«mite» macht die Auftragsabrechnung für Freelancer und Kleinbetriebe einfach - und das kostenlos.
Freiberufler wie ich verkaufen ihre Arbeit manchmal zum Pauschalpreis, manchmal offeriert und verrechnet man auch Stundenaufwände. In beiden Fällen hatte ich bisher einen schlechten keinen Überblick darüber, wieviel Zeit ich wofür aufwende.
Gefühlt klar war bisher nur, dass ich für vieles viel mehr Zeit aufwende als ich verrechnen kann, was aber für notorische Kulturtäter normal ist. Auch klar ist: Im Lauf der Jahre gewinnt man an Routine, das ist in jedem Beruf so - und darum gelingen mir hin und wieder Dinge in einer halben Stunde, die sonst eigentlich fünf dauern.
Wie auch immer: Der Überblick war bisher gleich null. Das war nicht wirklich schlimm, nur manchmal wäre man doch froh, man könnte etwas genauer abschätzen, wo denn nun die viele Zeit geblieben ist. Und manchmal wäre man gut bedient, man könnte einem schwierigen Kunden (für den man u.U. eh schon halb gratis arbeitet) mit einem detaillierten Stundenrapport vor den Augen wedeln.
Seit ein paar Wochen hat mein Unwissen ein Ende. In einem Nebensatz bei hogenkamp.com entdeckte ich ein Kleinod zur Zeiterfassung, das noch Furore machen wird. Es heißt mite (sprich: maitii) und kommt bereits jetzt im Rahmen einer betamäßigen Diplomarbeit als hocheffizienter und wunderschön gemachter Online-Dienst daher:
mite ist ein Hochgeschwindigkeitstool zur Erfassung und Auswertung von Arbeitszeit. Entworfen mit und für kleine Agenturen und Freelancer. (...) mite startete 2006 als Teil unserer Diplomarbeit "Agile Produktentwicklung im Neuen Web" an der Technischen Fachhochschule Berlin.
Die Anwendung ist nicht nur in sich ein Knüller (weil einzigartig), das Projekt wird auch nach allen Regeln der Web-2.0-Kunst hochgefahren. Kein Wunder, es stammt von zwei bekannten Bloggern der Popnutten , nämlich Julia Soergel und Sebastian Munz. Beide seit Jahren im Netz unterwegs, haben sie ihr Projekt natürlich mit einem Blog und einem Wiki ausgestattet und mit einem cleveren Geschäftsmodell aufgesetzt:
Die deutsche Online-Version wird kostenlos bleiben, Julia und Sebastian wollen hier die Spendenschiene ausrollen, und ich kann mir gut vorstellen, dass das funktionieren wird. Wer so eine tolle Anwendung regelmäßig professionell einsetzt, schiebt gerne mal ein paar Euro nach Berlin. Zukünftige fremdsprachige Versionen sollen dann kostenpflichtig sein, und geplant ist außerdem eine ebenfalls kostenpflichtige Download-Version.
Dieses Geschäftsmodell wird fast sicher aufgehen. Grund: Das Problem von Zeiterfassung und Reporting ist hoch akut. Nicht nur bei Freelancern und lockeren Dreimannshows in der "Digitalen Bohème" (was für ein scheußliches Wort), sondern bis weit in die klassischen KMUs mit 10 bis 50 Leuten. Unglaublich, was da noch mit handgestrickten Excel-Listen rumgebastelt wird. Wenn du einen Firmenchef aus diesem Segment ärgern willst, dann frag ihn mal nach seiner Zeiterfassung und ob die in irgend einer schlauen Form projektorientierte Reports ausspuckt. Er wird die nächste Flasche Edelzwicker bestellen und über was anderes reden wollen.
Mit anderen Worten: Das Bedürfnis nach einem einfachen, aber leistungsfähigen Zeiterfassungstool mit einem unkomplizierten Reporting ist bei zehntausenden von kleinen Firmen riesig. Es gibt zwar unzählige Angebote für mehr oder weniger Geld, aber allen ist gemein, dass sie entweder unausgegoren oder overdressed oder mit komplizierten lokalen Installationen daherkommen. mite geht da ausdrücklich andere Wege:
Funktionalität ohne KlimBim. mite gestaltet die Eingabe so schmerzlos wie nur irgend möglich, und erstellt daraus im Handumdrehen aussagekräftige und verwertbare Reports.
Konkret: Ich kann mit mite Kunden definieren und diesen Kunden verschiedene Projekte zuordnen.
