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Chancen und Risiken: Privatrechtliche, steuerrechtliche und haftungsrechtliche Aspekte

Serie Unternehmensnachfolge - Teil VIII: Haftungsproblematiken

Dieser Beitrag behandelt folgende Haftungsproblematiken: Haftung für alte Schulden - Haftung für Steuern - Haftung des Eigentümers von Gegenständen bei Unternehmenspacht - Haftung des Betriebsübernehmers - Haftung der Gesellschafter.

a. Haftung für alte Schulden

Haften heißt Einstehen müssen für eine fremde Schuld. Vorsicht ist regelmäßig vor alten Schulden geboten. Bei der Übernahme eines Unternehmens kann es vorkommen, daß der Betriebsübernehmer für Schulden des vormaligen Unternehmers herangezogen wird. Garantien des abgebenden Unternehmers schützen nicht zwingend. In der Praxis besonderes wichtig sind frühere Verbindlichkeiten gegenüber der Sozialversicherung sowie die Haftung für nicht gezahlte Steuern. Diese Haftungstatbestände führen ebenfalls in der Insolvenz zu einer Haftung der Vorstände, Geschäftsführer, Prokuristen und in seltenen Fällen auch zu einer Haftung der GmbH - Gesellschafter.

b. Haftung für Steuern

Der Zweck der Haftung besteht in der Ausdehnung des Schuldverhältnisses für Steuern oder öffentliche Abgaben auf andere Personen, um bei einem Ausfall des Steuerschuldners das Steueraufkommen oder Abgabenaufkommen zu sichern. Haftungsschuldner und Primärschuldner sind regelmäßig Gesamtschuldner. Der GmbH-Geschäftsführer als gesetzlicher Vertreter der Rechtsperson "GmbH" und die Geschäftsführer von nicht rechtsfähigen Personengesellschaften (Gesellschaft des bürgerlichen Rechts, OHG, Kommanditgesellschaft) haben die steuerlichen Pflichten der von ihnen vertretenen Gesellschaften zu erfüllen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Steuern aus Mitteln entrichtet werden, die sie verwalten.

Sind in einer Gesellschaft mehrere Geschäftsführer bestellt, trifft grundsätzlich jeden von ihnen die Verantwortung für die steuerlichen Pflichten der Gesellschaft. Diese Verantwortung kann nur durch einen Geschäftsverteilungsplan, der zwingend schriftlich abgefasst sein muss, begrenzt aber nicht aufgehoben werden. Ist die Wahrnehmung der steuerlichen Belange der Gesellschaft wirksam einem Mitgeschäftsführer zugewiesen, so tritt für die anderen Geschäftsführer der Umfang ihrer Pflichten nur insoweit und solange zurück, wie für sie unter dem Maßstab der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes kein Grund für die Annahme besteht, die steuerlichen Pflichten würden nicht genau erfüllt.

Insbesondere können etwaige Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft den Geschäftsführer nicht von seiner Verpflichtung zur Einbehaltung und Abführung der vorgenannten Steuern und Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung befreien. Falls die zur Verfügung stehenden Mittel zur Zahlung der vollen Löhne einschließlich des Steueranteils nicht ausreichen, darf der Geschäftsführer die Löhne nur gekürzt als Vorschuss oder als Teilbetrag auszahlen, und er muss aus den dann übriggebliebenen Mitteln die entsprechende Lohnsteuer an das Finanzamt abführen. Kommt der Geschäftsführer seiner Verpflichtung zur gleichrangigen Befriedigung der Arbeitnehmer hinsichtlich der Löhne und des Finanzamts nicht nach, handelt er zumindest grob fahrlässig und erfüllt den Haftungstatbestand.

Die übrigen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, zum Beispiel Umsatzsteuer, pauschalierte Lohnsteuer, Körperschaftsteuer, Einkommensteuer, steuerliche Nebenleistungen sind anteilig zu tilgen. Beim Fehlen ausreichender Mittel zur Tilgung sämtlicher Verbindlichkeiten sind die rückständigen Steuerbeträge vom Geschäftsführer ungefähr in dem gleichen Verhältnis zu tilgen wie die Verbindlichkeiten gegenüber anderen Gläubigern. Hierin liegt häufig eine Haftungsfalle, denn in der Not werden Lieferanten oft vorrangig befriedigt, um den Geschäftsbetrieb noch aufrechterhalten zu können in der Hoffnung auf bessere Zeiten.

