C. Vorvertragliche Aufklärungspflichten

Nach den allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen ist es vor Abschluss eines Vertrages Aufgabe einer jeden Vertragspartei, sich selbst über die Vor- und Nachteile eines Vertragsabschlusses zu informieren. 

In der Literatur und in der Rechtsprechung zum Franchise-Recht ist jedoch allgemein anerkannt, dass einen Franchise-Geber in Abweichung von diesem Grundsatz vor Unterzeichnung des Franchise-Vertrages bestimmte Aufklärungspflichten gegenüber dem Franchise-Nehmer treffen. 

Grund für diese Anforderungen an den Franchise-Geber ist zum einen das Wissensgefälle zwischen den Vertragsparteien: Der Franchise-Geber kennt sein Franchise-System, die einzelnen in den Franchise-Betrieben erzielten Umsätze und damit auch die Erfolgsaussichten seines Franchise-Systems insgesamt und steht dem existenzgründenden Franchise-Nehmer daher mit überlegenem Wissen gegenüber. Zum anderen tätigt der Franchise-Nehmer meist erhebliche Anfangsinvestitionen in seinen Franchise-Betrieb, so dass er erwarten darf, zumindest über die wesentlichen Umstände des Franchise-Systems aufgeklärt zu werden. 

Während in anderen Rechtsordnungen, zum Beispiel in den USA, Spanien und Frankreich, ausdrücklich gesetzliche Regelungen zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers existieren, bestehen in Deutschland - ebenso wie zum Franchise-Vertrag insgesamt - keine Regelungen zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers. 

Die wesentlichen Grundsätze zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers sind vielmehr von der Rechtsprechung erarbeitet worden. Insbesondere vier Entscheidungen des OLG München (Urteil vom 13.11.1987, BB 1989, 865 f.; Urteil vom 16.09.1993, NJW 1994, 667 ff.; Urteil vom 24.04.2001, BB 2001, 1759 ff.; Urteil vom 01.08.2002, BB 2003, 443) stellen die heute noch geltenden Grundsätze zu den vorvertraglichen Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers dar, auf die in der Literatur und von anderen Instanzgerichten immer wieder zurückgegriffen wird. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofes zu den Pflichten eines Franchise-Gebers vor Abschluss eines Franchise-Vertrages ist bis heute nicht ergangen. 

Unabhängig vom genauen Umfang der Aufklärungspflichten besteht jedoch auf der Grundlage dieser Rechtsprechung die einhellige Ansicht in der Literatur und in der Rechtsprechung zum Franchise-Recht, dass grundsätzlich eine Pflicht des Franchise-Gebers existiert, den Franchise-Nehmer vor Abschluss des Franchisevertrages über das Franchise-System aufzuklären.

Die Aufklärungsbedürftigkeit des Franchise-Nehmers kann im Einzelfall nur dann entfallen, wenn der Franchise-Nehmer bereits unternehmerisch in derselben Branche tätig ist und das Franchise-System des Franchise-Gebers kennt. Dies kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sich ein ehemaliger Angestellter des Franchise-Gebers nunmehr als selbständiger Franchise-Nehmer betätigt. 

Im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärungspflichten muss zwischen unrichtiger und unterlassender Aufklärung durch den Franchise-Geber unterschieden werden. 

Die Haftung des Franchise-Gebers für vor Vertragsabschluss abgegebene falsche Erklärungen (Täuschung) ist keine spezifische Frage des Franchise-Rechts. Es ist im Zivilrecht allgemein anerkannt, dass eine Vertragspartei nicht durch wahrheitswidrige Behauptungen die andere Vertragspartei zum Abschluss eines Vertrages bestimmen darf.

Davon zu unterscheiden ist im Bereich des Franchise-Rechts, welche Informationen über das Franchise-System der Franchise-Geber seinem künftigen Franchise-Nehmer vor Abschluss des Vertrages ungefragt zu erteilen hat (sog. „echte“ Aufklärungspflichten). Soweit im folgenden einzelne Grundsätze der vorvertraglichen Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers dargestellt werden, beziehen sich diese auf die sog. echten Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers.

1. Zeitpunkt/ Entstehen

Ungeklärt ist der Zeitpunkt, zu dem die Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers entstehen. Teilweise wird gefordert, diesen Zeitpunkt sehr weit nach vorn zu verlagern, so dass die Aufklärungspflichten bereits mit dem ersten Kontakt zwischen den Vertragsparteien entstehen (Flohr, Franchiserecht, 2002, Rn. 119). 

