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Gaststätten im Reisegewerbe
Begriff der Gaststätte
Wann handelt es sich um eine Gaststätte?
Begriff
§ 1 Abs. 1 GastG beschreibt den Begriff der Gaststätte und setzt den Begriff des Gewerbes voraus. Daher erfassen die Vorschriften des GastG nur solche Betriebe, die gewerbsmäßig tätig sind, d.h. die Gaststätte
- muss auf Gewinnerzielung gerichtet,
- auf Dauer und
- selbstständig
betrieben werden.
Ausnahmen der Gewerbsmäßigkeit
Ausnahmen von der Gewerbsmäßigkeit können bei Vereinsgaststätten oder Gesellschaften nach § 23 GastG vorliegen.
Vereine
Vereine sind körperschaftliche Vereinigungen mehrerer Personen für einen gemeinsamen Zweck unter einem Vereinsnamen. Ob der Verein rechtsfähig bzw. nichtrechtsfähig oder als wirtschaftlicher bzw. nichtwirtschaftlicher Verein anzusehen ist, ist im Gaststättenrecht ohne Bedeutung.
Gesellschaften
Mit den „Gesellschaften“ i.S. des § 23 GastG sind Gesellschaften des bürgerlichen Rechts und des Handelsrechts gemeint, unabhängig davon, ob sie eigene Rechtspersönlichkeit besitzen (z.B. Aktiengesellschaft, GmbH & Co. KG) oder nicht (z.B. Gewerkschaften).
Körperschaften des öffentlichen Rechts werden von §23 GastG nicht erfasst.
Für die Gesellschaften gilt das Gleiche wie bei den Vereinen.
Ausnahmen nach § 25 GastG
Unter die Vorschriften des GastG fallen auch nicht die in §25 Abs. 1 GastG aufgeführten Betriebe:
- Betriebskantinen
- Die Betriebskantine muss im räumlichen Bereich des Betriebes liegen. Ob sie an einen Dritten verpachtet ist oder vom Betrieb selbst geführt wird, ist unerheblich. Unschädlich ist die Bewirtung anderer als nicht im Betrieb beschäftigter Personen, wenn dieser Anteil 10 % nicht überschreitet. Anderenfalls ist die Betriebskantine eine Gaststätte nach § 1 GastG.
- Gastgewerbliche Leistungen bei dem Befördern von Personen. Gemeint ist das Bewirten von Reisenden in Eisenbahnen, Flugzeugen, Omnibussen oder Schiffen.
- Betreuungseinrichtungen der in §25 Abs. 1 GastG genannten Verbände.
Bahnhofsgaststätten sind Gaststätten nach § 1 GastG (siehe aber die Übergangsregelung in § 25 Abs. 2 GastG).
Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass diese Einrichtungen der Genehmigung der zuständigen Dienststelle bedürfen und von diesen überwacht werden.
Allgemeinzugänglichkeit
Der Gaststättenbetrieb muss öffentlich zugänglich sein, damit er eine Gaststätte ist.
Öffentlich zugänglich bedeutet, für jedermann oder einen bestimmten Personenkreis – so z.B. für Vereinsmitglieder eines Billardvereins, erreichbar. Das gilt in der Regel nicht für Betriebs- und Bundeswehrkantinen.
Das GastG findet auch keine Anwendung bei Hauspartys und anderen privaten Veranstaltungen.
Der Gast
Ein Gast ist jede Person, die der Gastwirt zur verkehrsüblichen Benutzung des Gaststättenbetriebes in Erwartung einer angemessenen Vergütung der durch ihn angebotenen Leistungen in seinen Räumen aufnimmt.
Der Begriff setzt voraus, dass der Wirt ein wirtschaftliches Interesse an dem Gast hat. Dieses fehlt z.B. bei Hilfspersonal und Personen, die lediglich einen Gast abholen. Die Begriffsdefinition kann für die Beurteilung einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 6 GastG wichtig sein.
