SGB II-Fortentwicklungsgesetz Stand 2006
Weitere Hartz-IV-Verschärfung
Hartz IV – eine ewige Streitfrage. Kritiker der Arbeitsmarktreform bemängeln die unzureichende Umsetzung und die viel zu hohen Kosten. Ganz zu schweigen von der beinahe gleichbleibend hohen Arbeitslosigkeit. Abhilfe soll nun das SGB II-Fortentwicklungsgesetz schaffen. Besonderes den schwarzen Schafen, die unberechtigter Weise Leistungen beziehen, soll es nun an den Kragen gehen.
SGB II – Was ist das?
Das so genannte Zweite Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) trat am 1. Januar 2005 in Kraft und regelt die Grundsicherung für erwerbsfähige, aber hilfebedürftige Arbeitssuchende, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I haben. Ziel des Gesetzes ist, gleiche Regeln und gleiche Leistungen für alle zu schaffen und bisherige Sozialhilfeempfänger ins Zentrum von Förderung und Vermittlung zu stellen. Besitzt ein Erwerbsfähiger weder hinreichendes Einkommen noch Vermögen, bekommen er und seine Familie eine Regelleistung, die zur Sicherung des Lebensunterhaltes dient - das Arbeitslosengeld II.
Dieses war der erste Streich...
Bereits im April dieses Jahres wurden im Rahmen des Gesetzes zur Änderung des SGB II einige Neuerungen eingeführt. Dazu gehören beispielsweise die Neuregelung bei Bedarfsgemeinschaften für Jugendliche oder die Anhebung des Arbeitslosengeld-II-Ost auf Westniveau zum 1. Juli 2006. Mit dem SGB II-Fortentwicklungsgesetz soll das System der Grundsicherung für Arbeitsuchende deutlich effizienter und funktionsfähiger werden. Neben der Vermeidung von Leistungsmissbrauch werden auch die Verbesserung der Eingliederung, die Optimierung des Leistungsrechts und die Steigerung der Effizienz der Verwaltung in Angriff genommen. Verpackt in dieses Maßnahmenpaket ist auch die Zusammenlegung der bisherigen Ich-AG und des Überbrückungsgeldes zum Gründungszuschuss für Arbeitslose.
Seit dem 1. August 2006 sollte das Maßnahmenpaket stückweise umgesetzt werden. Der Bund erhoffte sich damit für 2006 Einsparungen in Höhe von rund 400 Millionen Euro. Die Ausgaben für Gemeinden sollten im gleichen Zeitraum um 100 Millionen Euro zurückgefahren werden. Seit 2007 rechnete der Bund mit Einsparungen von 1,2 bis 1,4 Milliarden Euro, die Gemeinden mit rund 300 Millionen Euro pro Jahr.
... und der zweite folgt zugleich - das Wichtigste im Überblick
Arbeitsbereitschaft und Sofortangebote
Arbeitsbereitschaftsprüfung und Sofortangebote lauten die Zauberworte. Sprich, jeder Antragsteller, der erstmals Arbeitslosengeld II beantragt, wird unmittelbar auf seine Arbeitsbereitschaft geprüft und bekommt schnellstmöglich ein passendes Sofortangebot in die Hand gedrückt. Durch die sofortige Bemühung der Arbeitsagentur um Vermittlung des Antragstellers soll der Schritt in die Arbeitslosigkeit und damit in die Hilfebedürftigkeit gleich umgangen werden.
Leistungsmissbrauch verhindern
Besonderes Augenmerk wurde auf das Thema Leistungsmissbrauch gelegt. Um den unberechtigten Bezug von Leistungen zukünftig zu erschweren bzw. zu verhindern, werden flächendeckend Außendienste eingerichtet. Deren Aufgabe besteht in der konsequenten Überprüfung von Verdachtsfällen, beispielsweise durch Hausbesuche. So sollen unberechtigte Ansprüche vor Ort schneller erfasst und umgehend beseitigt werden. So genannte "Contact Center" führen im Auftrag der ARGEn per Telefon Statusabfrage der Betroffenen durch und Überprüfung die Leistungsvoraussetzungen.
Schärfere Sanktionen: 30-60-100
Der Katalog möglicher Sanktionen wird erweitert, bereits vorhandene Sanktionen werden verschärft und können nun zielgenau eingesetzt werden. Zur zielgenaueren Ausgestaltung der Sanktionen kommt ein dreistufiges Verfahren zur Absenkung der Leistungen zur Anwendung. In der ersten Phase wird das Arbeitslosengeld II für drei Monate um 30 Prozent gekürzt, wenn sich der ALG II-Empfänger weigert, eine ihm angebotene zumutbare Arbeit oder Eingliederungsmaßnahme anzutreten. Bei Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, entfallen die Regelleistungen komplett. Betroffene haben nur noch Anspruch auf Sachleistungen.
