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Tiny Habits: Die Macht der kleinen Gewohnheiten

Mike Kline bei flickr.com (CC BY 2.0)

Regelmässig nach der Arbeit neue Aufgabenlisten vorbereiten, die tägliche Pflege mit Zahnseide oder das Durchführen von einfachen Dehnübungen am frühen Morgen: Sich Gewohnheiten anzueignen und Verhalten langfristig zu ändern ist eine Kunst und will geübt sein. Durch das Trainieren von drei kleinen Gewohnheiten habe ich das System «Tiny Habits» ausprobiert und bin über die Ergebnisse erstaunt.

Gastautor: Flavio Loetscher, Psychologie-Student und Entrepreneur

Der Mensch ist ein Gewohnheitstier , das wissen wir. Handlungsmuster und Schemata kurzfristig zu ändern ist eine Sache; Verhalten langfristig zu beeinflussen eine andere. Etliche Blogs berichten über gesteigerte Produktivität und Selbstverbessern durch das Üben von Gewohnheiten («Habits»). Man denke hier an Leo Babauta mit Zen to Done ( von imgriff.com ins Deutsche übersetzt ). Mit seinem Blog zenhabits.net hat er es an die Spitze geschafft und trifft mit seinen Gedanken den Zeitgeist.Auch ist beim Stichwort «Habits» an die Quantified-Self-Bewegung zu denken, bei der es darum geht, Zustände, Gewohnheiten und allerlei Prozesse zu messen und zu verbessern. Und wem ist die 21-Tage-Regel für neue Gewohnheiten kein Begriff?

BJ Fogg, Direktor des Persuasive Tech Lab an der Stanford University studiert seit 18 Jahren menschliches Verhalten und denkt, dass nur drei Faktoren Verhalten langfristig verändern können.

Option A: Epiphany/Offenbarung

Option B: Umwelt/Umfeld verändern

Option C: «Babysteps» machen

Mit Optionen A und B sei schwer zu rechnen. Die letzte Option allerdings verspricht Einiges. Deshalb hat Fogg « Tiny Habits » entwickelt - ein Modell und Online-Programm, um neue Gewohnheiten zu lernen und Verhalten zu verändern. Bis dato haben schon knapp 15'000 Menschen das Programm erfolgreich abgeschlossen und berichten Interessantes .

Strikt nach «Rezept» trainieren

So funktioniert Tiny Habits: Während fünf Tagen werden in kleinen Schritten mithilfe von kurzen Leitsätzen («Rezepten») neue Gewohnheiten antrainiert. Dabei gilt für diese Sätze das Format

Nachdem ich {vorhandene Verhaltensweise}, werde ich {neue Verhaltensweise }

Ich habe mir zum Beispiel vorgenommen, nach jedem Zähneputzen dreimal tief ein- und auszuatmen und mich kurz zu entspannen. Mein Beispiel würde folglich so aussehen:

Nachdem ich meine Zähne geputzt habe, werde ich dreimal tief atmen. 

Eine weitere Verhaltensweise habe ich mir nach dem Aufwachen bzw. vor dem Essen antrainiert. Letztere beinhaltet das bewusste Wertschätzen und Geniessen der Mahlzeit. Und das «Rezept» morgens, direkt nach dem Ausschalten des Weckers, sieht bei mir so aus:

Nachdem ich den Wecker ausgeschaltet habe, werde ich eine Rücken-Dehnübung durchführen.

Bis anhin hat es mit meinen kleinen Gewohnheiten gut geklappt, und ich konnte sie automatisieren. Nur mich an die Dehnübung früh morgens zu halten, fällt mir ab und zu noch schwer, was sicher auch daran liegt, dass diese Gewohnheit nur einmal täglich ausgeführt wird. Vielleicht sollte ich damit aufhören und stattdessen diesen «Anker» durch eine einfacher ausführbare Gewohnheit ersetzten.

Für die neuen Verhaltensweisen sind gemäss Fogg drei wichtige Punkte zu beachten:

  • Dauer: kürzer als 30 Sekunden in der Ausführung (je kürzer, desto besser)
  • Aufwand: Habits fordern wenig Anstrengung (je simpler, desto besser)
  • Frequenz/Häufigkeit: Neue Verhaltensweise ist mindestens einmal täglich durchführbar (je öfter, desto effektiver)

Auch hier gilt das Prinzip «simple is powerful». Meine erste Gewohnheit (3x tief atmen nach Zahnpflege) versucht diesen Regeln Rechnung zu tragen. Die Handlung ist dabei

  • schnell und überall durchführbar (Dauer)
  • einfach und ohne Hilfsmittel praktizierbar (Aufwand)
  • wird sicher mindestens zweimal täglich durchgeführt (Frequenz/Häufigkeit)

Wer sich noch wenig darunter vorstellen kann, sollte einen Blick auf die Beispiele von Fogg werfen.

Bestehende Muster dienen als Anker

Die Idee hinter dem Tiny-Habits-Konzept ist, dass neues Verhalten auf schon existierenden, automatisierten Handlungsmustern aufbaut, die zugleich als Gedächtnisanker dienen. Die Erfahrungen der Tiny-Habits-Nutzer zeigen: Der Schlüssel für ein gutes «Rezept» ist, einen starken Anker zu finden, sodass auf eine logische Art und Weise das neue Verhalten ausgelöst wird.

Um die besten Anker zu finden, schlägt der Autor vier Punkte vor:

  1. Verlässlichkeit: Wähle Anker, die oft oder immer da sind und Teil des Alltags sind (Schuhe binden, Zähneputzen etc.)
  2. Konkretheit: Anker sollen eine konkrete Handlung darstellen (nicht: «nach dem Essen» sondern «nach dem Teller Waschen»)
  3. Übereinstimmung Anker - Frequenz: Anker bestimmen, wie oft das neue Verhalten trainiert wird (Schuhe binden vielleicht nur einmal täglich; Zähneputzen löst die Tiny Habit 2-3x täglich aus).
  4. Kontextbezug: Gute Anker passen inhaltlich gut zur neuen Gewohnheit und können am selben Ort durchgeführt werden (z.B. nach dem Wecker Stellen eine Dehn- oder Entspannungsübung).

Werden diese Punkte eingehalten, kann man in kleinen Schritten neue Gewohnheiten trainieren. Sind positive Emotionen involviert, beschleunigt sich der Prozess und macht erst noch mehr Spass. Es zeigt sich also, dass mit ein wenig Übung, den richtigen Ankern und einfach ausführbaren Handlungen Verhalten verändert und automatisiert werden kann. Ich bin gespannt, wie nachhaltig meine eingeübten Gewohnheiten schlussendlich wirklich sind...

Hast du Erfahrungen mit Tiny Habits gemacht? Welche Strategien helfen Dir, Verhalten zu ändern?

 

Bild: Mike Kline bei  flickr.com  (CC BY 2.0)

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