Gewerberecht und Prostitution

Was ist Prostitution?

Prostitution (übersetzt: „zur Schau stellen, preisgeben“) beinhaltet das einvernehmliche Vornehmen sexueller Handlungen gegen Entgelt. Das Ausüben der Prostitution gehört seit jeher zum Leben der Menschen. Bereits im Alten Testament wird die Prostitution erwähnt. Verboten ist die kultische Prostitution, nicht hingegen die Erwerbsprostitution.

Angebot und Nachfrage der Prostitution sind praktisch in jeder Kultur und Gesellschaftsform zu finden. Daher gab es schon immer ein starkes Spannungsfeld zwischen der Prostitution und ihrer gesellschaftlichen, kulturellen, ethischen und religiösen Bewertung. Diese unterliegt einem starken Wandel.

Formen der Prostitution

Die Prostitution ist heute in vielen Formen anzutreffen. Sie wird in Bordellen, Partytreffs, Wohnungen, Wohnwagen, Straßenstrichs, Sado-Maso-Studios, bei Hausbesuchen und durch Escortdienste ausgeübt. Für Behinderte werden Sexualassistenten angeboten. Diese Angebote können auch Partner von Menschen mit Potenzschwächen in Anspruch nehmen. In den Niederlanden werden diese Dienstleistungen nach entsprechender ärztlicher Indikation von den Krankenkassen finanziert.

Mit dem Aufkommen sozialer Netzwerke wie Facebook erreicht die Prostitution neue Varianten der Verbreitung und Ausübung. Nach groben Schätzungen gibt es in Deutschland rund eine halbe Million Prostituierte beiderlei Geschlechts. Diese Schätzung kann nur sehr grob sein, weil die Zahl der Gelegenheitsprostituierten sehr stark schwankt.

Ziele, Inhalte und Bewertung des ProstG

In den 90er-Jahren rückten die schwierige Situation und der fehlende rechtliche Rahmen der Prostitutionsausübung in den gesellschaftlichen Fokus. Die damalige rot-grüne Regierungskoalition erließ daraufhin gegen den Widerstand von CDU/CSU das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz – ProstG).

Ziele des ProstG

Mit dem ProstG soll der rechtliche Status der Prostituierten verbessert und ihre Tätigkeit auf eine breite rechtliche Grundlage gestellt werden, ohne dass diese Art des Erwerbs gleichzeitig gesellschaftlich vollwertig anerkannt wird.

Inhalte des ProstG

Zentrale Inhalte des ProstG sind:

  1. Eröffnung des Zugangs der Prostituierten zu sozialer Absicherung wie gesetzlicher Krankenversicherung, Rentenversicherung sowie Arbeitslosenversicherung
  2. Regelung des Rechtsverhältnisses zwischen Prostituierten und Kunden als einseitig verpflichtender Vertrag
  3. Die Prostituierten erwerben aus diesem Vertrag einen Anspruch auf das vereinbarte Entgelt. Dieser kann auch gerichtlich durchgesetzt und vollstreckt werden.

Bewertung des ProstG

Nach dem Inkrafttreten des ProstG wurde (und wird) heftig darüber gestritten, ob das Gesetz eine Änderung der bisherigen Auffassung, die Prostitution sei sittenwidrig, herbeigeführt hat.

Gesetzesbegründung zum ProstG

Diese Frage wird in Rechtsprechung und Literatur ganz unterschiedlich beantwortet. Die Gesetzesbegründung zum ProstG geht davon aus, dass die Prostitution nicht weiter sittenwidrig ist: „Der Gesetzgeber hat in dem Prostitutionsgesetz von Folgeänderungen im Gaststättengesetz abgesehen, sich dabei aber von der Erwägung leiten lassen, dass (selbst) bei entgeltlichen sexuellen Handlungen nicht mehr ‚automatisch’ von Unsittlichkeit ausgegangen werden kann“ (vgl. BT-Drucksache 14/5958, S. 6).

Literatur

Teilweise wird in der Literatur weiter von der Sittenwidrigkeit der Prostitution ausgegangen oder die Abschaffung der Sittenwidrigkeit durch das ProstG verneint. Kontrovers diskutiert werden auch die Auswirkungen des ProstG auf das Zivilrecht und auf den Begriff der Unsittlichkeit im öffentlichen Recht.