Dies dürfte jedoch zu weit gehen und den Franchise-Geber, der noch gar nicht weiß, ob es sich um einen wirklichen Interessenten für sein Franchise-System handelt, übermäßig belasten. Unberührt davon bleibt, dass auch bereits zu diesem Zeitpunkt der Franchise-Geber im Rahmen des vorvertraglichen Schuldverhältnisses keine falschen Angaben zu seinem System machen darf, die den Franchise-Nehmer zum Abschluss des Franchise-Vertrages verleiten könnten.

Zutreffend dürfte es im Ergebnis sein, dass die erforderlichen, ungefragt zu erteilenden Informationen bei Eintritt in ein konkretes vorvertragliches Stadium in einem angemessenen Zeitraum vor Vertragsunterzeichnung abzugeben sind. Angemessen ist dieser Zeitraum nur dann, wenn der Franchise-Nehmer ausreichend in die Lage versetzt wird, die erteilten Informationen und übergebenen Unterlagen vor Abschluss des Vertrages zu prüfen bzw. prüfen zu lassen.

Eine Frist von vier Wochen vor Vertragsabschluss sollte angemessen sein. Die Leitsätze des Deutschen Franchise-Verbandes e.V., der Organisation der deutschen Franchise-Geber, sehen eine Frist von zehn Tagen vor.

2. Umfang

Mangels gesetzlicher Regelungen sind die Grundsätze zum Umfang der vom Franchisegeber ungefragt zu erteilenden Informationen durch die Rechtsprechung entwickelt worden. 

Diese Grundsätze stellen den Maßstab für die Reichweite der Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers dar, sofern sich der Franchise-Geber nicht selbst weitergehenden Aufklärungspflichten unterworfen hat. 

Dies kann zum Beispiel durch eine Bezugnahme auf den Europäischen Verhaltenskodex geschehen, der von der European Franchise Federation (EFF) herausgegeben und in Abstimmung mit der EG-Kommission und den nationalen Franchise-Verbänden erarbeitet wurde.

Auch der Deutsche Franchise-Verband e. V. hat diesen Ethikkodex für seine Mitglieder übernommen. Nach Ziffer 3.3 des Kodexes soll Franchise-Nehmern innerhalb einer angemessenen Frist vor der Unterzeichnung des Franchise-Vertrages ein Exemplar des gültigen Verhaltenskodexes sowie die vollständige und genaue schriftliche Offenlegung aller für das Franchise-Verhältnis wichtigen Informationen und Unterlagen übergeben werden, um es ihnen zu ermöglichen, jede bindende Abmachung in voller Kenntnis der Sachlage zu treffen.

Darüber hinaus hat der Deutsche Franchise-Verband e.V. folgende Richtlinien aufgestellt, die im einzelnen auf der Internetpräsenz <link http: www.dfv-franchise.de>www.dfv-franchise.de eingesehen werden können.

Diese Richtlinien sehen folgende Leitsätze vor:

 

  • Bereits in der Phase der Vertragsverhandlungen und der auf den Abschluss gerichteten Verhandlungen und Gespräche entsteht ein vorvertragliches Vertrauensschuldverhältnis, in dessen Rahmen die Parteien im besonderen Maße zur Offenlegung der für die spätere Zusammenarbeit erheblichen Informationen gegenüber dem anderen Teil verpflichtet sind.
  • Franchise-Geber, die Existenzgründer als Franchise-Nehmer werben, unterliegen besonders hohen Anforderungen an die vorvertragliche Aufklärungspflicht.
  • Der Franchise-Geber ist zur Offenlegung und Erläuterung der Erfolgsaussichten der Konzeption sowie zur Angabe von wahrheitsgemäßen Zahlen und Informationen über den Arbeits- und Kapitaleinsatz des Franchisenehmers verpflichtet.
  • Der Franchise-Geber soll eine auf den bisherigen Erfahrungen von Franchise-Betrieben bzw. Pilotbetrieben beruhende Kalkulationsgrundlage liefern und den Franchise-Nehmer-Interessenten in die Lage versetzen, die erforderlichen Aufwendungen abzuschätzen, den Zeitraum der Anfangsverluste zu übersehen und die Chance der Gewinnrealisierung reell beurteilen zu können.
  • Der Franchise-Geber soll dem Franchise-Nehmer-Interessenten vor Unterzeichnung von bindenden Abmachungen Einblick in das Handbuch gewähren.
  • Der Franchise-Nehmer-Interessent soll die Möglichkeit haben, den Franchise-Vertrag sowie die weiteren Unterlagen (mit Ausnahme des Handbuchs) in einem angemessenen Zeitraum von mindestens zehn Tagen vor Vertragsunterzeichnung zu überprüfen bzw. überprüfen zu lassen.
  • Alle Informationen müssen wahr, unmissverständlich und vollständig sein.
  • Die Offenlegung der Information soll schriftlich oder in anderer dokumentierter Form in deutscher Sprache erfolgen. 

