Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz
Das Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz (vgl. Gesetzentwurf BT-Drs. 17/3628; Beschlussempfehlung BT-Drs. 17/4710) wurde am 11.02.2011 vom Deutschen Bundestag verabschiedet und wird in den nächsten Wochen in Kraft treten.
Enthalten sind dort im Überblick nachfolgende neue Regelungen im Finanzdienstleistungsbereich (ohne Grauen Kapitalmarkt):
- erstens die Erhöhung der Beteiligungstransparenz beim Anschleichen bei Übernahmetransaktionen,
- zweitens die Verbesserung bei der Produktinformation,
- drittens eine verstärkte Kontrolle der Anlageberater zur Vermeidung von Falschberatung und
- viertens ein Konzept für die Erhaltung der offenen Immobilienfonds.
Ziel und Inhalt der neuen Regelungen sind nach der Gesetzesbegründung im Einzelnen wie folgt:
Erhöhung der Beteiligungstransparenz: Zur Verbesserung der Kapitalmarkttransparenz werden neue Mitteilungs- und Veröffentlichungspflichten für bislang nicht erfasste Transaktionen eingeführt. Damit wird verhindert, dass unbemerkt größere Stimmrechtspositionen aufgebaut werden können, beispielsweise im Rahmen von Übernahmetransaktionen. Die neuen Meldevorschriften erstrecken sich insbesondere auf Finanzinstrumente, die lediglich einen Zahlungsausgleich jedoch kein Recht auf den Erwerb von Aktien vorsehen. Erfasst werden auch Stillhalterpositionen von Verkaufsoptionen, Rückforderungsansprüche des Darlehensgebers eines Wertpapierdarlehens und Geschäfte mit Rückkaufvereinbarungen (Repo-Geschäfte).
Produktinformationsblatt: Um Anleger besser über Finanzprodukte zu informieren, soll in Zukunft ein kurzes und leicht verständliches Dokument die Anleger über die wesentlichen Merkmale eines Finanzinstruments informieren (sog. "Beipackzettel").
Verstärkte Kontrolle von Anlageberatern: Zukünftig sind Mitarbeiter in der Anlageberatung, Vertriebsverantwortliche und Compliance-Beauftragte bei der BaFin zu registrieren. Die Registrierung richtet den Aufsichtsfokus auf die einzelnen Personen, die beraten, auf Personen, die Einfluss auf diesen Prozess und insbesondere Vertriebsvorgaben ausüben können, sowie auf diejenigen Personen, die rechtskonformes Verhalten überwachen. Erforderlich ist nunmehr, dass die vorstehenden Personen sachkundig sind und über die für ihre Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit verfügen. Die konkreten Anforderungen an Qualifikation und Zuverlässigkeit werden im Verordnungswege durch das Bundesministerium der Finanzen bestimmt werden.
Offene Immobilienfonds: Die Gesetzesänderungen zielen dort darauf ab, ein nachhaltiges Offenhalten der Sondervermögen – ein Wesensmerkmal des offenen Fondstyps – sicherzustellen. Insbesondere durch die neu eingeführte Mindesthaltefrist soll Anlegern schon beim Erwerb von Anteilen an einem Immobilien-Sondervermögen bewusst werden, dass eine Investition in Immobilien langfristig angelegt sein muss. Die Neuregelung erlaubt für die Zukunft eine angemessene Liquiditätssteuerung durch die verwaltenden Kapitalanlagegesellschaften. Zukünftig gilt eine Mindesthaltefrist von zwei Jahren, die für bestehende Anleger als erfüllt gilt. Daran schließen sich zwei weitere Jahre mit Halteanreizen an: ausstiegswillige Anleger müssen im dritten Jahr einen Abschlag von zehn Prozent auf den Anteilwert hinnehmen, im vierten Jahr fünf Prozent. Ab dem fünften Jahr ist eine abschlagsfreie Rückgabe möglich. Der Abschlagsbetrag verbleibt im Fondsvermögen und kommt den im Fonds verbleibenden Anlegern zugute. Mindesthaltsfrist und Rücknahmeabschläge erfassen nur Rückzahlungen, die über 5.000 Euro pro Monat hinausgehen. Damit bleibt der typische laufende Bedarf eines Privatanlegers von den genannten Einschränkungen unbeeinträchtigt. Im Ergebnis ist eine jederzeitige Rückgabe der Anteile an offenen Immobilienfonds auf Basis des aktuellen Anteilswertes nunmehr nicht länger möglich.
Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenänderungsgesetz
Eine wesentliche Anhebung des Regulierungsniveaus des Grauen Kapitalmarkts wird in absehbarer Zeit durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts bewirkt werden. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie haben gemeinsam einen Diskussionsentwurf zur Stärkung des Anlegerschutzes im Bereich des Grauen Kapitalmarkts erarbeitet. Der Diskussionsentwurf soll nach Abschluss des nun eingeleiteten Konsultationsverfahrens zeitnah durch das Bundeskabinett beschlossen werden. Mit einem Inkrafttreten des Gesetzes wird Anfang 2012 gerechnet.