Zusammengefasst werden hauptsächlich folgende Argumente für und gegen die Sittenwidrigkeit der Prostitution genannt:

Prostitution ist sittenwidrig Prostitution ist nicht sittenwidrig
Eine Verpflichtung, gegen Entgelt in den Geschlechtsverkehr einzuwilligen, kann wegen § 138 Abs. 1 BGB (Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften, die gegen die guten Sitten verstoßen) nicht wirksam begründet werden. Die Vereinbarung zur Vornahme sexueller Handlungen gegen Entgelt ist im ProstG als einseitig verpflichtender Vertrag gestaltet. Dass ein Anspruch auf Vornahme sexueller Handlungen nicht begründet werden kann, folgt aus dem ProstG, das insoweit als Spezialregelung den Rückgriff auf § 138 BGB ausschließt.
Da Menschen nicht gehindert werden können, ihre eigene Menschenwürde zu missachten, steht es dem Gesetzgeber frei, die Folgen solcher Handlungen auch rechtlich abweichend von §§ 138, 812, 817 BGB im ProstG zu regeln. Der Gesetzgeber hat dem Geschäft der Prostituierten den Makel der Sittenwidrigkeit genommen.
Vereinbarungen, die auf die entgeltliche Erbringung sexueller Dienstleistungen gerichtet sind, verstoßen auch weiterhin gegen die guten Sitten. Prostitution, die von Erwachsenen freiwillig und ohne kriminelle Begleiterscheinungen ausgeübt wird, ist nach den heute anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen in unserer Gesellschaft – unabhängig von der moralischen Beurteilung – im Sinne des Ordnungsrechts nicht (mehr) als sittenwidrig anzusehen.

Rechtsprechung

In der Rechtsprechung hat sich die Tendenz herausgebildet, die Prostitution nach dem Inkrafttreten des ProstG nicht mehr als sittenwidrig anzusehen.

Der BGH hat am 07.05.2003 (Az: 5 StR 536/02) geurteilt, wegen der Wertentscheidung des § 1 ProstG sind die Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Prostitution nicht mehr (wie zuvor) gemäß § 138 Abs. 1 BGB sittenwidrig und nichtig.

Vor dem Inkrafttreten des ProstG hatte sich der BGH wie folgt geäußert: „Soweit es darum geht, ob Verträge wegen Verstoßes gegen die Standards der (noch) herrschenden Sexualmoral sittenwidrig und deshalb nichtig sind, hat in den vergangenen Jahrzehnten eine erhebliche Liberalisierung stattgefunden. Der Wandel der Moralvorstellungen ist [...] durch den Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten [...] deutlich geworden und auch von der höchstrichterlichen Rechtsprechung verzeichnet worden. [...] Es erscheint daher schon jetzt zweifelhaft, ob der (bisherigen) Rechtsprechung […] weiterhin zu folgen ist. […]“

Das BayOLG hatte am 08.09.2004 (Az: 2Z BR 137/04) entschieden: „Aus heutiger Sicht erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob eine in der Rechtsgemeinschaft eindeutig herrschende Auffassung über die nicht nur individualethische, sondern sozialethische Verwerflichkeit der Prostitutionsausübung festgestellt werden kann. Jedenfalls hat das BVerwG zutreffend festgestellt, der Gesetzgeber habe sich bei Erlass des ProstG von der Erwägung leiten lassen, dass nach überwiegender Auffassung die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig angesehen werden könne und dass durch dieses Gesetz ein Wandel der sozialethischen Vorstellungen zum Ausdruck gekommen sei.“

Hinweis

Das zitierte Urteil des BVerwG vom 06.06.2002, Az: 22 B 01.3183, betrifft eine Entscheidung zur gaststättenrechtlichen Genehmigungsfähigkeit eines Swingerklubs.

Die gewandelte Beurteilung der Prostitution hat auch ihren Niederschlag in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union gefunden. Im Urteil vom 20.11.2001, Az: C-268/99, Jany u.a. (Slg. 2001, I-8615, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 2002 Nr. C 3, 8) entschieden die Richter: Prostitution kann europarechtlich unter die selbstständig ausgeübten Erwerbstätigkeiten fallen.

