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Mittelstand

Unternehmenswachstum

Mit einem Organigramm über die zweite unternehmerische Wachstumshürde

In der Genese einer Unternehmensentwicklung sind einige markante

Stationen mit besonderen Herausforderungen zu meistern. Neben der

Gründungs- und Aufbauphase ist der Übergang von einem kleinen zu einem

mittleren Unternehmen ein solch kritischer Wendepunkt. Diese "zweite

unternehmerische Wachstumshürde" ist meist bei

einer Unternehmensgröße zwischen fünf bis 30 Mitarbeitern anzugehen und

zu überwinden.

Vielen Unternehmern ist nicht bewusst, dass die Konzeption eines geeigneten Organigramms an dieser Stelle eine wichtige Hilfestellung für die nächste Stufe sein kann. In Unternehmen mit bis zu fünf Mitarbeitern macht ein Organigramm wenig Sinn. Die Strukturen sind klar, jeder kennt seine Position: es gibt einen Chef, das Team und gegebenenfalls noch jemanden, der den Chef bei Abwesenheit vertritt.

Erst die strategische Ausrichtung, dann die Struktur

Mit zunehmender Größe wachsen die Reibungsverluste durch unklare Kommunikationsabläufe und Verantwortlichkeiten. Und zwar nicht linear, sondern exponentiell. Aus diesem Grund ist es wichtig, die Strukturen möglichst beim ersten Auftreten solcher Reibungsverluste zu klären. Der Zweck eines Organigramms ist somit typischerweise der, die Kommunikation über den Aufbau und die Abläufe im Unternehmen zu erleichtern.

Dabei gilt: "Structure follows strategy". Das heißt, solange Ihr Unternehmen alles macht und als überdimensionierter Bauchladen daher kommt, können Sie kein vernünftiges Organigramm zeichnen. Zuerst kommt also die klare strategische Ausrichtung.

Vorausschauend strukturieren

Gerade bei wachsenden Unternehmen wird man immer wieder mit dem Einwand konfrontiert, dass die Zeichnung eines Organigramms keinen Sinn macht, weil es in einem halben Jahr schon wieder überholt sei. Das bedeutet für das unternehmerische Selbstverständnis, dass praktisch binnen Jahresfrist ein anderes Unternehmen entstünde. Wie aber sollen Mitarbeiter bei einer solchen Planung mitkommen? Orientierungslosigkeit und Verwirrung auf Mitarbeiterseite sind vorprogrammiert.

Hier hilft ein kleiner Trick: Planen Sie Ihr Unternehmen mit Blick auf die Zukunft und zeichnen Sie Ihr Organigramm so, wie Ihr Unternehmen in drei Jahren aussehen soll. Angenommen, Sie möchten in diesem Zeitraum von fünf auf 30 Mitarbeiter expandieren. Besetzen Sie die Felder nicht mit konkreten Mitarbeitern, sondern mit Rollen, die die Teammitglieder einnehmen sollen. Für jede Rolle beschreiben Sie das Aufgabenfeld und die geplanten Kommunikationswege im Unternehmen.

Finden Sie dann heraus, welche Rollen Sie schon jetzt besetzen und verteilen Sie die fünf Mitarbeiter auf die 30 Rollen. Jeder Mitarbeiter nimmt aktuell also mehrere Rollen ein. Wenn nun Mitarbeiter wechseln oder sich ihre Aufgabenbereiche verschieben, bleiben Rollen und Abläufe weitestgehend konstant.

Die Vorteile dieses Konzepts: Sie müssen nicht jährlich umstrukturieren, sondern gestalten eine zukunftsfähige Struktur, die auch in drei Jahren noch trägt. Ihre Umstrukturierungskosten sinken drastisch, und Ihre Mitarbeiter wissen verlässlich, wo der Zug hinfährt.---NEUE-SEITE---Von oben nach unten oder von unten nach oben

Im Prinzip gibt es zwei klassische Modelle eines Organigramms. Im ersten ist der Chef oben, darunter finden sich die Mitarbeiter und eventuell noch Zwischenstufen verschiedener Managementebenen. Das zweite klassische Modell wurde in den 80er Jahren entwickelt und geht von einem anderen Führungskonzept aus. Danach wird Führung als Dienstleistung verstanden. Dementsprechend wird das Organigramm umgedreht, der Chef ist der unterste Dienstleister, darüber folgt wieder die Managementebene, ganz oben finden sich die Mitarbeiter. Einmal abgesehen davon, dass dies dem Selbstverständnis der meisten Manager und Unternehmer entgegen steht, ist die Rolle des Unternehmers nicht die, seinen Mitarbeitern Dienste zu erbringen. Aus meiner Sicht sind beide Modelle nur von begrenztem Nutzen.

Der Kunde im Zentrum

Viele Unternehmen behaupten, ihr Kunde sei König. Wenn Sie sich so einen richtigen klassischen König vorstellen und dann ein Organigramm zeichnen, in dem der König nicht auftaucht, dürfte er, sagen wir mal, unglücklich sein. Ähnlich wird es Ihren Kunden gehen, wenn sie sich nicht wiederfinden.