Wiederholt sich diese Art von Pflichtverletzung innerhalb der nächsten zwölf Monate (bisher drei Monate), führt dies zum sofortigen Eintritt einer Sanktion der zweiten Stufe. Das bedeutet, dass die Leistungen – hier einschließlich Mehrbedarf, Kosten der Unterkunft und einmaliger Leistungen – zusätzlich um weitere 30 Prozent reduziert werden.
Bei dreimaliger Ablehnen einer angebotenen Stelle innerhalb eines Jahres droht dem Bezieher von Arbeitslosengeld II die komplette Streichung seiner Leistungen für drei Monate. Dies betrifft nicht nur die Regelleistung, sondern auch die Zahlungen für Unterkunft und Heizung.
Eheähnliche Gemeinschaft - in dubio contra reo
Gilt ein "Angeklagter" normalerweise so lange als unschuldig, bis seine Schuld bewiesen ist, wird die Beweislast für eheähnliche Gemeinschaften nun umgekehrt. Leben mehrere Personen zusammen, müssen diese selbst nachweisen, dass sie dies nicht in eheähnlicher Gemeinschaft tun – also nicht füreinander aufkommen und sorgen. Nur dann werden das jeweilige Vermögen und das Einkommen des Anderen nicht angerechnet. Von Amts wegen wird künftig automatisch angenommen, dass eine Bedarfsgemeinschaft besteht, sobald Personen länger als ein Jahr zusammenleben oder Kinder im Haushalt versorgt werden. Zur Widerlegung dieser Vermutung reicht die bloße Behauptung des Gegenteils nicht aus.
Anhebung des Vermögensfreibetrages
Der Freibetrag für die Altersvorsorge wird auf 250 Euro (bisher 200 Euro) pro Lebensjahr angehoben. Gleichzeitig sinkt der Grundfreibetrag für sämtliche anderen Vermögenswerte wie Sparguthaben oder Wertpapiere pro Lebensjahr auf 150 Euro (bisher 200 Euro). So soll Arbeitslosengeld II-Empfängern der Aufbau einer zusätzlichen privaten Altervorsorge erleichtert werden. Hier spiegelt sich das grundsätzliche Ziel der Bundesregierung wider, dass jeder Bürger eigenverantwortlich Maßnahmen zur Sicherung seines Lebensunterhalts im Alter treffen soll.
Weiterfinanzierung von Wiedereingliederungsmaßnahmen
Wiedereingliederungsmaßnahmen werden in Zukunft auch dann noch finanziert, wenn die Hilfebedürftigkeit des Empfängers nicht mehr vorhanden ist, um diese so anhaltend zu beseitigen. Bisher wird die Wiedereingliederungsmaßnahme nur dann weiter bezahlt, wenn der Empfänger bereits zwei Drittel der Maßnahme durchlaufen hat.
Noch kein Ende in Sicht
Bundeskanzlerin Angela Merkel hält die beschlossenen Sanktionsmöglichkeiten für unumgänglich. Es gelte der Grundsatz: "Wer arbeitet, muss mehr haben als jemand, der nicht arbeitet", sagte sie auf einem Kongress des CDU-Wirtschaftsrates. Zudem kündigte sie weitere Schritte an, die bald folgen werden. Es gehe dabei aber nicht um die Kürzung der Regelleistung für Arbeitslose, sondern vielmehr um Probleme bei den Zuständigkeiten für die Betreuung und Vermittlung von Langzeitarbeitslosen, die umgehend beseitigt werden müssten, so Merkel weiter.
Seitenhieb auf freiwillig versicherte Selbstständige
Ganz still und heimlich hat der Ausschuss für Arbeit und Soziale noch einen besonderen Leckerbissen für Selbstständige in das SGB II-Fortentwicklungsgesetz "eingeschmuggelt". Demnach können Selbstständige und Pflegepersonen nur noch dann in die Freiwillige Arbeitslosenversicherung eintreten, wenn sie ihre Tätigkeit nach dem 31. Dezember 2003 begonnen haben. Besonders perfide: Das Gesetz tritt rückwirkend in Kraft. Wer seinen Antrag nicht am Tag vor der letzten Lesung im Bundestag – also am Mittwoch, 31. Mai 2006 – bei der Arbeitsagentur eingereicht hat, schaut damit in die Röhre.
Quelle: BMAS/ddp
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