhin ein Taschentuch. Und wenn man mit der deutschen Rechtschreibung auf Kriegsfuß steht, greift man nicht nach einem Wörterbuch, man fragt den Duden um Rat.

Denn seit mehr als 125 Jahren ist der Duden, der in der baden-württembergischen Metropole Mannheim erstellt und verlegt wird, das Standardnachschlagewerk der deutschen Gegenwartssprache. Zu verdanken haben wir dieses Meisterwerk Konrad Duden, den man durchaus in einem Atemzug mit literarischen Größen wie Goethe und Schiller nennen kann. Zugegeben, Dudens Werke sind vielleicht nicht so unterhaltsam zu lesen, aber nichts desto trotz fällt er, wie seine beiden Schriftstellerkollegen, in die Kategorie "Bestsellerautor".

"Du, wie schreibt man denn ... ?"

Wenn man sich heutzutage nicht sicher ist, wie ein Wort geschrieben wird, greift man ganz einfach zum Duden und schlägt es nach. Doch in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts war diese Frage nicht so leicht zu beantwortenden. Aufgrund einer fehlenden übergeordnete Regelung hatte sich im Laufe der Jahre ein fröhliches Nebeneinander verschiedenster orthographischer Regelwerke entwickelt. Beinahe jeder Verlag, jede Druckerei, jedes Amt hatte sich – wenn überhaupt – auf eine eigene, hausinterne Rechtschreibung verständigt. Selbst in Schulen wurde die deutsche Sprache nicht nach einheitlichen Regeln unterrichtet. Für Konrad Duden, selbst Lehrer, ein unhaltbarer Zustand.

"Wie alles begann" oder "ein Reich – eine Rechtschreibung?!"

Blicken wir zurück ins Jahr 1871. Die Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen war gerade zu Ende gegangen. Kaiser Wilhelm I. hatte sich als Deutscher Kaiser behauptet und das Deutsche Kaiserreich ausgerufen. Hatte man die beinahe babylonischen Sprachverhältnisse in der Vergangenheit noch nicht bewusst wahr genommen, wurde die Notwendigkeit einer einheitlich geregelten deutschen Rechtschreibung durch die Reichsgründung überdeutlich.

Konrad Duden lebte zu dieser Zeit in dem kleinen thüringischen Städtchen Schleiz, wo er das ansässige Gymnasium leitete. Schon seit Beginn seiner Lehrtätigkeit hatte sich Duden mit dem Phänomen Rechtsschreibung auseinandergesetzt und orthographische Besonderheiten seiner Schüler sorgfältig dokumentiert. Durch den täglichen Umgang mit ihnen wurde er in seinem Bestreben, die Lösung der Rechtschreibproblematik in Angriff zu nehmen, bestärkt. Und so veröffentlichte er bereits 1872 seine Schrift "Die deutsche Rechtschreibung", in der er Lösungsvorschläge zur Überwindung der Misere aufzeigte.

Am Veto Bismarcks gescheitert

Auch Adalbert Falk, preußischer Kultusminister, hatte die Dringlichkeit der Situation erkannt. Deshalb berief er im Jahre 1876 die "1. orthographische Konferenz" in Berlin ein, an der namhafte Sprachwissenschaftler aus dem ganzen Reich teilnahmen. Ebenfalls mit von der Partie war Konrad Duden. 

Schon bald nach Beginn der Veranstaltung zeichnete sich eine Spaltung der Anwesenden in zwei große Lager ab, die bis zum Ende nicht mehr überwunden werden konnte. Trotz dieser Differenzen einigte man sich darauf, die erarbeiteten Ergebnisse schriftlich festzuhalten. Doch die ganze Arbeit war letztendlich umsonst. Als Bismarck die Einführung dieses Regelwerks für die preußischen Behörden ablehnte, schlossen sich ihm die Verantwortlichen der anderen Staaten an. Logische Konsequenz daraus war, dass die einzelnen deutschen Staaten die Sache wieder selbst in die Hand nahmen und jeweils eigene Regelwerke erstellten. Damit war die Konferenz offiziell gescheitert - man war wieder am Ausgangspunkt angekommen.