Der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) hat am 20.02.2013, Az: GrS 1/12, entschieden, dass selbstständig tätige Prostituierte Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und damit einen Gewerbebetrieb i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 EStG unterhalten. Unter einem Gewerbebetrieb ist gemäß § 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG jede selbstständige nachhaltige Tätigkeit zu verstehen, die mit Gewinnerzielungsabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, falls sie den Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschreitet und es sich nicht um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft (§ 13 EStG) oder einer selbstständigen Arbeit (§ 18 EStG) handelt.

Bisher: Prostituierte erzielen keine gewerblichen Einkünfte

Im Jahr 1964 hatte sich der Große Senat des BFH auf den Standpunkt gestellt, Prostituierte erzielen keine gewerblichen Einkünfte, weil sie sich nicht am „allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr“ beteiligten. Die gewerbsmäßige Unzucht falle aus dem Rahmen dessen, was das Einkommensteuergesetz (EStG) unter selbstständiger Berufstätigkeit verstanden wissen wolle; sie stelle das Zerrbild eines Gewerbes dar. Prostituierte erzielten sonstige Einkünfte, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen.

In dem vom Großen Senat des BFH zu entscheidenden Fall hatte das Finanzamt eine Prostituierte zur Gewerbesteuer veranlagt. Die Prostituierte klagte gegen den Gewerbesteuerbescheid. Der BFH entschied, dass die Prostituierte ihre Leistungen bewerbe und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung erbringe. Daher habe das Finanzamt zu Recht Gewerbesteuer festgesetzt.

Auswirkungen des ProstG auf das Gewerberecht

In der GewO und dem GastG des Bundes ist die rechtliche Bewertung der Prostitution am Maßstab der Sittlichkeit orientiert.

GastG des Bundes

Versagungsgrund

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 GastG des Bundes besteht ein Versagungsgrund für das Erteilen der Gaststättenerlaubnis, wenn der Gastwirt der Prostitution Vorschub leistet.

Vor Inkrafttreten des ProstG begründeten das Ausüben sowie der Betrieb von Prostitution regelmäßig die Annahme der gewerbe- und gaststättenrechtlichen Sittenwidrigkeit.

Das ProstG hat mit seiner Wertung der zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse zwischen Prostituierten und ihren Kunden sowie Betreibern als nicht mehr sittenwidrig eine Auseinandersetzung darüber ausgelöst, ab welcher Intensität die Prostitution im Gewerbe- und Gaststättenrecht als unsittlich anzusehen ist. Da das ProstG keine gesetzgeberischen Klarstellungen für das öffentliche Recht enthält, haben sich in der Diskussion um eine Neubeurteilung der Gewerbsfähigkeit der Prostitution und ihres Betriebs sehr konträre rechtliche Positionen herausgebildet.

Was bedeutet „der Unsittlichkeit Vorschub leisten“?

Der Prostitution Vorschub leistet, wer die Prostitution wissentlich und gewollt fördert. Das „Vorschubleisten“ umfasst darüber hinaus auch alle Handlungen und Unterlassungen, die objektiv geeignet sind, zum Ausüben der Prostitution beizutragen. Hierzu gehört auch die mangelnde Aufsicht in der Gaststätte.

Der Tatbestand der Unsittlichkeit setzt voraus, dass der Gastwirt Handlungen duldet oder vornimmt, die strafbewehrte, geschlechtsbezogene Handlungen zur Folge haben können, die nach §§ 174 ff. StGB verboten sind bzw. nach § 120 OWiG eine Ordnungswidrigkeit darstellen (BVerwG, Urteil vom 16.09.1975, Az: I C 44.74, GewArch 1975, S. 384). Die §§ 174 ff. StGB stellen im Wesentlichen alle sexuellen Handlungen unter Strafe, die nicht zwischen zwei freien, geistig gegenwärtigen Erwachsenen vorgenommen werden.

Nach Auffassung des BVerwG ist auf die vorherrschende sozialethische Überzeugung abzustellen (BVerwG, Urteil vom 30.01.1990, Az: 1 C 26/87, GewArch 1990, S. 212).

