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Zunehmende Kritik: Warum Google die eigene Datensammelwut noch um die Ohren fliegen wird

Hintergrundkonzept wordcloud Illustration von Data Mining Glühlicht iStock / GettyImages plus: kgtoh

Die Bevölkerung ist ob immer neuer Details über den NSA-Skandal beunruhigt, aber Chefdatensammler Google macht unbeeindruckt weiter. Das wird nicht mehr lange gut gehen.

Google hat in dieser Woche eigentlich nicht mehr getan als das vielversprechende Hardware-Startup Nest zu übernehmen

Jubel brach darüber außer beim den beteiligten Unternehmen und Investoren eigentlich nirgendwo aus. Nest-Kunden, technisch interessierte Bürger oder Journalisten meldeten ihre Sorgen über eine noch weiter gehende Überwachung an. Kritische Stimmen gab es dabei nicht nur in Deutschland, sondern vielfach auch in den USA, wo der NSA-Überwachungsskandal die Menschen bislang gefühlt nicht so sehr stört wie in Deutschland.

Und das ist bemerkenswert, zumal Nest direkt versprach , die Daten, die das Smart-Home-System sammle, stünden nur der Nest-Einheit selbst und keiner anderen Google-Division zur Verfügung. Google hat ein Image-Problem. Und sollte man drüben in Mountain View nicht langsam umdenken, dürfte sich das langfristig auch finanziell bemerkbar machen.

Googles Image ist angekratzt

Wann immer ich zuletzt mit Freunden oder Bekannten über neue Entwicklungen in Sachen Hardware und Software sprach und das Thema Google zur Sprache kam, war die erste Reaktion darauf stets eine negative. "Google will mich also noch stärker überwachen und die Daten an die NSA liefern", so der Tenor. Und sei es nur, wenn es um neue Schaltflächen im Chrome-Browser ging.

Im Prinzip alles, was Google in den vergangenen Wochen vorgestellt hat, lässt sich im Hinblick auf das Thema Datenschutz negativ interpretieren. Ich nehme hier bewusst einmal die Rolle eines Schwarzmalers ein. Google macht es einem allerdings auch einfach. Das Unternehmen leistet wenig glaubwürdige Aufklärungsarbeit, um sich vom Image der Datenkrake zu befreien und öffnet Kritikern damit Tür und Tor:

  • Der Erfolg von Chromebooks von stolzen 20 Prozent Marktanteil bei Laptops im Geschäftsjahr 2013 bedeutet auch, dass sich immer mehr Kunden mit ihren Daten dem Google-Universum ausliefern. Google trackt das Surfverhalten der Nutzer und wertet E-Mails und Kontaktdaten aus.
  • Googles neue Play-Dienste sollen die Akku-Laufzeit von Android-Phones erhöhen , wenn die Standortdienste eingeschaltet sind, Google also stets verfolgen kann, wo man gerade ist.
  • Mails auf GMail auch von Google-Plus-Nutzern ohne E-Mail-Adresse empfangen ? Ein verzweifelter Versuch , noch mehr Nutzer auf Google Plus zu holen, wo Google jeden Webnutzer katalogisieren will.
  • Google Glass ? Der geschickt verpackte Versuch, uns auf Schritt und Tritt zu überwachen und weitere Daten über unsere Umwelt zu sammeln.
  • Das Motorola-Smartphone Moto G erscheint in einer reinen Stock-Android-Version , damit Google dort noch mehr eigene Apps vorinstallieren und die Daten der Nutzer ungefiltert auswerten kann.
  • Google zieht vor Gericht gegen den französischen Staat zu Felde. Dortige Datenschützer waren der Meinung, dass Google mit der Zusammenlegung der Nutzerrichtlinien all seiner Dienste die Nutzer zu wenig über die Verwendung der Daten aufkläre. Google sieht dafür offenbar keinen Bedarf.
  • Googles Open Automotive Alliance ? Maßgeblich dazu da, um auch noch unser Fahrverhalten zu studieren.
  • Google hat den in Android 4.3 eingeführten Permission Manager App Ops in Android 4.4 wieder entfernt . Mit dem versteckten Tool war es Android-Benutzern möglich, zu weit gehende Berechtigungen einiger Schnüffel-Apps von Hand einzuschränken.