Welche Gaststättenarten gibt es?
Die in § 1 Abs. 1 GastG genannten Gaststättenarten sind in der Praxis oft kombiniert anzutreffen. Der Begriff der Gaststätte ist daher ein Oberbegriff und enthält alle zulässigen Kombinationen.
Schankwirtschaft
Die Schankwirtschaft ist ein allgemein zugänglicher Betrieb, in dem Getränke zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht werden.
Getränke sind sowohl alkoholfreie (z.B. Kaffee, Tee, Milch, Limonaden, Mineralwasser) als auch alkoholische Getränke (z.B. Bier, Wein, Spirituosen).
Verabreichen
Es muss ein räumlicher Zusammenhang zwischen der Ausgabe und dem Ort des Verzehrs bestehen, d.h. die Getränke werden alsbald an Ort und Stelle verzehrt. Hiervon ist dann auszugehen, wenn Flaschenöffner, Abstellgelegenheiten für Gläser oder Flaschen usw. vorhanden sind oder der Gastwirt duldet, dass Getränke in unmittelbarer Nähe zu seiner Gaststätte verzehrt werden.
Eine Schankwirtschaft besteht auch dann, wenn der Gewerbetreibende (Gastwirt) mit der Möglichkeit des Verzehrs an Ort und Stelle rechnet.
Kein „Verabreichen“ bzw. Ausschenken ist der Verkauf in offenen oder geschlossenen Behältern zum Mitnehmen (z.B. Flaschen oder Dosen).
Getränkeautomaten
Getränkeautomaten sind Schankwirtschaften, wenn mit dem Genuss der Getränke an Ort und Stelle gerechnet werden kann oder der Verzehr geduldet wird. Praktisch betrachtet sind dies Automaten, die Getränke offen im Glas, Becher, Tasse o.ä. abgeben. Ist an einem Flaschenautomat eine Vorrichtung zum sofortigen öffnen der Flasche angebracht, ist er ebenfalls eine Schankwirtschaft.
Speisewirtschaft
Die Speisewirtschaft unterscheidet sich von der Schankwirtschaft lediglich dadurch, dass Speisen zubereitet sowie an Ort und Stelle verabreicht werden.
Die Speisewirtschaft gehört zum Gaststättenrecht, weil den Gefahren begegnet werden soll, die durch das Zubereiten von Speisen zum alsbaldigen Verzehr entstehen können.
Zubereitete Speisen
Zubereitete Speisen sind alle zum alsbaldigen Verzehr essfertig erzeugte Lebensmittel, z.B. belegte Brötchen, Torten, Speiseeis (aber nicht verpackte Schokolade, Konserven). Unter „Zubereiten“ sind die Tätigkeiten Kochen, Backen, Haltbarmachen zu verstehen. Erforderlich ist das „Verabreichen“ der zubereiteten Speisen zum sofortigen Verzehr.
Verabreichen
Auch hier muss ein räumlicher Zusammenhang zwischen der Ausgabe und dem Ort des Verzehrs bestehen, d.h. die Speisen werden alsbald in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang mit der Ausgabestelle verzehrt, z.B. in den Gasträumen, am Kiosk, im Ladengeschäft, vor einem Döner-Restaurant.
Beispiele:
- Abgabe der berühmten „Fernau-Kochwurst“ am Stehtisch in einer Metzgerei in Kassel
- Abgabe von Bratwürsten am Imbissstand
Wird die Speise aber im Weitergehen verzehrt (z.B. Speiseeis) oder zum Mitnehmen abgegeben (z.B. Verkauf einer Pizzaschnitte am Fenster), ist der Begriff der Speisewirtschaft (und damit der Gaststätte) nicht erfüllt.