Grundsätzlich gilt, dass geschlechtsbezogene Handlungen dann unsittlich sind, wenn

  • sie derart nach außen dringen, dass sie geeignet sind, schutzwürdige Belange Dritter zu berühren,
  • Dritte, die unbehelligt sein möchten, oder Jugendliche, die in ihrer Entwicklung gestört werden könnten, der Handlung ausgesetzt werden oder
  • die Handlung straf- oder bußgeldbewehrt ist.
  • Eine Handlung gilt auch dann als unsittlich, wenn in entwürdigender Weise der Intimbereich einer Person zur Ware gemacht und somit die Person in ihrer Menschenwürde verletzt wird. Dies gilt auch dann, wenn die Handlung freiwillig ausgeführt wird und von der ausübenden Person nicht als menschenunwürdig oder ehrverletzend angesehen wird.

dem Inkrafttreten des ProstG einer kritischen Würdigung unterzogen.

Neuere Rechtsprechung

Im Folgenden werden einige repräsentative Urteile der höchstrichterlichen Rechtsprechung vorgestellt, die sehr präzise die neue Bewertung der Prostitution im Gaststättenrecht widerspiegeln.

  • VGH München, Beschluss vom 01.03.2002, Az: 22 CE 02.369, GewArch 2002, S. 296, 298
    • Die Rechtsprechung, dass ein Gastwirt, der seine Gaststätte so anlegt und führt, dass sie günstige Bedingungen für die Anbahnung von geschlechtlichen Beziehungen zwischen Prostituierten und Kunden bietet, der Unsittlichkeit Vorschub leistet, kann seit dem Inkrafttreten des ProstG „nicht uneingeschränkt aufrechterhalten werden“. Dies gilt nicht, wenn die Prostituierten nicht aus „freiem Willen“ der Prostitution nachgehen, keine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit besteht und die Prostitution schädliche Auswirkungen auf Jugendliche, Unbeteiligte und die Umgebung hat.
  • VGH München, Beschluss vom 29.04.2002, Az: 22 B 01.3183
    • Die bisher weitgehend unstrittige Bewertung der Prostitution als unsittlich kann nicht mehr unter allen Umständen aufrechterhalten werden, nämlich dann nicht, wenn die Ziele des ProstG erreicht werden können. Werden die Räume und der Eingangsbereich eines Swingerclubs von den Räumen der Gaststätte abgegrenzt, leistet der Gastwirt der Unsittlichkeit nicht Vorschub.
  • BVerwG, Urteil vom 06.11.2002, Az: 6 C 16.02
    • Das BVerwG bestätigt das vorgenannte Urteil des VGH München und weist darauf hin, dass im Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG des Bundes auf die dem geschichtlichen Wandel unterworfenen sozialethischen Wertvorstellungen, die in der Rechtsgemeinschaft als Ordnungsvoraussetzungen anerkannt sind, abzustellen ist. Dies begründet das BVerwG wie folgt:
    • „Die kommerzielle Ausnutzung sexueller Bedürfnisse oder Interessen wird nicht grundsätzlich als sittenwidrig angesehen. Das folgt schon daraus, dass sich der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes zur Verbesserung der rechtlichen und sozialen Situation der Prostituierten (Prostitutionsgesetz) […] von der Erwägung hat leiten lassen, dass nach überwiegender Auffassung die Prostitution nicht mehr als sittenwidrig angesehen werde. Namentlich hat der Gesetzgeber auch die Schaffung guter Arbeitsbedingungen für Prostituierte zum Beispiel in Luxus-Bordellen und Sauna-Clubs durch Streichung des § 180a I Nr. 2 a.F. aus dem Tatbestand des § 180a StGB herausgenommen. Daher kann allein die Erzielung von Einkünften aus geschlechtsbezogenem Verhalten Dritter nicht als sittenwidrig angesehen werden. Der Gesetzgeber hat in dem ProstG von Folgeänderungen im Gaststättengesetz abgesehen, sich dabei aber von der Erwägung leiten lassen, dass (selbst) bei entgeltlichen sexuellen Handlungen nicht mehr ‚automatisch’ von Unsittlichkeit ausgegangen werden kann. Darin drückt sich ein Wandel sozialethischer Vorstellungen mit der Folge aus, dass ordnungsrechtliches Ziel des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GastG des Bundes nicht der Schutz vor dem sexuellen Geschehen als solchem oder die Verhinderung der Erzielung von Einkünften daraus ist, sondern vornehmlich der Schutz vor der ungewollten Konfrontation mit derartigen Vorgängen.“

