Hinter dem Akronym MOOC verbergen sich Onlinekurse, die sich an ein breites Publikum wenden – im Prinzip an jeden, der sich für ein Thema eines Kurses interessiert, auf jeden Fall an wesentlich mehr Menschen, als ein Hörsaal zu fassen vermag. Die Kurse weisen in vielen Fällen interaktive Merkmale auf und beinhalten häufig auch Tests, Hausaufgaben oder kleine Übungen.
In Deutschland stellt man sich aktuell die Frage, ob MOOCs die Lösung für die universitären Engpässe sein könnten: Wenn Studenten nur noch einen Computer benötigen, um Universitätskurse zu belegen, und keinen Sitzplatz mehr in einem Hörsaal, dann bedarf es auch keiner l ästigen Zulassungsbeschränkungen mehr. Die Veränderungen des Bildungssystems, die mit MOOCs einhergehen könnten, werden als weitreichend eingeschätzt. Hannes Klöpper, Geschäftsführer der deutschen Open-Course-Plattform iversity , erläutert: “Wir müssen die Bildungsexpansion als Chance sehen, die universitäre Lehre neu zu denken. Statt Studieninteressierte durch Ausweitung der NC-Fächer auszuschließen, sollten die Universitäten in Deutschland sowohl MOOCs entwickeln als auch lokal nutzen“.
Im Wintersemester 2013/14 bietet iversity zu diesem Zweck vielfältige Kurse in ganz unterschiedlichen Fachrichtungen an. Seit seinem Launch im August 2011 konnte das Berliner Start-up, das es sich zum Ziel gesetzt hat, MOOCs auch in Deutschland und Europa populär zu machen, vielfältige Kurse in ganz unterschiedlichen Fachrichtungen und für die neue Art der Wissensvermittlung begeistern.
Vorlesung als Video
Vorreiter bei der digitalen Aufbereitung universitärer Inhalte und Veranstaltungen sind einige der großen Elite-Hochschulen der USA: Online-Plattformen der Harvard University und des Massachusetts Institute of Technology oder der Stanford University bieten Studenten die Möglichkeit, kostenlos an einem Computer Vorlesungen renommierter Professoren zu folgen – per Videoaufzeichnung, die anschließend ins Internet gestellt wird. Die Vorteile liegen auf der Hand: Während in einem überfüllten Hörsaal die Rahmenbedingungen für Studenten und Gasthörer eher ungünstig sind, können Teilnehmer eines Onlinekurses konzentrierter den Darlegungen der Professoren folgen – ohne hohen Lärmpegel oder räumliche Engpässe. Auf das Tempo der Vortragsreihe kann der Student selbst Einfluss nehmen, die digitale “Veranstaltung“ kann er besuchen, wann immer es in seinen Stundenplan passt. Zusätzlich zu den aufgezeichneten Vorlesungen ermöglichen es Online-Foren, mit anderen Studenten weltweit in Kontakt zu treten und sich auszutauschen.
Zugang zu hoher Bildung – weltweit
Über MOOCs erreichen die Koryphäen einer wissenschaftlichen Disziplin nicht länger ausschließlich die Studenten der (Elite-) Hochschulen, an denen sie einen Lehrauftrag haben, sondern Interessierte jeden Alters auf der ganzen Welt. Der Zugang zu Bildung und dem Lehrangebot der großen wissenschaftlichen Stars wird auf diese Weise einer breiten Masse gewährt – unabhängig von Studiengebühren, unabhängig auch vom Aufenthaltsort der Studenten. Was einst utopische Zukunftsmusik war, rückt so auf einmal in den Bereich des Möglichen: Chancengleichheit auf dem Bildungssektor und damit verbunden auch berufliche und soziale Aufstiegsmöglichkeiten. Denn MOOCs kann man nicht nur anhören: Studenten, die die festgelegten Leistungen erbringen (z.B. Hausaufgaben, Hausarbeiten, Tests) können online auch Zertifikate erwerben und den Kurs damit erfolgreich abschließen.
Zukunftsmodel Internet-Bildung?
So euphorisch auch einige der Digitalisierung durch MOOCs das Potential bescheinigen, Bildung zu demokratisieren, Kritik gibt es dennoch. Seit das Thema vonseiten der Presse gesteigerte Aufmerksamkeit erfährt, reihen sich auch die Einwände gegen das Zukunftsmodel der Bildung im Netz. Wie kann eine Ausbildung aussehen, die vornehmlich über das Internet vermittelt wird? Diese Frage wirft eine Vielzahl Bedenken auf, die mit der Digitalisierung von Lehrinhalten einhergehen.
Ein Kritikpunkt besteht darin, dass das momentan bestehende Angebot von Studenten gar nicht in großem Umfang genutzt wird. Die Quote derer, die einen Onlinekurs erfolgreich abschließen, ist verhältnismäßig gering. Dies kann zum einen daran liegen, dass viele MOOCs nur belegen, um sich zu informieren, nicht aber, um tatsächlich ein Zertifikat zu erwerben. Gleichzeitig legt es aber ebenfalls die Vermutung nahe, dass das bestehende Model didaktisch zumindest noch nicht so ansprechend ist wie es besungen wird. Das Problem des Prokrastinierens, des steten Aufschiebens bevor man eine Aufgabe in Angriff nimmt, ist auch unter Studenten ein sehr verbreitetes. Hier gedeiht es nicht jedem zum Vorteil, dass Kurse jederzeit gemacht werden können und man sich nicht mehr zu einer festgelegten Zeit an einem bestimmten Ort einfinden muss.
Der Erwerb von Wissen und Bildung wird in einem universitären Umfeld, das zu großen Teilen auf MOOCs basiert, zunehmend in die Verantwortlichkeit der Studenten selbst gelegt. Dies begünstigt diejenigen, die disziplinierter arbeiten, aber auch jene, die in Eigenregie gut vorankommen. All jene, denen es schwerer fällt, komplexe Zusammenhänge schnell selbst zu erfassen, laufen Gefahr, auf der Strecke zu bleiben – eine Art pädagogischer Darwinismus. Denn via Onlinekurs ist gezielte Förderung und Rücksichtnahme auf Tempo und Nachholbedarf der Studierenden nicht mehr im selben Umfang möglich.
Professoren bemängeln zudem, dass Wissensvermittlung an Universitäten von einem Austausch mit den Studenten geprägt ist, der bei der Lehre durch MOOCs reduziert und entpersonalisiert wird . Wo keine fruchtbaren Diskussionen mehr stattfinden, profitieren Studierende und Professoren weniger von Seminaren und Vorlesungen. Der direkte, unmittelbare Dialog lässt sich nicht so einfach durch Kommentare und Beiträge in Foren kompensieren. Dieser Kritikpunkt greift dort besonders scharf, wo MOOCs nicht ergänzend zu regulären universitären Veranstaltungen gedacht sind, sondern diese völlig ersetzen.
Vorzüge der neuen Medien
Dass die Digitalisierung für die Vermittlung von Wissen große Chancen bereit hält, kann jedoch kaum bestritten werden. Bildung via Internet kann funktionieren und bietet jungen Unternehmen viele neue Einsatzmöglichkeit – das beweisen Start-ups wie examio : die medienübergreifende Aufarbeitung und Darbietung von Lerninhalten in Text, Abbildung, Video und Übungssequenzen eignet sich zur Darstellung komplexer Sachverhalte besser als beispielsweise ein gedruckter Essay – und auch didaktisch ist das Lehrbuch nicht der Weisheit letzter Schluss.