Besonderheiten
Das GastG findet keine Anwendung auf den Heimlieferungsservice, z.B. Pizzaservice, Essen auf Rädern, „Eismann“. Zu beachten sind hierbei aber gewerberechtliche Vorschriften (beispielsweise §§ 55 ff GewO, Reisegewerbe), da in diesen Fällen die Speisen nicht am Ort der Zubereitung verabreicht werden.
Sonderfall Beherbergungsbetrieb
Bei dem Beherbergungsbetrieb liegt die Leistung des Gewerbetreibenden darin, dass er den Gästen Unterkunft und Schlafgelegenheit für vorübergehende Dauer gewährt.
Vorübergehend
Vorübergehend ist neben dem üblichen Aufenthalt in Hotels und Gasthöfen über mehrere Tage auch das Gewähren von Unterkunft über mehrere Wochen.
Beispiele: Erholungsheime, Kurpensionen
Auch die kurzfristige Unterkunft in Ferienwohnungen, Wohnwagen oder Zelten ist ein Beherbergungsbetrieb.
Sonderfall Hotel
Das GastG ist nicht auf den Betrieb von Hotels und sonstigen Beherbergungsbetrieben angewandt werden, sofern sie keine Speisen und Getränke an „Nichtübernachtungsgäste“ abgeben.
Auflagen
Da Auflagen und Anordnungen nach § 5 GastG nur noch gegenüber einem Gaststättenbetrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 GastG ergehen können, darf die Gaststättenbehörde diese gegenüber einem Beherbergungsbetrieb nicht aussprechen.
Anmeldepflicht nach GewO
Trotz der Erlaubnisfreiheit nach dem GastG unterliegen die Betreiber eines Beherbergungsbetriebs weiterhin der allgemeinen gewerberechtlichen Überwachung. Der Beherbergungsbetrieb ist daher nach § 14 GewO anzuzeigen.
Durch die Neuregelungen dürfte es in der Praxis besonders wichtig sein, dass die für die Gewerbeanmeldung nach § 14 GewO zuständige Stelle die Baubehörde, Gaststättenbehörde und ggf. auch die Lebensmittelüberwachungsbehörde von der Aufnahme eines Beherbergungsbetriebs unterrichtet.
Keine Erlaubnis
Da der Beherbergungsbetrieb, in dem keine Schank- und Speisewirtschaft integriert ist, keine Gaststätte darstellt, entfällt die Erlaubnispflicht. Somit kann es auch keine Rücknahme oder keinen Widerruf der Erlaubnis nach § 15 GastG geben.
Erweist sich der Betreiber des Beherbergungsbetriebs aber als unzuverlässig, kann eine Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO in Frage kommen.
Bußgeld
Da der Beherbergungsbetrieb nicht mehr als Gaststätte angesehen wird, gilt die Bußgeldregelung des § 28 Abs. 1 Nr. 1 GastG nur noch für Schank- und Speisewirtschaften.
Gaststätten im Reisegewerbe
Begriffsdefinitionen
Das Gaststättengewerbe kann auch im Reisegewerbe ausgeübt werden.
Eine Gaststätte im Reisegewerbe betreibt, wer
- als Gewerbetreibender
- von einer für die Dauer einer Veranstaltung ortsfesten Betriebsstätte aus
- Getränke oder zubereitete Speisen
- zum Verzehr an Ort und Stelle verabreicht,
wenn der Betrieb jedermann oder bestimmten Personenkreisen zugänglich ist.
Voraussetzungen
Die Schank- oder Speisewirtschaft ist daher dann dem Reisegewerbe zuzuordnen, wenn
- die Voraussetzungen für ein Reisegewerbe nach § 55 Abs. 1 GewO vorliegen und
- die Verkaufstätigkeit in einer für vorübergehende Dauer eingerichteten ortsfesten Betriebsstätte ausgeübt wird, z.B. in einem Festzelt, die nach Art, Anlage und Einrichtung einer Gaststätte im stehenden Gewerbe vergleichbar ist.
