FairPhone Erörterung | Mehr Vor- oder Nachteile?

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Das FairPhone aus den Niederlanden

Die Initiatoren des FairPhones haben die Spezifikationen ihres fair(er) gehandelten Smartphones vorgestellt. Ganz bis zu Spitze reichen die Werte nicht, doch was die Niederländer vorstellen, ist gehobene Mittelklasse für ein gutes Gewissen zum erwartet günstigen Preis. Wird es uns zum Umdenken bringen?

Geht es um die Produktion eines Smartphones und die Gewinnung der Rohstoffe dafür, halten wir am liebsten Augen und Ohren zu. Nicht schön das alles, aber was können wir als einzelner schon daran ändern? Dass wir doch etwas tun können und es gar nicht einmal teuer sein muss, beweist derzeit der Niederländer Bas van Abel mit seinem kleinen Team von Mitstreitern. Wie im April angekündigt wollen Abel und seine Mannschaft noch in diesem Jahr das FairPhone veröffentlichen.

Das Telefon wäre fairer gehandelt als die Modelle der Konkurrenz von Apple bis Samsung und soll nur 325 Euro kosten. Dass es auch technisch in den meisten Bereichen mithalten kann, beweisen die Spezifikationen und Designs , die FairPhone nun veröffentlicht hat . Das Projekt wird uns in Entscheidungsnot bringen: Wir haben bald die Möglichkeit, ein fairer gehandeltes Telefon zu einem vernünftigen Preis zu kaufen. Werden wir bereit sein, dafür einige Nachteile in Kauf zu nehmen?

Die Rückansicht erinnert ein klein wenig an iPhone 5 und HTC One: Schwarzes Plastik mit abgestuftem, grauen Metallrahmen. Es wirkt mit 9,8 Millimetern Dicke etwas klobiger als die Modelle der Konkurrenz und mit einem 4,3-Zoll-Bildschirm etwas kleiner - wobei gerade diese Größe vielen Kunden gut schmecken dürfte, die dem Größenwahn bei Smartphones nichts abgewinnen können. Ein Pluspunkt des FairPhones ist die Unterstützung von zwei SIM-Karten (Dual SIM). Interessant: Neben dem vorinstallierten Android 4.2 soll das FairPhone auch mit Firefox OS und Ubuntu for Phones laufen können.

Die verbaute 8-Megapixel-Hauptkamera mit Autofokus und Blitzlicht, der 16 GB-Speicher (erweiterbar) und der natürlich austauschbare 2.000-mAh-Akku sind solider Standard. Die Kamera soll auch Serienbildaufnahme unterstützen. Die Videoaufnahme ist mit 720p und 30 fps möglich. Nicht unbedingt zum Besten scheinen die Frontkamera (1,3 Megapixel) und die Auflösung 960 x 540 Pixel zu gehören. Es fehlen ein LTE-Modul sowie ein Gyroskop (Nachtrag: Fairphone hat die Specs nachträglich korrigiert: es ist doch eins dabei), und mit 165 Gramm ist das FairPhone nicht gerade ein Leichtgewicht. Auf eine Gestensteuerung wie beim Galaxy S3/S4 muss man verzichten, Stereo-Frontlautsprecher wie im HTC One darf man natürlich auch nicht erwarten. Keine Frage: Das FairPhone gehört nicht zu den besten seiner Klasse, lässt den grauen Durchschnitt dafür aber klar hinter sich. Für 325 Euro ist es eigentlich ein guter Fang. Vorbestellungen nehmen die Niederländer ab sofort entgegen, ausgeliefert werden soll das FairPhone im September.

Wie fair ist das FairPhone?

Wichtigste Frage: Bekomme ich dann wirklich ein fair gehandeltes Phone, das die Welt ein wenig besser macht? So einfach ist es leider nicht. Die Initiatoren sprechen selbst nur von einem "fairer Phone" und sie geben selbst zu, dass ein komplett fair gehandeltes Phone im ersten Jahr der Produktion nicht möglich sein wird. Worauf man aber bei der Rohstoffgewinnung achte, sei ein "konfliktfreies" Material. Man stelle sicher, dass etwa das verwendete Zinn nicht aus einer Krisenregion stamme. Hier greift man auf ein OECD-gefördertes Projekt der niederländischen Regierung mit der Regierung der Demokratischen Republik Kongo zurück: die " conflict-free tin initiative ", der sich übrigens auch Motorola und Blackberry angeschlossen haben. Dadurch dass der Abbau des Metalls in der Mine staatlich kontrolliert wird, habe sich die Situation für die Arbeiter deutlich verbessert. Das sei der erste Schritt, so die FairPhone-Initiatoren; erst im nächsten allerdings könne man auch einen fairen Handel mit den Materialien anstreben.

Beim Zusammenbau arbeitet FairPhone mit der Organisation LaborVoices zusammen, um die Arbeitsbedingungen am Band zu verbessern. Bei der Entsorgung kooperiert man mit der Initiative Closing the Loop . Ein weiteres Merkmal sei schon der Bau des Phones mit austauschbaren Komponenten und möglichst langer Haltbarkeit. Ferner achte man auf fairen Handel und Transparenz - ohne leider genau zu erklären, wie man das erreichen will. Wichtig sei, dass Kunden erführen, wie sich die Kosten eines Phones zusammensetzen.

Mit dem Kauf eines FairPhones ist es nicht getan

Ganz fair ist das FairPhone also bislang noch nicht. Aber immerhin: van Abel und sein Team propagieren Transparenz, sie setzen sich für bessere Bedingungen ein und leben sie bereits ein Stück weit. Das FairPhone wäre aktuell also zumindest das fairste Phone, das man vorbestellen kann. Um die Bedingungen weiter zu verbessern und auch die großen Hersteller zum Umdenken zu zwingen, ist ein Erfolg des ersten FairPhones wichtig. Noch wichtiger allerdings, dass es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt und es nicht zu einer Grünwaschung kommt: Zertifikate, wie grün, fair und nachhaltig man arbeitet, kann man sich auch kaufen. Wirklich etwas zu tun, ist deutlich teurer. Das gilt übrigens auch für die Kunden: Der Kauf eines FairPhones reicht noch lange nicht, um das Gewissen zu beruhigen. Es liegt weiterhin einiges im Argen und der Kauf eines etwas fairer gehandelten Telefons kann da nur der erste Schritt sein. Wer sich ein FairPhone kauft, geht seinerseits einen Pakt ein: Es muss damit gleichzeitig zum Botschafter für eine fairere Sache werden.

Und wir? Was machen wir jetzt? Wir haben bald die Möglichkeit, ein fairer gehandeltes Phone zu kaufen. Es wird technisch etwas schwächer ausgestattet sein als die besten des Marktes. Werden wir es kaufen? Oder werden wir doch die hundert Euro mehr investieren, um ein Highend-Gerät mit noch besseren Funktionen und frischerer Optik zu bekommen? Zumindest zum Nachdenken wird das FairPhone uns bringen: Wir haben künftig endlich die Möglichkeit, mit einem Kauf für bessere Bedingungen bei der Smartphone-Produktion zu werben. Das Argument, dass man ja doch nichts tun kann, gilt dann nicht mehr.

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