Ergebnis

Die Prostitution wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht mehr als sittenwidrig angesehen. Nur wenn die geschlechtsbezogenen Handlungen nicht unter Zwang die Grenze zur Strafbarkeit überschreiten und der Schutz unbeteiligter Dritter vor ungewollter Konfrontation mit sexuellen Handlungen nicht gewährleistet ist, wird gaststättenrechtlich der Unsittlichkeit Vorschub geleistet.

Landesgaststättengesetze

Der Erlass der Landesgaststättengesetze hat eine Abkehr von dem Prinzip der raumgebundenen Personalkonzession herbeigeführt, da in allen Bundesländern mit eigenem Gaststättengesetz der Betrieb einer Gaststätte lediglich anzuzeigen ist.

Ausnahmen

  1. Der Stadtstaat Bremen hat mit dem Bremischen Gaststättengesetz an der ist kein gesetzlicher Versagungsgrund.
  2.   Das Land Baden Erlaubnispflicht von Gaststätten festgehalten. Das Vorschubleisten der Unsittlichkeit -Württemberg hat mit dem LGastG das GastG des Bundes in das Landesrecht übernommen. In Baden-Württemberg gelten daher die vorstehenden Ausführungen zum GastG des Bundes entsprechend.

Anordnungen zum Schutz der Gäste

Die Bundesländer Hessen und Niedersachsen sehen in den jeweiligen Landesgaststättengesetzen vor, Anordnungen zum Schutz der Gäste zu erlassen, wenn diese

  • gegen Ausbeutung oder Gefahren für Leben oder Gesundheit und zum Schutz gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des BImSchG und gegen sonstige erheblichen Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit (Hessen, § 10 Abs. 2 HGastG)
  • zum Schutz der Gäste gegen Ausbeutung oder zum Schutz der Gäste wegen einer Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit (Niedersachsen, § 5 Abs. 1 NGastG)

erforderlich sind.

Bei dem Auslegen der unbestimmten Rechtsbegriffe dieser Vorschriften ist auf die bisherige Rechtsprechung zum GastG des Bundes abzustellen.

Rückgriff auf § 35 GewO

Wird in einer Gaststätte eines Bundeslands mit eigenem Gaststättengesetz (außer Hessen und Niedersachsen) die Prostitution ausgeübt, stellt sich die Frage, ob der Gastwirt aus diesem Grund unzuverlässig nach § 35 GewO ist.

Unzuverlässig ist der Gewerbetreibende nach dieser Vorschrift, wenn er

  • nach dem Gesamtbild seines Verhaltens nicht die Gewähr für eine künftig ordnungsgemäße Ausübung seines Gewerbes bietet und
  • die Untersagung der Gewerbeausübung zum Schutz der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist.

Nicht ordnungsgemäß ist die Gewerbeausübung durch eine Person, die nicht willens oder (subjektiv oder objektiv) nicht in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse zu fordernde einwandfreie Führung ihres Gewerbebetriebs zu gewährleisten (siehe 3.1.1. GewUVwV).

Auch hier stellt sich die Frage, ob die Prostitution im Gaststättenbetrieb, wie zuvor zum GastG des Bundes dargestellt, als sittenwidrig anzusehen ist (BVerwG, Urteil vom 06.11.2002, a.a.O.).

In einer Entscheidung des OVG Hamburg vom 07.08.1992 (Az: Bs VI 64/92) hat es das Gericht für zweifelhaft gehalten, ob § 35 Abs. 1 GewO es erlaubt, generell unerlaubte Tätigkeiten zu untersagen, die – wie im zu entscheidenden Fall einer „Video-Peep-Show“ – wegen ihrer Sittenwidrigkeit ihrer Art nach nicht als ordnungsgemäßes Gewerbe ausgeübt werden können.

Diese Entscheidung muss nun im Licht der neueren Urteile gesehen und neu interpretiert werden.

