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Mehr Achtsamkeit

Burn-out erkennen und vorbeugen

Mal entspannende Dinge machen Wie ging das nochmal mit dem Entspannen?

Unser Wirtschaftswachstum, ein ständiges Ansteigen der Anforderungen an jeden Einzelnen in allen Bereichen, eine tägliche Informationsflut, soziale Vereinsamung und Vereinzelung, globale Krisen und Ereignisse, schlechte Prognosen für Klima und Umwelt, all das lässt uns nicht kalt und fordert seinen Tribut.

In Deutschland nehmen Burnout und Depressionen immer weiter zu.

Das kennt man von Menschen in Bekanntschaft und Familie, aber auch von prominenten Fällen. Gefragt nach den Ursachen, nennen unsere Krankenkassen: hohen beruflichen Leistungsdruck, aber auch Freizeitstress. Als Drittes die Anstrengung, berufliche Anforderungen und persönlich-private Befürfnisse harmonisch zu vereinbaren.  

Wie der Einzelne darauf reagiert, ist höchst unterschiedlich. Das ist natürlich zuallererst eine Frage der Veranlagung und des Charakters. Nach dem Motto "Glücklich ist, wer vergisst", hat es derjenige prinzipiell leichter, der auch mal abschalten kann und nicht immer alles so wichtig nimmt. Aber auch den kann es treffen: Wenn verschiedene Umstände zusammenkommen und die Belastung einfach zu groß wird. Wichtig ist, mehr Achtsamkeit dafür zu entwickeln, dass es bei jedem Menschen Grenzen für die Belastbarkeit gibt. Was sind die ersten Symptome für ein herannahendes Ausgebranntsein, das sogenannte "Burn-out"?

Schleichender Prozess

Gudrun Ahlers von der Techniker Krankenkasse sagt: "Burn-out, oder Ausbrennen, ist ein langsamer, schleichender Prozess und verläuft in der Regel in mehreren Stufen." Es beschreibt einen Zustand des Ausgebranntseins, der Erschöpfung, des Leistungsabfalls und der inneren Leere. Unterschiedliche Beschwerden gehen mit dem Syndrom einher.

Über einen längeren Zeitraum entwickeln und verändern sich die Beschwerden. Das Syndrom verläuft in verschiedenen Phasen.

Anfangsphase: Unentbehrliche Mitarbeiter

In der Anfangsphase zeigen viele Betroffene ein sehr hohes Engagement für ihre beruflichen Ziele. Sie fühlen sich im Job unentbehrlich und verleugnen eigene Bedürfnisse, um ihre Aufgaben zu erfüllen. Gleichzeitig haben sie das Gefühl, nie Zeit zu haben, und sind ständig müde und erschöpft. Es gelingt ihnen immer weniger, sich in ihrer ohnehin knapp bemessenen freien Zeit von der beruflichen Belastung zu distanzieren und zu erholen.

Später reduzieren die Betroffenen dann ihren beruflichen Einsatz. Sie können sich nicht mehr so gut in andere einfühlen und verlieren positive Gefühle gegenüber ihren Klienten und Kollegen. Dabei fühlen sie sich nicht ausreichend anerkannt und ausgebeutet. Durch das Syndrom sinkt die geistige Leistungsfähigkeit und es führt zu Konzentrations- und Gedächtnisschwächen bis hin zur Unfähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Oft sind diese Probleme auch gepaart mit Partnerschaftskonflikten.

Schließlich ist das Burn-out-Syndrom durch Schuldgefühle, reduzierte Selbstachtung, Angst und Nervosität gekennzeichnet. Betroffene leiden unter dem Gefühl von Ohnmacht und Hilflosigkeit –  das kann so weit führen, dass sie Selbstmordgedanken entwickeln. Jetzt können auch aggressive Impulse in Erscheinung treten, die sich in allgemeiner Reizbarkeit, Ungeduld, Launenhaftigkeit, Misstrauen und häufigen Konflikten mit anderen Menschen äußern.

Psychosomatische Probleme

Mit dem Burn-out-Syndrom gehen häufig auch psychosomatische Reaktionen einher. Durch die seelische Belastung kann das Immunsystem anfälliger für Infekte werden. Die Betroffenen leiden unter Schlafstörungen und Albträumen. Häufig kommen noch sexuelle Probleme hinzu. Weitere Symptome wie Herzklopfen, Kopfschmerzen, Verdauungsstörungen oder Gewichtsveränderungen wurden im Zusammenhang mit dem Burn-out-Syndrom beobachtet. In der Folge steigen Unfallrisiko und die Gefahr für Suchterkrankungen. Einige Betroffene greifen in ihrer Not zu Alkohol, Tabak oder anderen Drogen. Ein Teufelskreis: Wer nachts nicht schlafen kann, leidet am nächsten Tag umso stärker unter dem Druck durch seine Verantwortungen im Job und für die Familie.

