Intelligenz schützt nicht vor falschen Entscheidungen. Michael J. Mauboussin beschreibt in Think Twice , wie man richtige Entscheidungen trifft und was häufige Gründe für falsche Entscheidungen sind.
Fragt man Käufer, auf welcher Grundlage sie Kaufentscheidungen treffen, behaupten so gut wie alle, es gehe nur um rationale Gründe. Dennoch zeigen Untersuchungen, dass beispielsweise Weinläden mehr deutschen Wein verkaufen, wenn deutsche Musik gespielt wird, und mehr französischen Wein, wenn französische Musik läuft. Andere Untersuchungen belegen, dass man einen höheren Verkaufspreis für eine Immobilie erzielt, wenn die Käufer bei der Besichtigung den Duft frischen Kaffees in der Nase haben. Irrelevante Sinneswahrnehmungen haben Entscheidungen beeinflusst und entrationalisiert.
Wir denken nicht rational
Ein weiteres Beispiel: Der Psychologie-Professor Stephen Greenspan hat im Dezember 2008 sein Buch Think Twice (deutsch: Jahrbuch der Leichtgläubigkeit: Warum wir betrogen werden und wie wir es vermeiden können) veröffentlicht. Im selben Monat flog Bernie Madoff’s 65-Mrd.-Dollar-Schneeballsystem an der Wall Street auf - und Stephen Greenspan verlor beinahe ein Drittel seines Vermögens. Im Nachhinein, so Greenspan, «sah die versprochene Rendite viel zu gut aus», das habe wohl seinen «Entscheidungsprozess beeinträchtigt». Wenn also selbst ein Psychologie-Professor, der Bücher über Leichtgläubigkeit publiziert, nicht immer rationale Entscheidungen trifft, wie oft passiert uns das dann wohl? Wie funktioniert Think Twice?
Unser Gehirn ist ein mächtiges Werkzeug, hat aber einen kleinen Fehler. Es ist leider nicht dafür gebaut, wirklich rational zu denken. Wir alle sind emotional beeinflusst und bilden uns unsere eigene Meinung. Um besser zu entscheiden, so Mauboussin, müssen wir lernen, zweimal zu denken. Nur so vermeiden wir, falschen Annahmen und anderen Denkfehlern zu folgen:
- Vorbereiten: Fehler anderer Leute erkennen und daraus lernen
- Erkennen: Das Problem und die dazugehörigen Risiken identifizieren und den Kontext des Problems analysieren
- Anwenden: Behandle Dein Gehirn wie ein Opernsänger seine Stimme: Trainiere und pflege es. Dazu gehört, die eigene Intuition im Griff zu haben.
Lass Dich dabei nicht zu sehr von Insider-Informationen leiten. Es gibt kaum ein Problem, das wirklich einzigartig ist und nicht schon mal irgendwo anders aufgetaucht ist. Auch Dein Problem hatte schon mal jemand anderes. Wende nicht einfach dieselbe Lösung wie alle anderen an. Versuche herauszufinden, wie andere Leute vor Dir sich entschieden haben. Wie erfolgreich waren diese Entscheidungen?
Vermeide zu großen Optimismus und Tunnelblick
Wir alle sind beispielsweise häufig zu optimistisch. Das scheint uns Menschen einprogrammiert worden zu sein, und vielleicht muss das so sein, damit wir überhaupt eine Chance haben, mit unserer Welt und unseren Problemen klar zu kommen. Weil wir aber alle im Zweifel zu optimistisch sind, sollten wir im Falle von Vorhersagen schauen, ob wir unsere Schätzungen an relevante statistische Zahlen anlehnen können. Denn: Optimismus ist Mangel an Information.
Vermeide den Tunnelblick, indem Du auch andere Leute befragst, wie sie die Situation sehen. Suche dabei auch den Rat von Leuten, die nicht in Deiner Situation stecken (also andere Branche, anderes Geschlecht etc.). Selbst Guy Kawasaki gibt oft den Tipp, Geschäftsideen für neue Firmen mit einer Frau zu besprechen, falls man im Gründer-Team nur Männer hat. Ideen wie «Wir werden unseren Wettbewerb fertig machen» klingen dann oft nicht mehr so sinnvoll wie zuvor. Triff möglichst keine Entscheidungen, wenn Du im Stress bist. Versuche außerdem, Belohnungen von Deiner Entscheidung zu trennen: Analysiere die Belohnungen, die Dich in eine oder andere Richtung kippen lassen.
Führe Tagebuch über Deine Entscheidungen
Um seine Entscheidungen zu verstehen, lohnt sich das Mitschreiben. Führe ein Journal für Deine Entscheidungen und notiere die folgenden Umstände jeder Entscheidung:
- Wie hast Du Dich entschieden?
- Führe alle Gründe auf, warum Du Dich so entschieden hast.
- Beschreibe Deine Stimmung im Moment der Entscheidung.