Ergebnis

Freiwillig und ohne kriminelle Begleiterscheinungen ausgeübte Prostitution, die nicht von Dritten gegen ihren Willen wahrgenommen werden kann und auch nicht den Kinder- und Jugendschutz beeinträchtigt, ist nach den heute anerkannten sozialethischen Wertvorstellungen unserer Gesellschaft nicht (mehr) als sittenwidrig im Sinne des Gaststättenrechts anzusehen.

Gewerberechtliche Einstufung der Prostitution

Im Folgenden wird dargestellt, wie die zur Prostitution gehörenden Tätigkeiten gewerberechtlich einzustufen sind.

Bisher werden Gewerbeanzeigen dieses Inhalts von der überwiegenden Mehrheit der Gewerbeämter zurückgewiesen, weil die Prostitution als sittenwidrig eingestuft wird. Wir wollen in diesem Kapitel darstellen, ob diese Praxis aufrechterhalten werden kann oder ob ein Umdenken der Gewerbeämter angebracht ist.

Empfehlung des Bund-Länder-Ausschusses Gewerberecht

Nach Inkrafttreten des ProstG hat sich der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht am 18./19.06.2002 mit der Frage befasst, ob die Prostitution künftig als Gewerbe einzuordnen ist.

Ist die Prostitution ein Gewerbe?

Der Ausschuss hat mehrheitlich (aber nicht einstimmig) entschieden, dass die Tätigkeiten der Prostituierten auch weiterhin nicht als Gewerbe eingestuft werden.

Die Teilnehmer der Tagung hatten folgende Argumente vorgebracht:

  • Das ProstG hat an der gewerberechtlichen Einstufung der Prostitution als „sozial unwertige“ Tätigkeit nichts geändert.
  • Die Tätigkeit der Prostituierten ist als höchstpersönliche, nicht vertretbare Dienstleistung in ganz besonderem Maße einer subjektiven Beurteilung unterworfen. Sie weist Merkmale auf, die die Gewerbsmäßigkeit im Vergleich zu sonstigen Dienstleistungen infrage stellen. Damit brauche man auf das Merkmal der „sozial unwertigen“ Tätigkeit gar nicht zurückzugreifen.
  • Das ProstG hat keine Auswirkungen auf das Gewerberecht.
  • Eine sinnvolle gewerbliche Überwachung ist nicht durchführbar.

Wie ist der Betrieb von Bordellen gewerberechtlich einzuordnen?

Auch zu dieser Frage gab es unterschiedliche Auffassungen:

  • Der Betrieb von Bordellen kann nicht als Gewerbe angemeldet werden, weil sie nach wie vor als unsittlich zu bewerten sind (fünf Bundesländer).
  • Straffrei betriebene Bordelle sind nunmehr als Gewerbe einzustufen und unterliegen damit auch den gewerberechtlichen Vorschriften (elf Bundesländer).

Dieselbe unterschiedliche Bewertung ergab sich in Bezug auf die Auslegung des Merkmals der „Unsittlichkeit Vorschub leisten“ entsprechend § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG des Bundes. Für Anbahnungsgaststätten gab es keinen einstimmigen Beschluss.

Wirkung der Beschlüsse des Bund-Länder-Ausschusses Gewerberecht

Die Beschlüsse des Bund-Länder-Ausschusses Gewerberecht haben für die Praxis der Gewerbeämter keine rechtliche Bindungswirkung, bilden aber gleichwohl einen Orientierungsrahmen für ihren Gesetzesvollzug. In der Praxis werden die Vorschriften der GewO (und des GastG des Bundes) in Bezug auf die Prostitution und die Prostitutionsbetriebe unterschiedlich angewandt.

Praxis der Gewerbeämter

Die Tätigkeit von Prostituierten wird mehrheitlich als sittenwidrig angesehen. Ob diese Aussage auch für Bordelle gilt, ist ungeklärt.

Die Prostitution ist daher für einen Teil der Gewerbeämter kein Gewerbe im Sinne der GewO und für diese daher weder anmelde- noch erlaubnisfähig.

Im Sinne eines einheitlichen praxisgerechten Vollzugs der GewO ist diese unterschiedliche Vorgehensweise nicht wünschenswert und sinnvoll.

