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Cash flow - ein ungetrübter Blick auf die Finanzen

Bilanzpolitik kann sehr unterschiedliche Ziele haben: Gegenüber dem Finanzamt rechnen sich Unternehmen gerne "arm". Es gilt, die Steuerlast zu reduzieren. Sind aber Banken zu beeindrucken, stehen wirtschaftliche Erfolge im Vordergrund. So kommen Unternehmen zu erweiterten Kreditlinien oder günstigen Zinssätzen. Wie steht es da um das wirkliche finanzielle Potenzial, wenn die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) Teil der Bilanzpolitik wird? Hier kommt der Cash flow ins Spiel - diese Kennziffer zeigt, wie die Finanzkraft eines Unternehmens wirklich aussieht.

Darum geht's

Der Staat besteuert die Erträge von Unternehmen - ein Anreiz, Aufwendungen möglichst groß und Erträge möglichst klein erscheinen zu lassen. Die Gewinn- und Verlustrechnung (GuV) liefert daher oft verzerrte Informationen über die wirtschaftliche Situation - auf Grund der steuerrechtlichen Optimierung. Daten der GuV sind also mit Vorsicht zu genießen. Besser ist es, den Blick auf den Cash flow eines Unternehmens zu werfen.

"Diese Kennzahl zeigt, wie stark das Unternehmen sich von innen heraus finanzieren kann (Innenfinanzierung), wie groß also das finanzielle Potenzial ist, das aus seiner erfolgreichen Tätigkeit in der Wirtschaft wächst", schreibt Hilmar Vollmuth in seinem Buch "Kennzahlen". Das ist möglich, weil die üblichen Verzerrungen der GuV vermieden werden. Wie geht das? Vollmuth: "Der Cash flow beziffert den Überschuss, der sich ergibt, wenn man von den Einnahmen die Ausgaben abzieht. Er lässt erkennen, in welchem Maße ein Unternehmen Finanzmittel aus eigener Kraft erwirtschaftet hat."

Es kommt auf die Einnahmen und Ausgaben an - die tatsächlichen Finanzströme in einem Unternehmen. Das sind so genannte "pagatorische Größen", was sich vom italienischen Wort "pagare" für Bezahlen ableitet. Privatdozent und Buchautor Harry Zingel macht an drei Beispielen deutlich, worum es geht:

  • Ein Unternehmen kauft Rohstoffe ein, die Bezahlung erfolgt in derselben Rechnungsperiode. Die Rohstoffe werden auch in diesem Zeitraum verarbeitet. Der Verbrauch wird in der GuV als Aufwand gebucht – und ist zugleich eine "pagatorische Größe", weil tatsächlich eine Auszahlung stattgefunden hat.
  • Ein Unternehmen investiert in eine technische Anlage, für die in den nächsten zehn Jahren Abschreibungen vorzunehmen sind. Aufwand entsteht hier in den folgenden Rechnungsperioden – er ist keine "pagatorische Größe", weil durch die Abschreibungen keine Auszahlungen ausgelöst werden.
  • Ein Unternehmen verkauft einem Kunden ein Produkt. Der Kunde bezahlt aber erst im folgenden Jahr. Dieser Verkauf wird zwar als Ertrag gebucht, stellt aber in derselben Rechnungsperiode keine "pagatorische Größe" dar, weil es zu keiner Einzahlung kommt.

Pagatorisch – ja oder nein? Das ist die entscheidende Frage, um die es beim Cash flow geht. Um ihn zu bestimmen, werden alle Größen aus der GuV herausgerechnet, die nicht unmittelbar zahlungswirksam sind. Zum Beispiel die Abschreibungen. Berücksichtigt werden allein die "pagatorischen Größen". Auf diese Weise gelingt es, die tatsächliche Finanzkraft eines Unternehmens abzuschätzen.

Was verbirgt sich also hinter dem Begriff "Cash flow"? Eine Kennzahl, die besser als die üblichen Daten aus der GuV geeignet ist, Aussagen über das finanzielle Potenzial eines Unternehmens zu treffen. Der Cash flow berechnet sich auf der Grundlage "pagatorischer Größen" - den zahlungswirksamen Aufwendungen und Erträgen eines Unternehmens.

So sieht es in der Praxis aus

Zwei Wege gibt es in der Praxis, um den Cash flow zu berechnen – die direkte und die indirekte Methode:

Direkte Methode: Alle pagatorischen Erträge werden summiert, und dann die pagatorischen Aufwendungen abgezogen. Zu den pagatorischen Erträgen zählen zum Beispiel: Einzahlungen aus Umsätzen, Eigenkapitaleinlagen oder Kreditaufnahmen. Von pagatorischen Aufwendungen spricht man zum Beispiel bei Auszahlungen für Personal und Material sowie der Entnahme von Eigenkapital.

Diese direkte Methode findet wenig Anwendung, weil viele Einzelpositionen berücksichtigt werden müssen. Daher hat sich die indirekte Methode stärker durchgesetzt.

Indirekte Methode: Ausgangspunkt ist die GuV eines Unternehmens. Vom Jahresüberschuss werden die nicht-pagatorischen Erträge abgezogen und dann die nicht-pagatorischen Aufwendungen hinzuaddiert. Unter nicht-pagatorischen Erträgen versteht man zum Beispiel: Entnahmen aus Rücklagen, periodenfremde und außerordentliche Erträge oder die Auflösung von Rückstellungen. Zu den nicht-pagatorischen Aufwendungen werden zum Beispiel gerechnet: Abschreibungen, Einstellungen in die Rücklagen oder periodenfremde und außerordentliche Aufwendungen.

Fazit

"Die Einkommenssteuer hat mehr Menschen zu Lügnern gemacht als der Teufel" – der amerikanische Humorist William Rogers mag da vielleicht übertrieben haben. Ob Einkommenssteuer oder Ertragssteuern – die GuV alleine ist mit Sicherheit keine Garantie für zuverlässige Informationen. Gut, dass es die Kennzahl Cash flow gibt. Mit ihrer Hilfe ist es leichter, die finanzielle Wirklichkeit eines Unternehmens auszuleuchten. Damit Bilanzpolitik nicht den Blick für wesentliche Fakten trübt.

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Ein Beitrag von Ingo Leipner

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