"Skype"-Gründer Niklas Zennström im Interview

„Wenn es funktioniert, funktioniert es“

Eigentlich könnte sich Niklas Zennström zurücklehnen. Seitdem er seine Internet-Telefonfirma „Skype“ an eBay verkauft hat, ist er ein reicher Mann. Doch Zennström denkt nicht ans Aufhören. Im Interview erklärt er Skypes Zukunftspläne, was er durch die inzwischen verkaufte Tauschbörse KaZaa gelernt hat – und wann er wieder in die USA reisen will.

Frage: Herr Zennström, Ihre Firma hat Niederlassungen in London, Tallinn und Luxemburg. Wo stecken Sie eigentlich gerade?

Antwort: In Luxemburg.

Frage: Skype war ein junges, aggressives Unternehmen, das den Telefonkonzernen dieser Welt das Fürchten gelehrt hat. Sind Sie nun mit der Übernahme durch eBay gezähmt? Können sich die Telekoms dieser Welt zurücklehnen?

Antwort: Der Verkauf an eBay erlaubt uns, schneller als bisher zu wachsen. Unser Ziel, war es immer, Skype zu einer erfolgreichen Online-Kommunikationsfirma zu machen. Wir wollen den Weg zu ändern, wie Menschen kommunizieren. Wir sind auf jeden Fall nicht angetreten als Wettbewerber der klassischen Telefonkonzerne– und auch nicht als ihr Totengräber. Wir leben in einer Symbiose mit ihnen. Der gesamte Telefonverkehr wandert nach und nach ins Internet. Das heißt zwar, dass die Telefongesellschaften immer größere Probleme haben werden, für Gespräche Geld zu verlangen. Gleichzeitig werden sie aber mehr Breitband-Zugänge verkaufen können. Wir arbeiten mit mehreren Telefonfirmen zusammen, zum Beispiel mit E-Plus. Die bieten Skype zusammen mit ihren 3G-Datenkarten-Services an.

Frage: Sie loben ihre Partnerschaft mit E-Plus. Gleichzeitig hat aber Vodafone angekündigt, Skype bei drahtlosen Hochgeschwindigkeitszugängen ins Internet zu blockieren. Warum werden Sie von den Telefonunternehmen so unterschiedlich wahrgenommen?

Antwort: E-Plus ist nicht die Nummer Eins und versucht deswegen progressive und innovative Services anzubieten. Die Marktführer versuchen typischerweise vor allem ihre Position zu verteidigen – und sind weniger innovativ.

Frage: Lassen Sie uns über den Verkauf Ihrer Firma an eBay sprechen. In den Sommermonaten standen bei Ihnen die Kaufinteressenten Schlange. Warum haben Sie sich letzten Endes für eBay entschieden?

Antwort: Es gab ein paar Gründe. Einer davon ist, dass wir glauben, dass es gute Synergien gibt. Wir haben zum Beispiel 54 oder 55 Millionen Nutzer. Aber es ist nicht einfach, sie davon zu überzeugen, für Services zu bezahlen. Wir denken, dass wir gute Chancen haben, mehr zahlende Kunden zu gewinnen, wenn wir den Bezahldienst PayPal integrieren können. Durch die Integration in eBays-Kauf- und Verkaufsprozesse kommen wir außerdem in Kontakt mit mehr potenziellen Nutzern. Der andere Grund war, dass wir eine ähnliche Philosophie wie eBay haben: Wir vertrauen beide auf Netzwerk-Effekte, wenn es um Wachstum geht.

Frage: Wie haben Sie den Deal eigentlich gefeiert?

Antwort: Dafür war noch nicht besonders viel Zeit. Es gibt noch immer viel zu tun.

Frage: Nicht ein einziges Glas Schampus?

Antwort: Doch, klar! Ich hatte welchen. Wir hatten eine Party in allen unseren Niederlassungen. Ich habe in London gefeiert.

Frage: Seit dem Geschäft mit eBay sind Sie ein sehr reicher Mann. Was motiviert Sie überhaupt noch zu arbeiten? Warum sitzen Sie nicht mit einem kühlen Drink unter einer Palme?

Antwort: (Lacht.) Dann würde ich mich langweilen.

Frage: Motivieren Sie nicht vielmehr spezielle Klauseln im Verkaufsvertrag, die Ihnen angeblich üppige Erfolgsprovisionen zusichern?

Antwort: Finanzielle Anreize waren für mich schon immer sekundär. Meine Motivation war es immer, eine großartige Firma aufzubauen und den Weg zu ändern, wie Menschen kommunizieren. Sehen Sie sich die erfolgreichsten Internet-Firmen an: Die werden immer von Menschen geführt, die vor allem dadurch motiviert sind, ihren Kunden exzellente Produkte und Services zu liefern. Sehen Sie sich eBay an, Yahoo, Google, Apple – und sogar Microsoft. Und fast immer sind auch die Gründer noch im Unternehmen, weil sie weiterhin großartige Dinge entwickeln wollen.

Frage: Was Ihr Produkt angeht, so haben Sie vor einiger Zeit verkündet, Skype würde den PC verlassen. Wie soll das aussehen?

Antwort: Wir verlassen den PC nicht. Wir expandieren aber darüber hinaus. Bisher konnten wir so schnell wachsen, weil unser Produkt ein Stück Software ist, das jeder auf seinen Computer laden kann. Niemand musste teure Hardware kaufen. Unsere Vision ist es aber auch, Skype allgegenwärtig zu machen. Die Menschen sollen es nutzen können, unabhängig davon, wo sie sind, unabhängig davon ob sie vor einem Computer sitzen. Wir entwickeln deswegen ein Skype für Mobiltelefone. Außerdem entwickeln wir WiFi-Phones. Die sehen aus wie Mobiltelefone, setzen aber auf drahtlose Internetzugänge.