Darstellung der unterschiedlichen Vorgehensweisen

Bordellbetriebe

Bei dem Betrieb von Bordellen wird die Gewerbeanzeige

  • entweder nach § 15 Abs. 1 GewO bestätigt und das Gewerbe unter diesem Begriff oder als „gewerbliche Zimmervermietung“, „erotische Massage“ in das Gewerberegister aufgenommen
  • oder der Empfang der Gewerbeanzeige nicht bestätigt.

Prostitution/Wohnungsprostitution

Wird die Tätigkeit der Prostitution als Gewerbe angezeigt, wird diese

  • entweder nach § 15 Abs. 1 GewO bestätigt und das Gewerbe unter der Bezeichnung „Prostituierte“/„Prostituierter“ in das Gewerberegister aufgenommen
  • oder der Empfang der Gewerbeanzeige nicht bestätigt.
  • Teilweise wird die Prostitution geduldet oder unter einer anderen Bezeichnung wie z.B. „gewerbliche Zimmervermietung“, „Tänzerin“/„Tänzer“ oder „erotische Massage“ in das Gewerberegister aufgenommen.

Wohnungsprostitution

Im Bereich der Wohnungsprostitution ist die Handhabung uneinheitlich und der Begriff nicht deutlich.

Zum Begriff der Wohnungsprostitution hat der VGH Kassel (Beschluss vom 23.04.1992, Az: 11 TH 3607/90) ausgeführt:

  1. Verbietet eine Sperrgebietsverordnung für einen Teil des betroffenen Gebiets die Ausübung der Prostitution in „Prostituiertenunterkünften“, „Massagesalons“ und „sonstigen überwiegend von Prostituierten genutzten Häusern“, ist dort in Gebäuden nur die sog. Wohnungsprostitution zulässig (sog. relatives Sperrgebiet).
  2. Wohnungsprostitution in diesem Sinne liegt nicht mehr vor, wenn in einem Gebäude entweder die Zahl der Prostituierten oder der Flächenanteil der ihnen überlassenen Räume im Verhältnis zur Anzahl der übrigen Hausbewohner bzw. zum Flächenanteil der diesen zur Verfügung stehenden Räume überwiegt.
  3. Ohne Rücksicht auf diese Relation liegt Bordellprostitution und nicht Wohnungsprostitution vor, wenn das Gebäude auf andere Weise durch die Prostitutionsausübung sein Gepräge erhält.

Der VGH Kassel, Urteil vom 31.01.2013, Az. 8 A 1245/12 hatte zu prüfen, ob die Wohnungsprostitution pauschal als Störung der öffentlichen Sicherheit eingestuft werden kann. Das Gericht entschied:

  • Eine Sperrgebietsverordnung ist nicht mit dem am 01.01.2002 in Kraft getretenen Prostitutionsgesetz (ProstG) und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG vom April 2009 (NVwZ 2009, 905) vereinbar,
  • wenn die Ausübung der Prostitution außerhalb ausgewiesener Toleranzzonen ohne eine konkrete Bewertung daraus resultierender schädlicher Auswirkungen auf die Nachbarschaft, insbesondere auf dort lebende Jugendliche und Kinder, pauschal als Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung eingestuft wird.

Nach Ansicht des VGH Kassel ist die eine Sperrgebietsverordnung, die pauschal auf die Sittenwidrigkeit der Prostitution abstellt, keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für das Untersagen der Wohnungsprostitution. Eine solche Verordnung ist nicht mit dem ProstG und der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BVerfG vereinbar.

Da sich der Bund-Länder-Ausschuss mit der Wohnungsprostitution noch nicht befasst hat, ist die Praxis der Gewerbeämter hierzu ganz unterschiedlich.