Die chronischen Folgen psychischer Fehlbelastungen sind für die Entwicklung psychischer und auch psychosomatischer Erkrankungen entscheidend. Die Konsequenz daraus für die betriebliche Praxis: Nur durch umfassende Prävention und frühzeitige Intervention kann man hier wirkungsvoll entgegenwirken.

Diese Stressfaktoren am Arbeitsplatz können Burn-out-Symptome hervorrufen:

  • monotone, uninteressante oder sinnlose Aufgaben (qualitative Unterforderung)
  • zu komplizierte oder zu komplexe Aufgaben (qualitative Überforderung)
  • unklare Arbeitsanweisungen und Ziele
  • hoher Zeit- und/oder Leistungsdruck
  • mangelnde Koordination der Prozesse
  • Störungen des Arbeitsablaufs
  • außerplanmäßige Anforderungen
  • unklare Verantwortungszuweisung/zu hohe Verantwortung
  • Rollenkonflikt oder Rollenunsicherheit
  • zu wenig Mitwirkungs- und Gestaltungsmöglichkeiten
  • Betriebsklima und Führungsstil
  • mangelnde soziale Unterstützung (bis hin zum Mobbing)
  • Kommunikationsbarrieren
  • Abhängigkeiten und Kooperationszwänge
  • Lärm, Hitze, Lichtverhältnisse, Luftfeuchtigkeit
  • Schadstoffe
  • unergonomischer Arbeitsplatz
  • belastende Arbeitszeiten (z.B. Schichtdienst, Überstunden)
  • unfaire Lohnpolitik
  • zu wenig Anerkennung/Statusprobleme
  • negative Zukunftsaussichten (Arbeitsplatzunsicherheit, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten)
  • Veränderungen und Umstrukturierungen

Das Copenhagen Burnout Inventory (CBI) unterscheidet drei Arten von Burn-out:

1. Persönliches Burn-out
Es beschreibt auf einer allgemeinen Ebene den Grad an psychischer und physischer Erschöpfung, den eine Person empfindet.
 
2. Arbeitsbezogenes Burn-out
Es beschreibt den Grad an psychischer und physischer Erschöpfung, den eine Person spezifisch auf die eigene Arbeit zurückführt.
 
3. Klientenbezogenes Burn-out
Es beschreibt den Anteil an psychischer und physischer Belastung, den eine Person spezifisch auf die Zusammenarbeit mit Dritten zurückführt (Geschäftspartner, Kunden, Kollegen etc.).

Wie lässt sich Burn-out verhindern?

Die Burn-out-Expertin Helen Heinemann rät, rechtzeitig gegenzusteuern, um nicht erleben zu müssen, wie sich ein Zustand totaler körperlicher und geistiger Erschöpfung anfühlt. "Ein gesunder Ausgleich zwischen Beruf und Privatleben ist schließlich der beste Überspannungsschutz vor einem Burn-out.

Jeder muss selbst darauf achten, nicht stets und ständig unter Starkstrom zu stehen, denn sonst ist man schnell ausgebrannt", so Heinemann.

Work-Life-Balance

An der häufig unausgewogenen und ungesunden Work-Life-Balance setze daher der neue Workshop an. Wie der Firmenkundenmonitor Gesundheit der Barmer GEK zeige, bestehe seitens der Unternehmen ein großes Interesse an Angeboten zu Stressmanagement und Work-Life-Balance (z.B. Burn-out-Prävention).

Frühwarnsysteme etablieren

Um Burn-out zu verhindern, müssen verschiedene Komponenten und Akteure zusammenspielen. In einem gemeinsamen Positionspapier empfehlen die IG Metall und der Verband deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) die Entwicklung von Frühwarnsystemen für psychische Fehlbelastungen.

Schon beim Auftreten von Befindlichkeitsstörungen der Beschäftigten wie Erschöpfungsgefühle, Gereiztheit, Kopfschmerz oder innere Unruhe sind Reaktionen erforderlich. Ziel dabei ist es, Fehlbelastungen zu beseitigen und individuelle Bewältigungsfähigkeiten und Ressourcen der Beschäftigten zu stärken. Hierbei kommt den Betriebsärzten, beispielsweise im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen, eine wichtige Aufgabe zu. Aber auch Sicherheitsfachleute können zur Aufklärung beitragen.

Sensibilisierung und Offenheit

Noch immer haftet dem Thema "psychische Gesundheit" ein Beigeschmack an. Auch wenn die meisten Beschäftigten selbst schon unter psychischem Druck gelitten haben, so wird über Kollegen, die am Burn-out-Syndrom leiden, hinter vorgehaltener Hand getuschelt. Viele wollen sich aus diesem Grund auch nicht eingestehen, dass sie Probleme haben, und suchen häufig erst spät Hilfe.

Interview: Wie kann man Betroffenen helfen?

Helen Heinemann, Leiterin des Instituts für Burn-out-Prävention (IBP) in Hamburg, erklärt, wie Sie Betroffenen helfen können.