Frage: Wann werden wir denn das erste Skype-Handy zu sehen bekommen?

Antwort: Es ist sehr schwer, eine Zeitleiste für solche Projekte zu haben. Wissen Sie, es ist nicht so, dass wir das schon zehntausendmal gemacht hätten. Das ist Pionierarbeit. Wir haben exzellente Ingenieure darauf angesetzt. Und wenn es funktioniert, funktioniert es. Dann sagen wir Bescheid.

Frage: Vielleicht zur nächsten Cebit?

Antwort: Das kann ich Ihnen nicht versprechen.

Frage: Skype verdient sein Geld mit Premiumdiensten. Man hört, dass nur fünf Prozent aller Skype-Nutzer auch Geld bezahlen. Stimmt das?

Antwort: Die Zahl stimmt so in etwa. Die exakte Zahl habe ich aber nicht im Kopf.

Frage: Wie hat die Skype-Technologie von den Erfahrungen bei KaZaa profitiert?

Antwort: Wir haben eine Menge durch KaZaa gelernt. Das betrifft die Technologie genauso wie das Wissen, wie man Software im Internet clever vermarktet. Dazu kam, dass wir bekannt waren. Als wir mit Skype auf den Markt kamen, haben sich die Leute sehr dafür interessiert, was wir da machen. Wir haben sofort eine Menge Aufmerksamkeit bekommen.

Frage: Wie beurteilen Sie die P2P-Landschaft der Musiktauschbörsen heutzutage?

Antwort: Ich befasse mich eigentlich kaum mehr damit. Ich finde es nur interessant, dass es kaum neue technische Durchbrüche gibt. Es hat sich fast nichts geändert seit wir vor fünf Jahren mit KaZaa herauskamen. Die Leute kümmern sich nicht genügend darum, neue Technologie zu entwickeln. Ich habe keine Ahnung, warum.

Frage: Wie haben Sie es mit KaZaa und später Skype geschafft, genau solche technologischen Innovationen zu liefern?

Antwort: Durch ein paar fundamentale Dinge. Normalerweise werden Produkten in diesem Bereich von Ingenieuren für Ingenieure gemacht. Die produzieren nichts für Ihre Mütter oder Schwestern. Und genau das haben wir mit KaZaa und Skype getan. Wir haben exzellente Technologien und einfache Handhabung zusammen gebracht. Unser Produkt muss man nur herunterladen – und schon kann man es benutzen.

Frage: Wie sehen Sie Ihr Engagement bei Kazaa heute? Hätten Sie was anders gemacht?

Antwort: Als Mensch blickt man entweder zurück und sagt: ‚Ich hätte dies oder das anders tun sollen’ – oder man blickt nach vorn. Ich verbringe keine Zeit damit, zurück zu schauen. Wir sind eigentlich ganz zufrieden mit uns und bedauern nichts.

Frage: Aber die ganze Sache hat Ihnen persönlich doch eine Menge Ärger eingebracht…

Antwort: Nein, nicht wirklich. Wenn Sie etwas verändern und ein großes Business aufbauen wollen, müssen sie zu 110 Prozent dabei sein. Natürlich war die Platteindustrie hinter uns her… Die sind einfach ein bisschen langsam, wenn es darum geht zu erkennen, wie gut das Internet ist. Die konzentrieren sich auf die falsche Sache. Die beschäftigen vor allem viele Anwälte, die viel Geld machen. Aber das stört mich nicht.

Frage: Wann waren Sie eigentlich zum letzten Mal in den USA?

Antwort: (Lacht.) Vor ein paar Jahren.

Frage: Und, haben Sie Pläne zurückzukehren?

Antwort: Eines Tages. Da bin ich mir Sicher. Aber jetzt gehe ich nicht dort hin.

Zur Person: Der gebürtige Schwede Niklas Zennström, 39, hat in den vergangenen Jahren gleich zwei Industriezweige in ihren Grundfesten erschüttert. Zusammen mit seinem Geschäftspartner Janus Friis schuf der Wirtschaftswissenschaftler und Physiker im Frühjahr 2001 zunächst die Musiktauschbörse KaZaa. Auf dem Höhepunkt des Booms stieg Zennström aus und verkaufte KaZaa an die Firma Sherman Networks. Die Musikindustrie scheiterte bislang mit einer Klage gegen ihn. Seit dem meidet er allerdings die USA. Vor knapp zwei Jahren präsentierte Zennström sein neues Projekt „Skype“, den perfekten Albtraum der Telekom-Industrie: Das Programm erlaubt Gratis-Gespräche zwischen Skype-Nutzern – bei exzellenter Sprachqualität. Auch vergleichsweise preiswerte Verbindungen in Fest- und Mobilfunknetze weltweit sind möglich. Im September 2005 stieg das Internet-Auktionshaus eBay bei Skype ein – für bis zu 4,1 Milliarden Dollar. Zennström will auch nach der Übernahme weitermachen. Nach eigenen Angaben ist er rund 200 Tage pro Jahr unterwegs. Erholung findet er beim Segeln und beim Skifahren in den Alpen oder in seiner schwedischen Heimat. Zennström ist verheiratet.

Das Interview führte Christoph Seidler

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