Berlin, 21. Juni 2006 - Die Zahl der Unternehmensgründungen im High-Tech-Sektor ist in Deutschland im letzten Jahr zurückgegangen. Im Vergleich zum Vorjahr sank sie um 16 Prozent und erreichte damit einen neuen Tiefpunkt. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der aktuellen Studie, die das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim im Auftrag des Wirtschaftsmagazins 'impulse' und der Microsoft Deutschland GmbH durchgeführt hat. Die Studie «High-Tech-Gründungen in Deutschland» untersucht die Entwicklung der Gründungstätigkeit in technologie- und wissensintensiven Wirtschaftszweigen im Zeitraum von 1995 bis 2005. Wie eine zusätzlich durchgeführte Befragung von über 1.000 High-Tech-Unternehmen ergab, gehen vor allem von Forschungseinrichtungen und Universitäten wichtige Impulse aus: Junge Unternehmen mit engem Kontakt zur Wissenschaft und Gründungen, die sich selbst aktiv in Forschung und Entwicklung (FuE) engagieren, weisen ein höheres Umsatz- und Beschäftigungswachstum auf als Unternehmen, die nicht in FuE investieren.
Zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren zählen weiterhin die strikte Ausrichtung des Produkt- und Dienstleistungsspektrums am Nutzwert für die Kunden, die Qualifikation des Gründerteams und der Mitarbeiter sowie die Flexibilität, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren. Die Studie basiert auf dem halbjährlich aktualisierten ZEW-Gründungspanel, dem Daten des Wirtschaftsinformationsdienstes Creditreform zugrunde liegen. Darüber hinaus flossen in die Studie die Ergebnisse der Umfrage bei über 1.000 jungen High-Tech-Gründern ein, um spezifische Erfolgsfaktoren, Hemmnisse und Risiken für die Entwicklung dieser neuen High-Tech-Unternehmen zu identifizieren.
Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind Impulsgeber
Bei 69 Prozent aller High-Tech-Gründungen besitzt mindestens ein Gründungsmitglied einen Hochschulabschluss. In fast 20 Prozent der Unternehmen war eine Person, die dem Gründungsteam angehört, zuvor an einer Hochschule oder öffentlichen Forschungseinrichtung beschäftigt. Bei rund zehn Prozent entstammt auch die Gründungsidee unmittelbar der Wissenschaft.
Dies zeigt die große Bedeutung akademischer Ausbildung und Forschung für die Entwicklung der High-Tech-Industrie in Deutschland. Auch die Ausbildung von qualifiziertem Personal ist eine Schlüsselaufgabe der Hochschulen. In High-Tech-Unternehmen werden insbesondere naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete Fachkräfte benötigt, die am Arbeitsmarkt jedoch nicht in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen. 75 Prozent der befragten Gründer nennen «Qualifiziertes Personal» als wichtigen Erfolgsfaktor für ihr Unternehmen. Gleichzeitig sieht jedes fünfte Unternehmen den Mangel an qualifiziertem Personal als großes Entwicklungshemmnis.
Jürgen Gallmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Microsoft Deutschland GmbH, kommentiert die Ergebnisse der Studie: «Der Tiefstand bei High-Tech-Gründungen ist Besorgnis erregend, denn nur mit Innovationen in Spitzentechnologie hat der Wirtschaftsstandort Deutschland eine Zukunft im globalen Wettbewerb. Politik, Wissenschaft und Wirtschaft sollten daher gemeinsam noch stärker als bisher den Austausch zwischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen fördern, weil viele High-Tech-Gründungen im universitären Umfeld entstehen. Mit ihrem Know-how in Vertrieb und Marketing können etablierte Unternehmen einen wichtigen Beitrag zum Erfolg solcher Gründungen leisten, um neue Märkte zu erschließen und zukunftsfähige Arbeitsplätze zu schaffen. Mit der High-Tech-Gründerinitiative 'unternimm was.' bietet Microsoft Deutschland entsprechende Förderung an und gibt Impulse für ein neues Gründerklima.»
Innovationsstarke Gründer setzen sich durch
Als wichtigsten Erfolgsfaktor für ihre Unternehmensentwicklung nennen 78 Prozent der befragten Gründer «Kundenbindung». Die weiteren Faktoren sind Anpassungsfähigkeit an sich ändernde Marktsituationen (64 Prozent), die Verwendung von neuester Informations- und Kommunikationstechnologie und moderner Software (56 bzw. 52 Prozent) sowie Innovationen (49 Prozent). Daraus wird deutlich, dass die konsequente Orientierung am Markt und die schnelle Reaktion auf Marktänderungen den Erfolg sichern. So weisen auch die Unternehmen, die kontinuierlich FuE betreiben, ein deutlich höheres Beschäftigungswachstum auf als Unternehmen ohne eigene FuE-Aktivitäten.