Nach der Begründung des Diskussionsentwurfs sollen Pflichten, die im regulierten Bereich bereits Standard sind, auf den bisherigen Graumarktbereich ausgedehnt werden. Hierzu gehören das aufsichtsrechtliche Gebot, anlegergerecht zu beraten, Provisionen offen zu legen und über ein Beratungsgespräch ein Protokoll zu führen und dem Anleger zur Verfügung zu stellen. Zudem sollen strengere Anforderungen an Inhalt und Prüfung von Verkaufsprospekten für Vermögensanlagen eingeführt und Anbieter von Vermögensanlagen verpflichtet werden, maximal drei DIN-A4-Seiten umfassende Kurzinformationsblätter zu erstellen, um die Anleger in kurzer und verständlicher Form über die von ihnen angebotenen Vermögensanlagen zu informieren. Für Emittenten von Vermögensanlagen sollen strengere Rechnungslegungspflichten eingeführt werden, die sich an denen großer Kapitalgesellschaften orientieren. Daneben sollen die kurzen Sonderverjährungsfristen im Prospekthaftungsrecht gestrichen und die Haftungsvoraussetzungen im Bereich der Prospekthaftung für Vermögensanlagen erleichtert werden.
Im Bereich der gewerblichen Finanzanlagenvermittlung und -beratung soll der Anlegerschutz durch die Einführung eines Sachkundenachweises und einer Berufshaftpflichtversicherung bzw. einer entsprechenden Kapitalausstattung als neue Voraussetzungen für die Erteilung einer Erlaubnis für den gewerblichen Vertrieb von Finanzanlagen und für die Finanzanlagenberatung gestärkt werden. Darüber hinaus sollen die Informations-, Beratungs- und Dokumentationspflichten des sechsten Abschnitts des Wertpapierhandelsgesetzes auf gewerbliche Finanzanlagenvermittler und -berater übertragen werden.
Die genauen inhaltlichen Anforderungen an den zukünftig erforderlichen Sachkundenachweis sind derzeit noch ungeklärt. Ebenso offen ist die Frage, ob und welche Berufsqualifikationen zukünftig automatisch als Sachkundenachweis anerkannt werden. Klarheit wird insoweit erst die im Gesetz vorgesehene ministerielle Rechtsverordnung bringen. Denkbar erscheint auch, dass die Erfordernisse an die erforderliche Sachkunde in einer für sämtliche Bereiche des Kapitalmarkts geltenden Rechtsverordnung einheitlich zusammengefasst werden.
AIFM-Richtlinie
Eine weitere deutliche Anhebung des Regulierungsniveaus des Grauen Kapitalmarkts wird mittelfristig durch die Umsetzung der sog. AIFM-Richtlinie der Europäischen Union (Richtlinie über die Manager alternativer Investmentfonds) erfolgen. Das Europäische Parlament hat der Richtlinie bereits im November 2010 zugestimmt, mit einem Inkrafttreten wird bis Mitte 2011 gerechnet. Die Richtlinie ist sodann innerhalb von zwei Jahren vom deutschen Gesetzgeber in nationales Recht umzusetzen. Mit dem Inkrafttreten der nationalen Vorschriften ist also Mitte 2013 zu rechnen.
Der Anwendungsbereich der AIFM-Richtlinie ist grundsätzlich sehr weit und bezweckt die Regulierung aller bislang unregulierten Fonds, also auch geschlossener Fonds. Die Regulierung betrifft allerdings nicht unmittelbar die Fonds, die AIFM-Richtlinie regelt vielmehr Pflichten für die die Fonds verwaltenden Personen. Die Tätigkeit als AIF-Manager wird zukünftig einer staatlichen Zulassung bedürfen, die nur bei hinreichender Qualifikation und Zuverlässigkeit erteilt wird. Die AIFM-Richtlinie normiert dementsprechend Voraussetzungen für die Ausübung der Tätigkeit als AIF-Manager. AIF-Manager unterliegen bestimmten Wohlverhaltensregeln, wie beispielsweise der Verpflichtung, ihrer Tätigkeit stets ehrlich, mit der gebotenen Sachkenntnis, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit und mit Fairness nachzugehen. AIF-Manager haben angemessene Maßnahmen zu treffen, um Interessenkonflikte mit den Anlegern zu verhindern oder zumindest offen zu legen. Der AIF-Manager hat sicherzustellen, das die Funktionen Risikomanagement und Portfoliomanagement voneinander getrennt sind und gesonderten Prüfungen unterliegen. Ferner ist ein angemessenes Liquiditätsmanagementsystem zu implementieren. Neben den Wohlverhaltensregeln enthält die AIFM-Richtlinie Vorschriften zu Eigenkapitalanforderungen sowie organisatorischen Anforderungen des AIF-Managers. Schließlich enthält die AIFM-Richtlinie umfangreiche Transparenzanforderungen.
Die Umsetzung der AIFM-Richtlinie wird voraussichtlich zu spürbaren Änderungen der Regulierung des Grauen Kapitalmarkts führen. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass ein Teil der Regulierungsvorschriften der AIFM-Richtlinie bereits durch das Gesetz zur Novellierung des Finanzanlagenvermittler- und Vermögensanlagenrechts umgesetzt werden wird.
Ausblick
Die Branche wird durch die bevorstehenden Neuregelungen vor vielfältige Aufgaben gestellt. Wir informieren Sie regelmäßig über die weitere Rechtsentwicklung und beraten Sie gerne bei der Herausforderung, die neuen Regulierungsanforderungen in Ihrem Unternehmen umzusetzen.