Ich kann zudem mehrere Benutzer-Accounts vergeben, an Mitarbeiter im Haus oder externe Freelancer. Jeder Benutzer startet morgens seinen Account und wählt das Projekt, an dem er gerade arbeitet, trägt dort die Zeit ein (oder lässt die Stoppuhr mitlaufen) und schreibt noch ein paar Notizen dazu. Fertig.
Tut man das gewissenhaft, wird man mit erstaunlichen Reports belohnt. Ich weiß jetzt zum Beispiel, wieviel Zeit ich fürs Bloggen aufwende (ca. 70 Stunden in den letzten drei Monaten). Ich weiß auch, für welches meiner vier Blogs wieviele Stunden draufgehen. Und: Ich kann das ganze noch mit einem Zeitfilter auspressen und weiß dann, dass ich etwa in der letzten März-Woche acht Stunden fürs Bloggen aufgewendet habe - diese Funktion ist für längere Projekte praktisch, um z.B. Zwischenabrechnungen zu erstellen.
Das erstaunlichste Reporting-Resultat in meiner dreimonatigen Testphase entstand bei einem kleinen Auftrag: Ein Inserat für einen Blumenladen. Ein einfacher Schnellschuss ohne großen Text- und Konzept-Aufwand sowie minimalem Gestaltungsaufwand, gute zwei Stunden alles in allem. Aber auf dem mite-Ticker standen am Schluss nochmal soviele Stunden fürs Rumtelefonieren und Organisieren. Für das Logo musste ich einem Schriftenmaler und einem Drucker nachrennen; der eine schickte was falsches und der andere erst nach der dritten Mail und dem fünften Anruf was halbwegs brauchbares.
Ohne mite hätte ich - typisch Freelancer - nach ein paar Tagen noch eine halbe Stunde dafür aufgeschrieben.
mite steht am Anfang. Erklärtes Ziel der Autoren ist es, das Tool laufend auszubauen. Auf Anfrage hat mir Julia die mite-Roadmap verraten:
1. Benutzerrechteverwaltung (wer welche Projekte & Reports sehen darf, soll optional eingeschränkt werden können. Sinnvoll für "Praktikanten", kooperierende Freiberufler oder auch Kunden, die nicht Zugriff auf alle Accountdaten haben sollen.)
2. Eine downloadbare Version zur Installation auf dem eigenen Server (kostenpflichtig)
3. Mehrsprachigkeit (vorneweg Englisch)
4. Integration von Stundenansätzen
5. offene API
Ein kleiner, aber wesentlicher Pluspunkt von mite ist das Benutzerinterface. Es ist selbsterklärend im besten Sinn. Eine Hilfe-Ecke gibt es zwar als FAQs, dort werden aber nur eine Handvoll Anwenderfragen besprochen, denn alles andere ist quasi auf Anhieb klar. Und: Das Ding ist schlicht und schön - da hat's nix von diesem ollen Tabellenmief, sondern da wird man von einem dezent farbenfrohen Tool empfangen, das man gerne täglich benutzt. Julia und Sebastian sagen dazu in ihrem Manifest:
Wir glauben an Freude fürs Auge. mite würde auch mit einer weniger durchdachten und liebevoll gestalteten Oberfläche das tun, was er eben tut. Fitzelkleine Texte, Tabellenwüsten und Farbenblindheit machen allerdings nicht glücklich. mite schon.
Überhaupt, dieses mite-Manifest - wo andere in bemüht gestelztem Marketinggeschwafel von hehren und abgewetzten Philosophien lafern, setzen Julia und Sebastian zu Bekenntnissen wie diesem an:
Wir glauben an flexible Software. mite soll sich deiner Arbeitsweise anpassen, nicht umgekehrt. Als Werkzeug reichen wir dir offen angelegte Strukturen, die du kreativ für dich nutzen kannst.
oder:
Wir glauben an Ehrlichkeit. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, aber wie die Praxis mancher Unternehmen aussieht, weißt du so gut wie wir. Vom Marketinghimmel gefallene Pseudowahrheiten ersetzen wir durch ehrliche und offene Information: wenn etwas schief geht, erfährst du es auch.
Das alles tönt nicht nur gut, es ist auch so umgesetzt. Eine sehr angenehme Stimmung wird da versprüht, finde ich. So macht es Spaß, sein Zeitmanagement zu organisieren.
» Ausprobieren: mite
Christian Röthlisberger ist freischaffender Texter/Konzepter/Marketier, er lebt in den Berner (Schweizer) Voralpen und bloggt seit Mai 06 alias Bugsierer im henusode-blog .