- Schreibe auf, welches Ergebnis Du erwartest.
Das Ganze lässt sich beispielsweise sehr gut mit Evernote (hier unser Test , und alle Artikel über Evernote ) machen. Richte zum Beispiel eine Verbindung zwischen Evernote und Twitter ein. Wenn Du Dich dann für etwas entscheidest, twitterst Du das öffentlich (oder auch direkt) an Evernote. Mit etwas Abstand kannst Du dann Deine Entscheidungen anschauen: Was hat geklappt? Was hat nicht geklappt? Welche Entscheidungen waren gut, welche nicht und warum? Kleiner Nebeneffekt: So lernst Du im Laufe der Zeit, Glück von Sachverstand zu unterscheiden.
Tagebuch für Investments
Ganz wichtig ist dieses Entscheidungs-Tagebuch bei Aktien-Investments. Du solltest Dir immer aufschreiben, warum genau Du Dir eine Aktie kaufst und welches Ziel Du damit verfolgst. 10 Monate später, wenn deine Aktien nur noch die Hälfte wert sind, wirst Du Dich nicht mehr erinnern können, was Deine Gründe waren - aber von da ab verdammt lange an der Idee festhalten, wenigstens wieder den Einstiegskurs zu erreichen, um den Verlust zu vermeiden. Schauen wir uns das an: Dein Geld hat sich halbiert. Nun willst Du es wieder verdoppeln - ist die Aktie in Deinem Besitz, die gerade um 50% einbrach, die beste Lösung? Oder verkaufen und eine neue Aktie aus neuen Gründen kaufen?
Gerade bei Aktien wichtig: Um das Verhalten einer Masse von Leuten beurteilen zu können, muss man sich erstmal bewusst sein, dass man es mit einer Masse zu tun hat. Was einzelne Investoren sagen, ist nur ein Teil des Gesamtbilds. Achte auf den richtigen Fokus! Und sei Dir bewusst, dass das Verhalten eines Schwarms von Leuten nicht nur von Fakten, sondern in großem Maß von Wahrnehmungen beeinflusst ist. Und manchmal können kleine Veränderungen der Wahrnehmung riesige Effekte des Schwarms nach sich ziehen - der sogenannte Tipping Point.
Experten helfen nicht immer
Handelsketten brauchen sehr gute Vorhersagen, um richtig aufgestellt zu sein: Zu wenig auf Lager könnte dazu führen, dass sie den Bedarf nicht befriedigen können. Das führt zu unzufriedenen Kunden und die Handelskette lässt Geld auf dem Tisch liegen. Zuviel auf Lager wiederum bedeutet Geldverschwendung. Um sowas korrekt einzuschätzen, benutzen Handelsketten manchmal die Hilfe von Experten von außerhalb. Die Handelskette BestBuy (US) hat durch Tests rausbekommen, dass eine relativ uninformierte Masse von Leuten diese Vorhersagen besser und billiger erledigt als jeder Experte, der zur Verfügung stand. Auch Computer haben die Experten oft übertroffen. Experten sind anscheinend nur wirklich hilfreich, wenn es um eng begrenzte Probleme geht. Für alles, was komplizierter ist, solltest Du Dich an möglichst viele Informationsquellen halten. Eine Möglichkeit sind Umfragen auf Twitter, in Mailinglisten oder bei Bekannten.
Eine andere Möglichkeit ist, sich Computer-Modelle zu schaffen, die Dir bei der Beurteilung Deiner Situation helfen. Das Programm Consideo Modeler ist beispielsweise für genau solche Situationen geschaffen worden. Es hilft, schwer zu fassende Situationen zu simulieren und zu analysieren, um so etwas fundierter entscheiden zu können.
Erstelle Dir eine Entscheidungs-Checkliste
Entscheidungen sind komplex. Oft übersehen wir einige Faktoren. Am besten wäre es, wir hätten eine Entscheidungs-Checkliste. Die muss in jedem Fall persönlich gestaltet werden, aber hier einige Tipps:
- Ich denke oft morgens anders über etwas als am Abend zuvor. Punkt für die Checkliste:
Entscheidung überschlafen? - Meine Entscheidungen sind besser, wenn ich sie mit meiner Frau oder jemand anderem besprochen habe. Punkt für die Checkliste:
Mit jemandem besprochen? - Oben wurde es erwähnt, hier sollte es mit rein:
In Entscheidungs-Tagebuch eingetragen? - Warren Buffett sagt: "Fast alle Überraschungen sind negativ.":
Extrema wie Best Case, Worst Case betrachtet? - Aus GTD haben wir gelernt, uns immer zu fragen, was wir mit einem Projekt erreichen wollen:
Weiß ich, was mein Ziel bei dieser Entscheidung ist?
» Think Twice von Michael J. Mauboussin, auf Englisch erschienen im Oktober 2009 bei Harvard Business School Press.