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Interview mit Katja Bossert, Unternehmensberaterin

"Gutes Coaching entfaltet das Potential, das in jedem Einzelnen steckt."

Coaching für Unternehmen – nur ein Hype und völlig überschätzt? Kritiker behaupten das. Die Unternehmensberaterin Katja Bossert ist vom Gegenteil überzeugt. Als Leiterin der Personalentwicklung bei einer Top-Unternehmensberatung hat sie umfangreiche Erfahrungen im Einsatz von Coaches und ist selbst ausgebildeter Executive Coach. Als Aufsichtsrat und Beirat hat sie zudem mehrere Start-ups begleitet.

Katja Bossert, Unternehmensberaterin Katja Bossert, Unternehmensberaterin

förderland: Frau Bossert, für alles Mögliche kann man sich coachen lassen. Ist das Ganze nicht eher eine völlig überschätzte Modeerscheinung, für die vor allem große Konzerne viel Geld ausgeben?

Katja Bossert: Nein, ganz und gar nicht. Wenn Coaching richtig eingesetzt wird, kann es bei Unternehmern, Führungskräften und Mitarbeitern verblüffende Kräfte freisetzen. Das äußert sich dann ganz handfest in besseren Ergebnissen. Führungskräfte lernen sich besser zu fokussieren, klar zu entscheiden, welche Aufgaben tatsächlich auf ihren eigenen und welche auf andere Schreibtische gehören. Also zum Beispiel: Was macht mir Spaß und was kann ich wirklich? Und was können Andere vielleicht besser? Was sollte ich also delegieren?

Also Zeitmanagement?

Bossert: Das kann eines von vielen Ergebnissen sein. In der Regel entstehen durch Coaching qualitativ bessere Ergebnisse. Gerade im Mittelstand ist das oft ein Thema. Da liegen viele Aufgaben bei den Gründern und Eigentümern, bei denen sie sich vielleicht nicht immer wohl fühlen. Trotzdem ist es Chefsache. Durch ein Coaching kann man diese Felder klar herausarbeiten und dann Tätigkeiten und Verantwortlichkeiten neu ordnen. Das reduziert Stress und es bedeutet bei Unternehmern mehr Freude an Ihrem Unternehmertum. Gerade mittelständische Unternehmer gewinnen besonders durch Coaching.

Haben Sie ein Beispiel aus eigener Erfahrung?

Bossert: Besonders Nachfolge-Themen beschäftigen mittelständische Unternehmen heute sehr. Da tritt der Sohn oder die Tochter in die Fußstapfen des Vaters und ist einem ganz starken Druck ausgesetzt. Machen er oder sie das so gut wie der Alte? Immer steht der Vergleich im Raum, beim Führungsstil, bei Investitions-Entscheidungen, bei Akquise und Marketing. Aber vielleicht ist die Tochter ein Teamplayer, während der Vater ein Einzelkämpfer ist? Die Frage kann also heißen: Ist das übernommene Rollenverständnis wirklich tragfähig? Ist es das nicht, führt das zu Blockaden, die sich auf die Qualität der Arbeit, die Eigenmotivation und auf die Stimmung der Mitarbeiter auswirken. Mit einem Coach findet man heraus, was zur Persönlichkeit passt und wie man sein Arbeitsumfeld danach gestaltet. Davon profitieren Unternehmen und Führungskraft gleichermaßen – persönlich und ökonomisch.

Kommt man da nicht auch von alleine drauf?

Bossert: Wenn man ganz ehrlich zu sich wäre, vielleicht. Aber da gibt es oft große Hürden. Man macht sich selbst etwas vor, will sich und dem Vater etwas beweisen. Da gibt es viele Gründe, warum man solche Dinge vehement verdrängt. Ein guter Coach bringt mich dazu, über diese Themen nachzudenken und mein Verhalten zu ändern. Zudem können Sie innerhalb der Unternehmenshierarchie und auch innerhalb der Familie häufig mit niemandem über die Themen sprechen, mit denen sie selbst ringen.

Was unterscheidet Coaching vom klassischen Training?

Bossert: Bei Coaching geht es nicht um die Vermittlung von Wissen oder Fähigkeiten, sondern um Verhaltensweisen und Grundhaltungen. Sie lernen keine Techniken, sondern arbeiten an sich selbst. Coaching adressiert damit eine andere Ebene, an die sie mit Training nicht herankommen. Ich entwickle also keinen Tagesablauf und keine Unternehmensstrukturen. Ich frage eher, warum es ein Unwohlsein an bestimmten Stellen gibt. Meist sind es bestimmte Erfahrungen, die das eigene Verhalten bedingen.

Zum Beispiel?

