MorphoSys AG - die etwas andere Bibliothek

Was fällt Ihnen spontan zum Stichwort "Bibliothek" ein? "Antikörper, Labor, Biotechnologie...", wäre wohl die Antwort von Simon Moroney. Sein Unternehmen, die MorphoSys AG, hat mit der Humanen Kombinatorischen Antikörperbibliothek (HuCAL®=Human Combinatorial Antibody Library) einen echten Treffer gelandet.

Die HuCAL® ist keine gewöhnliche Bibliothek.

Statt verstaubter alter Schmöker beherbergt sie rund 15 Milliarden Antikörper, die sich alle in ein paar Tropfen Flüssigkeit am Grunde eines Reagenzglases tummeln. Antikörper sind ein natürlicher Bestandteil jedes menschlichen Organismus. Jeder Mensch verfügt über ca. 1-2 Milliarden unterschiedlicher Antikörper. Diese übernehmen eine Art Aufpasserrolle im Körper. Sie wandern mit dem Blut durch den Organismus und haben die Aufgabe, ihn rund um die Uhr vor Infektionen und Krankheiten zu schützen. 

Die MorphoSys AG in Martinsried ist inzwischen eines der führenden Biotechnologie-Unternehmen im Bereich der humanen Antikörper.

Durch die Entwicklung verschiedener Technologien zur synthetischen Nachbildung menschlicher Antikörper im Labor sind sie im Olymp ihrer Branche angekommen.

Maßgeschneiderte Antikörper

Eine dieser Technologien ist HuCAL®, mit deren Hilfe maßgeschneiderte Antikörper hergestellt werden können. Diese können sowohl für die Forschung und Diagnostik als auch für die Therapie von Krankheiten eingesetzt werden. Momentan arbeitet MorphoSys im Auftrag von anderen Pharma- oder Biotechnologie-Unternehmen an rund 30 Projekten, die das Ziel haben, aus diesen Antikörpern Medikamente, z.B. gegen bestimmte Krebsarten, zu entwickeln. MorphoSys ist am Erfolg dieser Projekte in Form von Lizenz- und Erfolgszahlungen, Meilensteinzahlungen und Tantiemen für vermarktete Medikamente beteiligt.  

Im Laufe der Jahre hat MorphoSys den Schritt vom reinen Technologieanbieter – mit namhaften Partnerunternehmen wie Schering, Bayer oder Roche - zu einem Unternehmen mit eigenen Produkten gemacht. Das neue Geschäftsmodell schließt neben der Vermarktung und Lizenzierung der HuCAL® Technologie auch den Aufbau einer Sparte mit eigenen Antikörperprodukten ein. Besonderes Augenmerk wird dabei auf die Indikationen Entzündung, Krebs und Infektionen gerichtet.

Trafen sich ein Chemiker und ein Biochemiker...

Angefangen hatte alles 1992 im beschaulichen Martinsried, südwestlich von München. Hier begegneten sich der heutige Vorstandsvorsitzende Dr. Simon Moroney und der promovierte Biochemiker und heutiges Aufsichtsratsmitglied Dr. Andreas Plückthun. Zusammen mit Dr. Christian Schneider riefen sie die MorphoSys AG ins Leben. 

Die drei Wissenschaftler waren ihrer Zeit weit voraus. Denn 1992 gab es in Deutschland praktisch noch keine Biotechnologie-Industrie, weshalb anfänglich auch niemand bereit war in eine derartige Firmengründung zu investieren. Doch davon ließen sich die drei nicht entmutigen. Dank ihrer Hartnäckigkeit und der Überzeugung, neue Technologien zur Herstellung von Antikörpern entwickeln zu können, gelang es ihnen schließlich, einen englischen Investor mit ins Boot zu holen. 

Als Startkapital standen den frischgebackenen Unternehmern gerade mal 300.000 D-Mark zur Verfügung. Doch MorphoSys wuchs recht schnell, Forscher wurden eingestellt und nachdem in den ersten fünf Jahren die Etablierung der Technologie im Vordergrund stand, konnte 1997 der erste Kooperationspartner gewonnen werden. Der rasche Aufstieg des Unternehmens gipfelte 1999 schließlich im Börsengang. Als erstes Biotechnologie-Unternehmen am Neuen Markt sammelte MorphoSys gut 25 Millionen Euro ein.

Das Ruder herumgerissen

Doch nach der anfänglichen Euphorie brach mit dem Platzen der „Neuen Markt-Blase“ auch die MorphoSys-Aktie ein. Hinzu kam noch ein langwieriger und kostenintensiver Patentstreit mit einem britischen Konkurrenten - das junge Unternehmen geriet ins Schwanken. Um das Ruder herumzureißen, musste die Firmenleitung ein Viertel der Belegschaft entlassen. Kein leichter Schritt, aber rückblickend überlebensnotwendig. In der Folgezeit konzentrierte man sich auf die Zusammenarbeit mit den Partnern und die Etablierung der Technologie auf dem Markt. Die Maßnahmen zeigten bald erste Erfolge. Das Unternehmen erholte sich. 2004 stieg die Mitarbeiterzahl von 95 auf 135. Inzwischen arbeiten allein im Stammhaus in Martinsried 145 Mitarbeiter. Hinzu kommen noch 100 Angestellte größtenteils in den Vereinigten Staaten und Großbritannien. 

2004 hatte es die bayerische Antikörper-Schmiede schließlich geschafft. Bei MorphoSys wurden erstmals schwarze Zahlen geschrieben – eine kleine Besonderheit in der Welt der Biotechnologie-Unternehmen. „Es ist äußerst befriedigend, zu sehen, dass etwas, das man jahrelang geplant hat und an das man geglaubt hat, auch tatsächlich funktioniert“, erklärt Moroney heute nicht ohne Stolz.

© förderland 

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