Ein Organigramm, bei dem der Kunde - je nach grafischer Gestaltung - oben oder im Zentrum steht, kann ein wichtiges Hilfsmittel zur kundenorientierten Ausrichtung des Unternehmens sein. Die Leitfrage für jeden Mitarbeiter und für jede Abteilung nach dem Kundenutzen wird so visualisiert. Zugleich bietet diese Darstellungsweise einen wichtigen Schutz gegen die überbordende Ausbildung von Stabs- und Managementstellen. Je näher die Position am Kunden liegt, desto wichtiger ist der Mitarbeiter für Ihr Unternehmen.

Stärken der Mitarbeiter

Eine gute Unternehmenskultur orientiert sich an den Stärken der einzelnen Teammitglieder. Aus dem Sportcoaching entlehnt ist ein Modell, das die Stärken der Mitarbeiter in einem Organigramm einträgt. So werden z.B. bei einem Fußballteam statt der Namen die jeweiligen Stärken auf einem Fußballfeld eingetragen. Dann steht oben links z.B. "gute Flanken" und unten in der Mitte "zweikampfstark" etc. Übertragen Sie diese Idee auf Ihr Organigramm. Dann steht vielleicht beim Telefondienst die Stärke "Freundlichkeit", beim Support fällt die "Schnelligkeit" ins Auge. Achten Sie darauf, dass im öffentlichen Organigramm ausschließlich die realen Stärken der Mitarbeiter zum Ausdruck kommen. So finden sich die Mitarbeiter selbst im Organigramm eher wieder und können sich damit identifizieren. Bei den Kollegen erfährt man, wo deren Stärken liegen. Mindestens dieser Teil muss also gemeinsam erarbeitet werden. Gerade für neue Kollegen ist dies ein wichtiges Indiz, es ergibt sich sozusagen eine Art selbst erfüllende Prophezeiung.

Aus Unternehmersicht macht es Sinn, zusätzlich ein zweites inoffizielles Stärkenorganigramm erstellen, das die Wunschstärken enthält. Dies kann bei der Neueinstellung von Mitarbeitern wertvolle Dienste leisten.---NEUE-SEITE---Die Rolle des Unternehmers

Wenn bereits der Kunde im Mittelpunkt des Organigramms steht, kann dort nicht auch der Unternehmer stehen. Das wird manchem nicht gefallen, zeigt aber, dass ein Organigramm auch ein wichtiges Instrument sein kann, das Selbstverständnis des Unternehmers zu hinterfragen. Und gerade dieses bildet einen der entscheidenden Engpässe bei der zweiten unternehmerischen Wachstumshürde. Die Aufgabe des Unternehmers ist es, nicht IM System, sondern AM System zu arbeiten. Die logische Konsequenz für das Organigramm: Der Unternehmer taucht hier überhaupt nicht auf!

Der Unternehmer ist neben dem Organigramm abzubilden, weil er das System und dessen Bezug zur Umwelt steuert. Immer dann, wenn der Unternehmer Teil des Organigramms ist, besteht Überarbeitungsbedarf. In der Übergangszeit des Wachstums kann die Person des Unternehmers natürlich Mitarbeiter-Rollen übernehmen und innerhalb der Struktur agieren. Aber von vorneherein muss klar sein, dass das Aufgabenfeld des Unternehmers nicht innerhalb des Organigramms liegt.

Die Grenzen des Organigramms

Auch Organigramme haben ihre Grenzen und dürfen nicht überstrapaziert werden. Die Grenzen zeigen sich, wenn man beginnt, ins Detail zu gehen und über Prozessabläufe zu sprechen. Wer spricht mit wem über was? Dabei wird sich zeigen, dass der aus Kundensicht effektivste Weg oft nicht der ist, der mit dem Organigramm konform geht. Und dennoch bildet das Organigramm eine gute Ausgangsbasis, um überhaupt über Prozessabläufe sprechen zu können. Eine weitere Grenze zeigt sich bei der Zunahme von Projektstrukturen innerhalb von Unternehmen. Wenn auf Sicht von einem halben Jahr oder Jahr Projektteams mit einer eng umgrenzten Aufgabe gebildet werden, dann findet sich dies natürlich nicht im Organigramm und gehört dort auch nicht hinein. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass eine schematische Darstellung nie die ganze Wirklichkeit abbildet.

Aber gerade bei der zweiten Wachstumshürde ist die Abbildung der halben Wirklichkeit schon mal besser als nichts. Und - im Vergleich zu kompletten Prozessübersichten und Organisationshandbüchern  - ist die Zeichnung schnell erstellt und bildet einen guten Einstieg für mehr Klarheit in Unternehmen.

Autor: Stefan Merath

Stefan Merath (Google+) hat Philosophie, Psychologie, Publizistik und Informatik studiert und war Anfang der 90er Jahre als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Berlin tätig. Seit nunmehr 10 Jahren ist er Unternehmer aus Leidenschaft, kennt somit nahezu alle Probleme und Höhepunkte des Unternehmerlebens. Seit einigen Jahren gibt er diese Erfahrungen als gefragter Unternehmercoach an Unternehmer weiter.

Der Diplom-Soziologe hat zahlreiche Coaching- und Positionierungsweiterbildungen absolviert, ist begeisterter Sachbuchleser und gilt zudem als Experte für erfolgreiches Franchising.
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