Bossert: Vielleicht haben Sie eine Führungskraft, die auf Kritik stets sehr aggressiv reagiert oder ein anderes auffälliges Verhalten zeigt. Ein Coaching kann helfen herauszufinden, was der Grund dafür ist. Eine schlechte Erfahrung vielleicht, bei der Kritik in jungen Jahren als persönliche Verletzung abgespeichert wurde. Daraus entstand ein Schutz-Reflex, der jetzt bei jeder Kritik, auch der ganz fachlichen, als Automatismus abläuft. Und das führt zu Problemen bei der Mitarbeiterführung, weil sich keiner mehr traut, Kritik anzubringen. Damit steigt dann auch noch die Fehleranfälligkeit – ein gefährliches System, das die Führungskraft und das Unternehmen beschädigen kann.

Es geht also darum, sich selbst akzeptieren zu lernen?

Bossert: Genau. Viele Unternehmer und Führungskräfte versuchen ständig noch mehr Gas zu geben und mit Trainings noch mehr PS aus ihrem Motor zu holen. Und das klappt auch ziemlich gut, sonst wären sie nicht in der Position in der sie sind. Aber oft stehen sie gleichzeitig mit dem anderen Fuß auf der Bremse. Je mehr Gas sie geben, desto heftiger treten sie auch auf die Bremse. Das Ergebnis ist ein unglaublicher Verschleiß. Ein guter Coach versucht erst einmal herauszufinden, was im Gesamtbild die fördernden und die hemmenden Elemente sind und arbeitet dann an der Beseitigung der Hemmnisse. Gutes Coaching entfaltet das Potential, das in jedem Einzelnen steckt.

Woran erkenne ich denn, dass ich als Unternehmer oder dass meine Mitarbeiter ein Coaching brauchen?

Bossert: Oft daran, dass bestimmte Probleme immer wieder auftreten und alle Vorsätze, es das nächste Mal besser zu machen, nicht fruchten. Ein Beispiel wären ständige Konflikte mit anderen Mitarbeitern. Oder dass wichtige Verhandlungen, trotz Entschlossenheit zum Erfolg und guter Vorbereitung scheitern. Typischerweise kommen Unternehmer mit solch einem scheinbar ganz kleinen Problem und suchen nach einem Rat, wie dem beizukommen sei. Im Gespräch mit dem Coach stellt sich dann heraus, dass das kleine Problem nur Symptom einer tiefer liegenden Verwerfung ist. Genau da kann dann der Coach helfen. Wichtig ist dabei natürlich die Auswahl des richtigen Coachs.

"Richtig" heißt was?

Bossert: "Richtig" heißt vor allem, dass ein Coach nicht mit Tipps und Verhaltenstricks oder irgendwelchem Motivationsgequatsche Erfolg verspricht. Ein Coaching bewirkt und erfordert Selbstreflexion und Arbeit an der eigenen Persönlichkeit. Das kann zunächst einmal sehr schmerzhaft und verunsichernd sein. Aber nur so kommt der Coachee langfristig weiter. Ein schlechter Coach verabreicht Ihnen eine kräftige Tablette gegen ihr Verspannungskopfweh. Ein guter Coach hilft Ihnen, eine ausgeglichene Haltung anzunehmen, so dass sie kein Kopfweh mehr bekommen. Dazu muss der Coach das Format und den Mut haben, auch unbequeme Fragen anzusprechen.

Ein Coach sollte also genügend Selbstbewusstsein und eigene Erfahrung mitbringen?

Bossert: Na ja, Selbstbewusstsein einerseits, Einfühlungsvermögen andererseits. Der Coach sollte methodisch sattelfest sein, also eine entsprechende Ausbildung haben oder nachweislich viel Zeit in die Reflexion über Coaching-Themen investiert haben. Darüber hinaus muss es eine Übereinstimmung der Seniorität geben. Eine sehr erfolgreiche Unternehmerin oder Unternehmer wird nur jemandem vertrauen, der ähnlich erfolgreich und erfahren in seinem Metier ist.

In welchen Hierarchieebenen macht Coaching überhaupt Sinn?

Bossert: Natürlicherweise zunächst bei den Führungspersonen. Schon allein, weil gute Coaches nicht billig zu haben sind. Coaching der Mitarbeiter wird eher selten eingesetzt, z.B. bei wirklich verfahrenen Teamsituation. Ein ganz neues Konzept, das ich meiner Arbeit eingeführt habe, ist „Coach the Coach“: Hier helfen wir Führungskräften mit sehr hoher Seniorität, die jüngeren Mitarbeiter weiterzubringen. Denn Führen in modernen Unternehmen mit hochqualifizierten Mitarbeitern beinhaltet ganz entschieden, die jüngeren Mitarbeiter in ihrer Entwicklung zu fördern.

Vielen Dank für das Gespräch!

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