Die Einzelheiten hierzu sind in der Rechtsprechung zwischen den Instanzen und zwischen den Rechtszügen umstritten. Sowohl der für Sozialabgaben zuständige Bundesgerichtshof als auch der für Steuern zuständige Bundesfinanzhof haben es jedoch als unbeachtlich qualifiziert, wenn ein Geschäftsführer die Einwendung erhob, er sei Nachfolgegeschäftsführer gewesen. Ein Nachfolgegeschäftsführer haftet auch für die im Zeitpunkt seines Antritts vorhandenen Rückstände, die sein Vorgänger hat entstehen lassen, wenn er entsprechende Mittel zur Verfügung hat. Ebenso ist die Einwendung eines Geschäftsführers als unbeachtlich qualifiziert, er habe sich noch in der Einarbeitungsphase als Geschäftsführer befunden. Die eigentlichen Entscheidungen seien weiterhin vom Vorgänger getroffen worden. Schließlich wird von einem Geschäftsführer oder Prokuristen verlangt, auch den Verlust des Arbeitsplatzes in Kauf zu nehmen. Die Einwendung, der Geschäftsführer sei durch die Gesellschafter an der Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten gehindert worden oder dieser habe befürchtet seinen Arbeitsplatz zu verlieren, sei unbeachtlich. Letzteres muß ein Geschäftsführer in Kauf nehmen, wenn er auf anderem Weg als Geschäftsführer keine Möglichkeit gehabt hätte, seine rechtlichen Aufgaben zu erfüllen.

c. Haftung des Eigentümers von Gegenständen bei Unternehmenspacht

Unter bestimmten Voraussetzungen entsteht eine Haftung, wenn wichtige pfändbare, einem Unternehmen dienende Gegenstände einem Dritten gehören und der Unternehmer selbst kein oder nur geringes für die Vollstreckung ausreichendes Vermögen besitzt und insbesondere mit gepachteten Betriebsmitteln wirtschaftet.

Gegenstände dienen dem Unternehmen, wenn sie nicht nur vorübergehend zur Verfügung stehen, sondern langfristig den Unternehmenszweck fördern. Die Gegenstände müssen zur Zeit der Entstehung des Steueranspruchs dem Betrieb gedient haben und dem Haftenden zur Zeit der Geltendmachung noch gehören, daß heißt die Haftung besteht weiter, auch wenn der Gegenstand zu dieser Zeit nicht mehr dem Betrieb dient.

Eine Haftung entsteht nur für betriebsbedingte Steuern. Dies sind Steuern, deren Entstehungstatbestand zwingend ein Unternehmen voraussetzen, zum Beispiel Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Rückzahlung von Investitionszulagen und Verbrauchssteuern. Die Steuern müssen während des Bestehens der wesentlichen Beteiligung entstanden sein. In dieser Zeit müssen die Gegenstände auch dem Betrieb gedient haben. Das die Gegenstände dem Betrieb im Zeitpunkt des Erlasses des Haftungsbescheides noch dienen, ist hingegen nicht notwendig. Schließlich muß der Gegenstand bei Erlaß des Haftungsbescheides noch im zivilrechtlichem Eigentum des Haftungsschuldners stehen. Ist der Gegenstand nicht mehr vorhanden, zum Beispiel veräußert, entfällt die Haftung. An die Stelle des veräußerten Gegenstandes treten Ersatzgegenstände.

Beim Kauf eines zuvor an eine GmbH verpachteten Grundstückes im Wege des so genannten asset-buy-out kann also eine Haftung entstehen.

d. Haftung des Betriebsübernehmers

Bei der Betriebsübernahme kann ferner eine Haftung aus der Abgabenordnung oder aus dem Handelsgesetzbuch entstehen. Die Haftung nach der Abgabenordnung setzt den Erwerb eines lebenden Unternehmens oder eines gesondert geführten Betriebes im Ganzen voraus. Es müssen also die wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem Akt durch Übereignung übernommen werden. Anders als nach Handelsrecht fällt hierunter nicht die Pacht oder der Erwerb von Gesellschaftsanteilen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Haftung nach der Abgabenordnung ist der wirtschaftliche Übergang des Unternehmens, nicht jedoch der Abschluss des Kaufvertrages.