Auf eigene Faust

Mit diesem Status quo wollte sich Duden nicht abfinden. Er schnappte sich die preußischen und bayerischen Rechtschreibregeln und machte sich in seinem stillen Kämmerchen an die Arbeit. 1880 war der große Augenblick gekommen. Duden publizierte sein 27.000 Stichwörter und 187 Seiten starkes  "Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache" im Verlag Bibliographisches Institut in Leipzig. Dieser erste aller Duden, der so genannte "Urduden", sollte zwar in erster Linie in der Schulpraxis Anwendung finden, doch war er so verfasst, dass man ihn auch darüber hinaus verwenden konnte. Dudens Wörterbuch schuf die Grundlage für eine einheitliche deutsche Rechtschreibung – und Duden selbst gilt zu Recht heute als deren "Vater".

Geburtsstunde der Dudenredaktion

Das Werk war schon damals ein Bestseller. Bis zur Jahrhundertwende erschien bereits die sechste Auflage des Wörterbuches. Zu diesem Zeitpunkt übernahm Duden noch alle Überarbeitungen persönlich. Doch spätestens mit der "2. orthographischen Konferenz" im Jahr 1901 gehörte der Einzelkämpfer Duden endgültig der Vergangenheit an. Alleine konnte er dieses Arbeitspensum unmöglich bewältigen. Und so scharte er einen kleinen erlesenen Mitarbeiterstab um sich – die Geburtsstunde der Dudenredaktion. 

Mit der siebten Auflage war der Duden de facto zum verbindlichen Wörterbuch für die deutsche Rechtschreibung geworden. Den „amtlichen Segen“ erhielt er im November 1955, als ihn die Kultusminister der Länder per Beschluss in allen orthografischen Zweifelsfällen für verbindlich erklärten. In die aktuelle Ausgabe des "Duden – Die deutsche Rechtschreibung" wurden 5.000 neuen Wörter aus allen Lebensbereichen aufgenommen. Mit 125 000 Stichwörtern ist diese 23. Auflage des Rechtschreibklassikers die umfangreichste Ausgabe aller Zeiten. 

Vom Wörterbuch zum umfassenden Nachschlagewerk

Zu Beginn war der Duden als reines Wörterbuch der deutschen Rechtschreibung konzipiert. Doch Duden war immer an der Weiterentwicklung seines Werkes gelegen. Deshalb nahm er bald zahlreiche neue Wortbedeutungen sowie Herkunftserklärungen von Fremdwörtern mit auf. Auch mundartliche Ausdrücke und systematische Wörter aus Fach- und Sondersprachen erhielten Einzug in das Wörterbuch. Auf diese Weise einwickelte sich der Duden allmählich zu einem umfassenden Nachschlagewerk.

Mannheim – Hauptstadt der deutschen Sprache

Heute sind rund 20 wissenschaftliche Mitarbeiter in der Dudenredaktion in Mannheim beschäftigt, die zur „Bibliographisches Institut & F.A. Brockhaus AG“ gehört. Das Verlagsprogramm wurde im Laufe der Zeit erheblich ausgebaut. Neben dem klassischen gedruckten Wörterbuch bietet der Verlag auch digitale Versionen und Korrekturprogramme an. Zudem kommt eine Vielzahl von Nachschlagewerken wie beispielsweise das "Wörterbuch der Synonyme", das "kleine Kreuzworträtsel Lexikon" oder auch den "Duden Informatik A-Z" hinzu. Außerdem publiziert der Verlag unter dem Stichwort "Schule und Lernen" altersgerechte Bücher für Kinder und Jugendliche. 

Bei allem Erfolg haben die Mitarbeiter des Verlages eines nie aus den Augen verloren: Dudens Intention. Er wollte ein Buch schaffen, das jedem Menschen von Nutzen ist, der mit der deutschen Sprache lebt und arbeitet. Und daran halten sich die Redakteure bis heute.

© förderland 

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