Das größte Hemmnis für den Unternehmensaufbau bleibt die mangelnde Finanzierung, die von einem Drittel der Unternehmen als Hindernis für die bisherige Unternehmensentwicklung eingestuft wird. Für die Mehrzahl der Unternehmen gehören Finanzierungsengpässe auch zu den größten Risiken für die Zukunft (für 23 Prozent sind sie von großer, für 43 Prozent von mittlerer Bedeutung). Insbesondere die schnell wachsenden Unternehmen messen diesem Faktor maßgebliches Gewicht bei. Häufig stehen hinter den Finanzierungshemmnissen Mängel im Finanzierungsmanagement der Unternehmen. Auch in anderen Bereichen machen sich Mängel im strategischen Management bemerkbar. Nahezu jedes zehnte Unternehmen betrachtet mangelnde kaufmännische Kenntnisse als ein großes und jedes dritte Unternehmen als ein Entwicklungshemmnis von mittlerer Bedeutung. Der Aufbau betriebswirtschaftlicher Kompetenz gehört daher zu den wichtigen Aufgaben für erfolgreiche High-Tech-Gründer. «Ohne entsprechende wirtschaftliche Kompetenz tun sich auch besonders innovationsstarke High-Tech-Gründer im harten Preiswettbewerb schwer», betont 'impulse'-Chefredakteur Dr. Klaus Schweinsberg.
Rückläufige Gründungstendenz 2005 wieder beschleunigt
Die Studie zeigt, dass die Zahl der Gründungen in den technologieintensiven Wirtschaftszweigen des verarbeitenden Gewerbes seit Jahren rückläufig ist. In allen technologie- und wissensintensiven Wirtschaftszweigen hat sich der Abwärtstrend der Gründungszahlen 2005 beschleunigt. Die Anzahl der Unternehmensgründungen sank im High-Tech-Sektor insgesamt um 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Damit lag die Gründungstätigkeit im letzten Jahr 30 Prozent unter dem Niveau von 1995. Ebenfalls rückläufig, aber insgesamt positiver ist die Entwicklung bei den Software-Gründungen: Die Anzahl der Software-Gründungen ging in den Jahren 2001, 2002 und 2005 zurück, blieb jedoch in 2003 und 2004 konstant. Aufgrund des starken Anstiegs bis ins Jahr 2000 ist die Zahl der Software-Gründungen im Jahre 2005 immer noch um 13 Prozent höher als 1995.
Auch der Anteil der Gründungen in den technologie- und wissensintensiven Wirtschaftszweigen am gesamten Gründungsgeschehen ist in den letzten zehn Jahren insgesamt zurückgegangen. Im Jahr 2000 betrug der Anteil noch über neun Prozent und ging bis zum Jahr 2005 auf etwa 6,5 Prozent zurück.
Dr. Georg Licht, Leiter des Forschungsbereichs «Industrieökonomik und Internationales Management» des ZEW, dazu: «Die sinkenden Gründungszahlen im High-Tech-Bereich sind ein Alarmzeichen ersten Ranges. Das seit mehr als einem Jahrzehnt geringe Wirtschaftswachstum in Deutschland eröffnet für junge Unternehmen keine Perspektiven. Der Schritt zum eigenen Unternehmen erscheint immer weniger attraktiv. Ein weltweit führender High-Tech-Standort braucht aber einen beständigen Strom von neuen Geschäftsideen, die die etablierten Unternehmen fortlaufend herausfordern. Innovations- und Wirtschaftspolitik sollten daher der Gründungsförderung und der Verbesserung der Rahmenbedingungen für kleine und junge Unternehmen wieder eine höhere Priorität einräumen.»
High-Tech-Gründer blicken optimistisch in die Zukunft
Obwohl die Zahl der Unternehmensgründungen rückläufig ist, blickt die Mehrzahl der High-Tech-Gründer, die die ersten Jahre überstanden haben, optimistisch in die Zukunft. Das gilt insbesondere für die Software-Unternehmen. 85 Prozent von ihnen erwarten eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Perspektiven, nur ein Prozent befürchtet eine Verschlechterung. Einfluss auf die Entwicklung der Unternehmen haben auch die im Betrieb eingesetzten Technologien: Die Mehrheit der High-Tech-Gründer gibt an, dass Software für die Entwicklung ihres Unternehmens große Bedeutung hat (49 Prozent). Auf den Plätzen zwei und drei folgen Telekommunikation/Multimedia (36 Prozent) und Mikroelektronik (19 Prozent). Die Informationstechnologie (IT) bietet damit für die Mehrheit junger High-Tech-Unternehmen die besten Wachstumsperspektiven.