Selbst Google-Befürworter müssen zugeben, dass das Unternehmen beim Thema Datenschutz oft unbeholfen agiert. Gerade den Rückzug von den App Ops kann man dem Unternehmen kaum positiv auslegen, auch wenn Google sich damit rechtfertigt, es habe sich dabei überhaupt nur um eine versehentlich veröffentlichte Funktion gehandelt.

So oder so ist man erstaunt: Hat Google denn von den ganzen NSA-Skandalen, den Enthüllungen von Edward Snowden und der wachsenden Kritik der Bevölkerung gar nichts mitbekommen?

Wie kann der Konzern weiterhin munter Daten sammeln, als wäre es 2009? Wo bleibt die breit angelegte Aufklärungskampagne, die glaubwürdig versichert, dass unsere Daten bei Google sicher und stets anonymisiert sind?

"'1984' gelesen und als Karriereziel verstanden"

Helfen würde selbst das natürlich herzlich wenig. Selbst wenn die NSA von der US-Regierung zurückgepfiffen würde, bleibt das Thema Datenschutz ein heißes Eisen. Wenn die USA uns nicht mehr überwachen, dann machen es eben die Chinesen oder die Bundesregierung selbst. Helfen wird da nur ein generell sparsamerer Umgang mit Personendaten. Aber das scheint Google noch nicht erkannt zu haben, es würde sicherlich auch dem eigenen Geschäft abträglich sein. Dennoch wird der Konzern mit seinem derzeitigen Geschäftsgebaren kaum jemandem glaubhaft versichern können, er sei bei der Nest-Übernahme nicht an den Daten der Kunden interessiert. Dass Nest seine Daten bei sich behalten will, könne sich ändern , gab Nest-CEO Tony Fadell in einem Interview zu.

Und so ist die Kritik derzeit selbst aus den USA für Google eher negativ: Carmel Deamicis und Michael Carney von PandoDaily warnen die Nest-Nutzer vor Google . Wie es scheint haben tatsächlich nur wenige der Kunden Lust, ihre Daten Google auszuhändigen. Stacey Higginbotham von GigaOm schlägt angesichts der Nest-Übernahme durch Google mehr oder weniger die Hände über dem Kopf zusammen . Marktforscher Rob Enderle fällt das vernichtende Urteil : "Ich glaube, Google hat 'Big Brother' gelesen und es als Karriereziel verstanden." Und natürlich gibt es auch aus Deutschland Kritik an der Übernahme: Jan-Keno Janssen etwa vergleicht Googles Vorstoß in die Wohnzimmer mit Skynet , dem Überwachungssystem aus den "Terminator"-Filmen.

Bis jemand eine bessere Lösung vorstellt

Durchgehend negativ ist die Resonanz nicht. Gerade Nilay Patel von TheVerge versteht die ganze Aufregung nicht . Ein mitdenkendes Heimnetzwerk sei eine wunderbare Sache. Doch alles in allem, so mein subjektiver Eindruck, wächst die Kritik an Google. Wenn man weniger Thermostate verkauft als man könnte, weil Nutzer keine Lust auf Überwachung haben, dann bedeutet das für das Unternehmen auch wirtschaftliche Einbußen. Gleiches, wenn mehr Nutzer von Android auf andere Systeme oder die quelloffene, Google-freie Android Oberfläche CyanogenMod umsteigen.

Noch sind viele Menschen sehr arg- und sorglos, was die allgegenwärtige totale Überwachung betrifft. Aber wenn immer mehr davor gewarnt wird, wenn die Probleme der Spionage greifbar werden und dazu, wie ich neulich schrieb, das Thema Überwachung auch in Film und Fernsehen abschreckend dargestellt wird, wird der Unmut wachsen. Google ist sehr gut darin, die Nutzer bis auf - Achtung Seitenhieb - Google Plus mit wirklich guten Produkten zu ködern. GMail ist in meinen Augen nach wie vor der beste Mailclient auf dem Markt, Android das beste mobile Betriebssystem , Google Kalender und Drive die leichter zugängliche Alternative zu Outlook oder Office, Chrome der attraktivste Browser. Aber wehe es wird einmal ein Anbieter Lösungen vorstellen, die attraktiver sind und leichter zugänglich, dabei aber sicher verschlüsselt und als selbst gehostete Lösung zu erwerben.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass kluge Geschäftemacher hier auf absehbare Zeit ihre Chance erkennen werden und dass Google dann ein Problem bekommt. Einfach so wie bisher weiter machen wird Google zumindest nicht mehr lange können , davon bin ich immer mehr überzeugt.

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