Mit „vorübergehende Dauer“ ist die zeitliche Begrenzung der Verkaufstätigkeit gemeint. Eine bestimmte Veranstaltung (z.B. Konzert, Messe, Fußballspiel) muss damit nicht verbunden sein.
Gaststätten im Reisegewerbe
Nach dieser Definition sind Gaststätten im Reisegewerbe
- fahrbare Verkaufswagen,
- abgestellte Verkaufswagen
- Bewirtung in Festzelten sowie
- Wurst- bzw. Bratwurstbuden.
Sofern die Speisen oder Getränke nur im Weitergehen verzehrt werden, liegt kein Gaststättengewerbe vor. Die Tätigkeit ist als Reisegewerbe einzuordnen.
Beispiel: Verkauf von Zuckerwatte ohne Bereithalten von Stehtischen
Das bedeutet
Eine Gaststätte wird im Reisegewerbe betrieben, wenn
- der Gast in oder vor der Betriebsstätte verweilt und
- dort die verabreichten Speisen bzw. Getränke zu sich nimmt.
Nimmt der Kunde die verabreichten Speisen entgegen und verzehrt diese im Weitergehen, ist dies ein Reisegewerbe nach Titel III der GewO.
Verkaufsstände und keine Gaststätten
Diese Art des Zubereitens und Verabreichens von Speisen und Getränken ist zunehmend im Alltag zu beobachten: An bestimmten Tagen und auf bestimmten Plätzen (entweder Privatgrundstücke oder öffentliche Flächen), werden frisch gegrillte Hähnchen und Haxen aus entsprechenden Fahrzeugen heraus zum Verkauf angeboten werden. Dies ist ein Reisegewerbe.
Folgen für die Verwaltungspraxis
Grundsatz Reisegewerbekartenpflicht
Gaststätten im Reisegewerbe unterliegen nach dem Wegfall des § 13 GastG der Reisegewerbekartenpflicht nach § 55 GewO. Nach dem bis zum 13.09.2007 anwendbaren Recht fand Titel III der GewO (Vorschriften über das Reisegewerbe) auf so genannte „Reisegaststätten“ keine Anwendung.
Ausnahme von der Reisegewerbekartenpflicht
Ist bereits eine Erlaubnis erteilt (z.B. Gaststättenerlaubnis oder Gestattung nach dem GastG), ist für den Betrieb der Gaststätte im Reisegewerbe entsprechend § 55 a Abs. 1 Nr. 7 GewO keine Reisegewerbekarte zusätzlich erforderlich.
Gaststättenerlaubnis setzt Zuverlässigkeitsprüfung voraus
Das Erteilen der Gaststättenerlaubnis setzt voraus, dass die Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden (Gastwirt) vom Gewerbeamt geprüft wurde.
Das bedeutet aber auch
Wird eine erlaubnisfreie Gaststätte betrieben, muss der Gastwirt zum Betrieb einer Gaststätte im Reisegewerbe eine Reisegewerbekarte beantragen.
Eckpfeiler für das Gaststättenrecht
Die Kompetenz für das Gaststättenrecht ist zwar durch die Föderalismusreform auf die Bundesländer übergegangen, doch selbst wenn die Länder nun eigene Gaststättengesetze beschließen, können diese die Erlaubnispflicht für „Reisegaststätten“ nach Titel III der GewO nicht mehr abschaffen.
Fazit
- Wird eine Gaststätte im Reisegewerbe betrieben, ist hierfür eine Reisegewerbekarte nach § 55 GewO erforderlich.
- Die Gaststättenerlaubnis nach § 2 GastG ersetzt aber nach § 55 a Abs. 1 Nr. 7 GewO die Reisegewerbekarte.
- Verfügt der Gastwirt über eine Gaststättenerlaubnis, kann er sich im Reisegewerbe auch durch einen „Reisenden“ vertreten lassen, der aber eine Kopie bzw. beglaubigte Abschrift der Gaststättenerlaubnis mit sich führen muss (§ 60c Abs. 2 GewO).