Soweit es zu keiner Selbstbindung des Franchise-Gebers an die vorstehenden Grundsätze gekommen ist, bestehen unabhängig davon nach der Rechtsprechung Aufklärungspflichten des Franchise-Gebers zu folgenden Punkten:

 

  • Wirkungsweise und Erfolgsaussichten des Franchiseä-Systems
  • Angaben über den erforderlichen Arbeits- und Kapitaleinsatz in der Anlaufphase bis zum „break-even“
  • Zahlenangaben über vergleichbare Franchise-Betriebe des Systems
  • Art- und Werthaltigkeit des übertragenden Know-how

Aufgrund der Einordnung des Franchise-Nehmers als selbständiger Unternehmer hat der Franchise-Geber darüber hinaus jedoch keine Gewähr für die Rentabilität des Betriebs des Franchise-Nehmers zu übernehmen. Erforderlich ist allein, dass der Franchise-Nehmer nach obigen Grundsätzen umfassende Informationen zur Verfügung gestellt bekommt, mit deren Hilfe er die Rentabilität seines geplanten Franchise-Betriebs berechnen kann. 

Umstritten ist schließlich, ob der Franchise-Geber die Erteilung einer Standortanalyse mit allen relevanten Eckdaten des vom Franchise-Nehmer geplanten Betriebes (Bevölkerungsstruktur und -zahl, Lage des Franchise-Outlets, bestehende Konkurrenzbetriebe, sonstige Vor- und Nachteile des vorgeschlagenen Betriebes) im Rahmen der vorvertraglichen Aufklärung schuldet. 

Aufgrund der jüngst ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofes vom 24.02.2005 (Az.: III ZB 36/04), in dem der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dass es sich auch bei dem existenzgründenden Franchise-Nehmer um einen selbständigen Unternehmer handelt, dürfte dies nur noch schwer zu vertreten sein. In der unterinstanzlichen Rechtsprechung ist in der Vergangenheit die Frage, ob der Franchise-Geber vor Abschluss des Vertrages von sich aus eine Standortanalyse zu erteilen hat, unterschiedlich beantwortet worden (dafür: OLG Köln, Urteil vom 16.05.1994 - Az.: 2 W 14/94; dagegen: LG Berlin, Urteil vom 28.05.1990 – 32 O 196/99).

3. Rechtsfolge bei Verletzung

Sind durch den Franchise-Geber die vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt worden, stehen dem Franchise-Nehmer unterschiedliche Ansprüche und Rechte gegen den Franchise-Geber zu. 

Grundsätzlich besteht zunächst die Möglichkeit, den Franchise-Vertrag wegen arglistiger Täuschung gemäß § 123 BGB anzufechten. Der Franchise-Nehmer kann damit durch einseitige Willenserklärung gegenüber dem Franchise-Geber den Franchise-Vertrag rückwirkend beseitigen, so dass er Rückzahlung aller auf der Grundlage des Franchise-Vertrages geleisteten Zahlungen verlangen kann, wobei sich der Franchise-Nehmer allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 1995, S. 722 ff. - „Ceiling Doctor“) bereicherungsmindernd alle Aufwendungen des Franchise-Gebers, die ihm unmittelbar gegenüber erbracht worden sind, anrechnen lassen muss.

Neben der Möglichkeit der Anfechtung bestehen Schadensersatzansprüche des Franchise-Nehmers aus culpa in contrahendo (c.i.c.) gemäß § 311, 280 BGB. Der Franchise-Nehmer ist danach vom Franchise-Geber so zu stellen, als ob er den fraglichen Franchise-Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wird im Falle der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten vermutet, dass der Geschädigte bei aufklärungsrichtigem Verhalten des Schädigers den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Der Franchise-Nehmer kann daher alle Aufwendungen, die er im Rahmen seines Franchise-Betriebes getätigt hat, vom Franchise-Nehmer unter Abzug der erzielten Einnahmen ersetzt verlangen.

Dazu zählen die gegenüber dem Franchise-Geber gezahlte Eintrittsgebühr sowie die geleisteten laufenden Franchise-Gebühren. Auch Verbindlichkeiten gegenüber Dritten sind Bestandteil des Schadensersatzanspruches und daher vom Franchise-Geber zu ersetzen. Dies sind zum Beispiel Investitionen in das Ladengeschäft und die Geschäftsausstattung, betriebsbedingte Aufwendungen für Miet-, Pacht-, Leasing-, Arbeits- und Dienstverträge, Zinsen und Kosten von betriebsbedingten Darlehen sowie die Kosten für die Inanspruchnahme von Steuerberatern oder die Kosten für öffentlich-rechtliche Genehmigungen.

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