Rechtsprechung

  • VG Berlin, Urteil vom 05.05.2009, Az:. VG 19 A 91.07
    • Ein Bordell, das in einem Mischgebiet betrieben wird, darf weiterbetrieben werden. Das Betriebskonzept hatte sich dadurch ausgezeichnet, dass die Art der Ausübung der Prostitution als gewerbliche Nutzung nicht nach außen erkennbar in Erscheinung getreten ist. Selbst in der Nachbarschaft wurde das Ausüben der Prostitution nicht ohne Weiteres als solche wahrgenommen.
  • VGH München, Beschluss vom 16.05.2008, Az: 9 ZB 07.3224
    • Wohnungsprostitution liegt nur dann vor, wenn die Prostituierten in der Wohnung, in der sie ihrem Gewerbe nachgehen, auch wohnen.
  • VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 04.10.2002, Az: 5 S 149/01
    • Werden Wohnräume von mehreren, immer wieder wechselnden Prostituierten ausschließlich zur Ausübung der Prostitution genutzt, ohne dass die Prostituierten dort auch wohnen, so liegt ein bordellartiger Betrieb vor, der – anders als sog. Wohnungsprostitution – in einem Mischgebiet typischerweise unzulässig ist. Das am 01.01.2002 in Kraft getretene ProstG ändert daran nichts.
  • OVG Koblenz, Beschluss vom 13.07.2010, Az: 8 A 10623/10
    • Die ungenehmigte Nutzung einer Wohnung zu Zwecken der gewerblichen Prostitution ist formell und materiell baurechtswidrig. Daher darf diese Nutzung untersagt werden.

Vgl. hierzu auch Fallbeispiel „Wohnungsprostitution“.

Unsere Empfehlungen für die Verwaltungspraxis

Wie zuvor dargestellt, gehen die Auffassungen zu der Frage, ob die Prostitution unsittlich ist oder nicht, weit auseinander. Daher ist es auch nicht einfach, Ihnen vonseiten der Autoren eine Empfehlung zu geben, wie Sie künftig mit Gewerbeanzeigen von Prostituierten verfahren sollten.

Für das Bestätigen einer Gewerbeanzeige mit der angegebenen Tätigkeit selbstständiges Ausüben der „Prostitution“ sprechen folgende Argumente:

  • Die rechtliche Einordnung der Prostitution hat sich insbesondere durch das ProstG erheblich verändert. Die Rechtsposition von Prostituierten wurde verbessert, ein Zugang zu sozialen Sicherungssystemen geschaffen und ihre Arbeitsbedingungen verbessert.
  • Verträge über die Vornahme sexueller Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt begründen nach § 1 Satz 1 ProstG eine rechtswirksame Forderung und sind nicht mehr sittenwidrig.
  • Die Prostitution wird aus folgenden Gründen nicht mehr als sozial unwertig angesehen:
    • Die Haltung der Bevölkerung gegenüber der Prostitution hat sich erheblich gewandelt. Seriöse Medien berichten über Prostitution, Prostituierte treten in Talk-Shows auf und sie und ihre Arbeits- und Lebensumstände sind Themen von Reportagen.
    • Dies hat auch der BGH so gesehen, als er am 13.06.2006, Az: I ZR 231/03, urteilte, dass die Prostitution wegen der gewandelten Verständnisse in der Bevölkerung, nicht mehr schlechthin als sittenwidrig angesehen wird.
    • Sexuelle Dienstleistungen werden in der Presse sowie im Internet umfangreich und zum Teil mit detaillierten Leistungsbeschreibungen beworben.

Wir empfehlen Ihnen, ggf. vorhandene und verständliche moralische und sittliche Anschauungen zu diesem Thema zurückzustellen und die Tätigkeit der Prostitution an den objektiven Maßstäben der höchsten deutschen Verwaltungsgerichte zu § 4 Abs. 1 Satz 1 GastG des Bundes zu messen.

Das bedeutet konkret:

  • Ist die Prostitution nicht entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 1 GastG des Bundes sittenwidrig (wird also nicht der Unsittlichkeit Vorschub geleistet), bestätigen Sie die Gewerbeanzeige nach § 15 Abs. 1 GewO.
  • Bei der Anzeige von Bordellen gehen Sie entsprechend vor.
  • Ist die Prostitution aber entsprechend § 4 Abs. 1 Satz 1 GastG des Bundes sittenwidrig (wird also der Unsittlichkeit Vorschub geleistet), weisen Sie die Gewerbeanzeige zurück.

Nähere Ausführungen siehe Fallbeispiel „Prostitution und Gewerbe“.

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