Frau Heinemann, was können denn Sicherheitsfachleute tun, wenn sie bemerken, dass ein Kollege oder eine Kollegin ein Burn-out-Syndrom entwickelt?

Heinemann: Die Schwierigkeit ist, dass man das Syndrom scheinbar nicht kommen sieht. Betroffene wirken für die Außenwelt normal leistungsfähig. Sie selbst merken es vielleicht an einem Leistungsabfall und machen mehr Fehler. Aber da es sich ja meist um sehr motivierte Mitarbeiter handelt, gleichen sie häufig diese Schwäche durch Überstunden aus. So erscheint es, dass das Burn-out-Syndrom ganz plötzlich auftritt.

Durch welche Symptome wird das Syndrom dann sichtbar?

Heinemann: Die Menschen leiden etwa an Schwindelanfällen, Panikattacken oder Weinkrämpfen – sie erleiden einen Nervenzusammenbruch.

Wie kann ich in so einer Situation reagieren?

Heinemann: Nehmen Sie den Kollegen sehr ernst, aber bleiben Sie ruhig und verbreiten Sie keine Panik. Trösten Sie ihn und stellen Sie offene Fragen. Fragen Sie etwa, was Sie für ihn tun können und ob er einen guten Arzt hat. Wichtig ist für viele, dass sie in dieser Situation nicht alleingelassen werden: Die Betroffenen sind erschüttert und geschockt. Organisieren Sie daher eine Begleitung zum Arzt oder fragen Sie, wer sich zu Hause um den Betroffenen kümmern kann.

Welchem Arzt sollten sich Betroffene anvertrauen?

Heinemann: Die erste Anlaufstation ist der Hausarzt, den man in der akuten Situation aufsuchen kann, damit er diese richtig einschätzen kann. Ein guter Hausarzt wird im Zweifel an einen Spezialisten überweisen.

Wie geht es dann weiter?

Heinemann: Wichtig ist, dass die Betroffenen Distanz zu der Situation aufbauen können. Sie müssen das "Hamsterrad" vollständig verlassen. Gleichzeitig ist es aber auch nicht hilfreich, zu Hause über die Situation zu grübeln. Eine sechs- oder achtwöchige Krankschreibung ändert manchmal wenig.

Welche Lösungsstrategien schlagen Sie vor?

Heinemann: Die Betroffenen sollten sich eine echte Auszeit nehmen. Manchen hilft es etwa, auf den Jakobsweg zu gehen oder eine Kanutour zu unternehmen. Dabei sollten sie möglichst nicht alleine bleiben, sondern mit Freunden sprechen können. Wichtig ist, dass sie sich selbst keine Höchstleistungen abfordern: Also ist eine Wanderung besser als das Training auf den nächsten Halbmarathon.

Inwieweit ist eine Kur hilfreich?

Heinemann: Wenn es den Leuten schlecht geht, bekommen sie paradoxerweise keine Kur bewilligt. Denn praktisch jede Kur wird zunächst abgelehnt und wer so geschwächt ist, kann nicht für sich selbst kämpfen. Erst wenn es den Betroffenen besser geht, haben sie Chancen auf eine Kur.

Welche Empfehlung können Sie Betroffenen geben?

Heinemann: Unsere Seminare zur Primärprävention – die wir im ganzen Bundesgebiet anbieten – helfen, die verschiedenen Lebens- und Arbeitsbereiche durch eine veränderte individuelle Schwerpunktsetzung neu auszubalancieren. Das Besondere an diesem Angebot ist die Berücksichtigung der Geschlechterrollen durch getrennte Gruppen für Frauen und Männer. Hintergrund ist die Tatsache, dass die Herausforderungen des Alltags von beiden Geschlechtern unterschiedlich wahrgenommen, interpretiert und beantwortet werden, sodass der persönliche Stress oftmals in divergenten Lebensbereichen entsteht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Hilfe für Eltern - Job und Familie in Balance

"Die schlimmsten Stressfolgen drohen, wenn man wie in einem Hamsterrad strampelt und in keinem Lebensbereich ruhige Rückzugsfelder bleiben", sagt Heinemann. Eltern, die sich im täglichen Spagat zwischen Beruf und Familie aufreiben, geraten deshalb auch besonders oft an ihre Belastungsgrenze.

Speziell für sie hat etwa die TK gemeinsam mit dem IBP Work-Life-Balancing-Kurse entwickelt. Sie helfen, Kind und Karriere unter einen Hut zu bringen, ohne selbst auf der Strecke zu bleiben. "Stress lässt sich im Alltag nie ganz vermeiden. Aber wir können beeinflussen, wie wir damit umgehen", so Heinemann.

Auch andere Krankenkassen bieten ähnliche Programme an. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand: Der Arbeitgeber profitiert von einem niedrigeren Krankenstand, durch den Lohnfortzahlungskosten und Lohnkosten für Vertretungskräfte sinken. Seine Mitarbeiter sind zufriedener und motivierter und der Ruf des Unternehmens als fairer und sozial handelnder Arbeitgeber verbessert sich.

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