Unerheblich ist, ob der Erwerber Kenntnis von den bestehenden Steuerschulden hatte. Ein vertraglicher Haftungsausschluss ist für die Haftung nach der Abgabenordnung ebenfalls unbeachtlich. Die Haftung erstreckt sich ebenfalls auf die betriebsbedingten Steuern. Die Haftungsansprüche müssen seit dem Beginn des letzten vor der Übereignung liegenden Kalenderjahres entstanden sein. Der Haftungszeitraum beträgt somit maximal zwei Jahre, mindestens aber ein Jahr.

Die Haftung nach Handelsrecht setzt den Erwerb eines Handelsgeschäftes von einem Kaufmann unter Lebenden voraus. Es genügt ein Inhaberwechsel durch Kauf, Schenkung aber auch durch Unternehmenspacht, sofern der Erwerber den Betrieb fortführt.

Die Haftung kann jedoch ausgeschlossen werden, sofern dieser Haftungsausschluss zum Handelsregister angemeldet wird. Bei einem Erwerb eines Unternehmens aus einer Konkursmasse gilt die Haftung generell als abbedungen.

e. Haftung der Gesellschafter

In Einzelfall kann sich eine Haftung der Gesellschafter für Steuerschulden, steuerliche Nebenleistungen oder sonstige Haftungsschulden der Gesellschaft nach der Abgabenordnung oder aus folgenden zivilrechtlichen Vorschriften ergeben:

Ein OHG-Gesellschafter oder ein KG-Komplementär haftet persönlich voll für alle steuerlichen Rückstände, ohne daß es ein Verschulden bedürfte. Auch der eintretende Gesellschafter haftet für die Altschulden nach § 130 HGB. Ein ausgeschiedener Gesellschafter haftet nach § 128 HGB weiter für Altschulden, nicht aber für Verbindlichkeiten, die nach seinem Ausscheiden aus der OHG begründet werden. Das gilt auch, wenn das Ausscheiden nicht im Handelsregister eingetragen ist, da § 15 HGB auf Steueransprüche keine Anwendung findet. Für die Nachhaftung ist die Ausschlussfrist von fünf Jahren nach Eintragung des Ausscheidens im Handelsregister zu beachten.

Ein Kommanditist haftet gegebenenfalls nach §§ 69, 71 oder 74 der Abgabenordnung. Daneben haftet er nach HGB nur unter engen Voraussetzungen, zum Beispiel nach § 171 HGB, soweit die Hafteinlage nicht oder nicht vollständig gezahlt worden ist oder nach § 172 HGB für Rückzahlung der Einlage bzw. Entnahmen der Einlage.

Der GbR-Gesellschafter haftet persönlich aufgrund einsamen Handelns und der Mitwirkung an der vertraglichen oder tatsächlichen Gestaltung des Steuertatbestandes für alle steuerlichen Rückstände der GbR als Steuer- oder Haftungsschuldnerin, insbesondere für Umsatzsteuern, Lohnsteuern und steuerliche Nebenleistungen. Der potentielle Haftungsschuldner muss im Zeitpunkt der Begründung der steuerlichen Verbindlichkeit jedoch bereits zivilrechtlich Gesellschafter sein. Der später eintretende Gesellschafter haftet für vorher begründete Verbindlichkeiten nicht. Ein Haftungsausschluss ist nicht möglich.

Die gelegentlich anzutreffende GbR mit beschränkter Haftung ist höchstrichterlich nicht anerkannt. Der ausgeschiedene Gesellschafter haftet weiter für alle Verbindlichkeiten, die im Zeitpunkt seines Ausscheidens begründet waren, zeitlich aber mit einer Ausschlussfrist von fünf Jahren, § 191 Abs. 4 AO. Wegen der fehlenden Registerpublizität einer GbR beginnt die Frist mit Kenntnis des jeweiligen Gläubigers vom Ausscheiden des Gesellschafters.

Autor: Christian Lentföhr

Rechtsanwalt Christian Lentföhr (SNP | Schlawien Partnerschaft

- Rechtsanwälte · Steuerberater · Wirtschaftsprüfer) ist sowohl Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht als auch Fachanwalt für Arbeitsrecht.

Er kam über das

internationale Recht zum Handelsvertreterrecht, Vertriebsrecht,

Arbeitsrecht und Gesellschaftsrecht. Er hält Vorträge und

veröffentlicht Fachartikel zu aktuellen Fragen auf dem Gebiet des

Wirtschaftsrechts. Als Vorstands- und Beiratsmitglied kennt er auch die

unternehmensinterne Sicht von Verhandlungen.


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