Die Lage ist tatsächlich vergleichbar mit dem Ende der letzten Eiszeit. Die Lebensräume hatten sich für die meisten Tierarten verändert, viele Arten starben aus. Andererseits gibt es bis heute einige Überlebende dieses Wandels: Moschusochsen und Karibus zum Beispiel. Sie schafften es, sich dauerhaft an die neuen Bedingungen anzupassen. Auch so ist die Natur! Unternehmer sind heute in einer ähnlichen Situation. Und für sie gelten ähnliche Erfolgsgesetze: von der Natur können sie abschauen, wie sie sich auf unsichere Rahmenbedingungen einstellt.
1. Die Verantwortung verteilen und Ressourcen nutzen
Die Sicherung der Existenzgrundlage liegt bei der Unternehmensleitung – in Krisensituationen ist es ihre Aufgabe, die Richtung zu bestimmen. Doch auf lange Sicht erreichen die Ressourcen der Gesamtorganisation bessere Lösungen, genau wie bei Symbiosen in der Natur.
Pflanzensysteme beispielsweise stellen sich gemeinschaftlich auf veränderte Situationen ein. In einer Wurzelraumanlage etwa besteht das System aus verschiedenen Elementen wie Pflanzen, Boden, Mikroorganismen wie Bakterien und Pilzen – bis zu 20.000 verschiedene Arten – mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Funktionen. Wird nun der Boden vergiftet, beginnt sich die Pflanzengemeinschaft neu zu organisieren. Diejenigen Mikroorganismen werden aktiv, die den Schaden fürs System abwenden können oder von den Schadstoffen sogar profitieren. Auch der Boden nimmt einige Schadstoffe auf, die Pflanzen ebenfalls. Jede Ressource wird gebraucht – wie in Unternehmen.
Genau deshalb lohnt es sich, die Last auf den Schultern aller zu verteilen und auf die Kompetenzen der Belegschaft zu zählen. Oft brauchen die Fachexperten einzelner Abteilungen einfach einmal an einem Tisch zu sitzen, um eine praktikable Anpassung an den Markt zu erarbeiten. Gibt es klare Vorgaben zu den Zielen und klare Spielregeln, muss das keine Basisdemokratie sein, sondern kann sich zu einem überaus intelligenten Umgang mit Veränderungen entwickeln.
2. Zur dauerhaften Anpassung gibt es keine Standardstrategie
Jede Tierart hat sich auf ihre eigene Weise an Naturkatastrophen angepasst, es gibt keine Standardstrategie, die jedem das Überleben sichern kann.
So leben Moschusochsen und Karibus seit dem Ende der Eiszeit in der Tundra. Auf die schneereichen Phasen der wärmeren Zeit stellten sie sich aber sehr unterschiedlich ein. Während die Rinder in den Wintermonaten ihren Stoffwechsel förmlich herunterfahren und nur noch ein Drittel der Nahrung benötigen, wenden die anderen noch mehr Energie auf. Das Karibu-Rentier wandert weite Strecken um konstant Nahrung zu finden; bis zu 5.000 Kilometer in einem Winter.
Ebenso braucht jedes Unternehmen seine eigene, individuelle Überlebensstrategie. Die Leitfrage dafür: Wie können wir uns positiv verändern – mit unseren Produkten, unserem Markt, unseren Mitarbeitern, unseren Ressourcen? Es geht darum, uns ganz auf unsere Stärken und Besonderheiten zu berufen und diese ganz gezielt einzusetzen.
3. Steuerungsmechanismen etablieren
Für dauerhaftes Leben sind Steuerungsmechanismen in der Natur wertvoller als situationsabhängige – einmalige – Maßnahmen. Das machen zum Beispiel die Ameisenstaaten vor: Unzählige Individuen verfolgen ein gemeinsames Ziel, Überleben und Vermehrung. Drei Erfolgskonzepte fallen dabei auf: höchste Produktivität durch ausgefeilte Arbeitsteilung, kollektives Verhalten durch Kommunikation und eine heterarchische, also selbstgesteuerte, gleichwertige Organisation. Das Ziel und die Spielregeln sind für alle klar und verbindlich.
Soziale Insektenstaaten reagieren auffällig flexibel auf Veränderungen in ihrer Umwelt. So sind die Aufgaben im Staat einerseits klar verteilt, die Tiere wechseln aber in andere Arbeitsbereiche, wenn dies erforderlich ist. Die Königin kann sogar steuern, welche Nachkommen sie hervorbringt, je nachdem, was gerade gebraucht wird: unfruchtbare Arbeiterinnen oder aber fruchtbare Königinnen zur Gründung neuer Kolonien.
Was auch Unternehmen also brauchen, ist ein System an Steuerungsmechanismen, das es erlaubt, flexibel zu reagieren. In der Praxis funktioniert das zum Beispiel in Form von Erfahrungen aus dem Betriebsablauf, die in die Unternehmenssteuerung zurückfließen – wie bei kontinuierlichen Verbesserungsprozessen oder im Innovationsmanagement. Die Frage für den Steuerungsmechanismus ist folglich: wo in der Organisation gibt es relevante Erkenntnisse, und wie können sie systematisch in die Unternehmenssteuerung einfließen?
Was oft nach Glück oder Pech aussieht – warum die einen überleben, die anderen zu Grunde gehen – ist doch meist steuerbar. Denn Natur wie Marktwirtschaft belohnen Anpassung, Weitsicht und Reaktion auf Veränderungen.
Checkliste: 7 Empfehlungen von der Natur
1. Akzeptieren Sie Krisen – und passen Sie sich an die neuen Rahmenbedingungen an.
2. Kopieren Sie nicht die Erfolgsrezepte von anderen, sondern entwickeln Sie eine für Sie passende Strategie. Konzentrieren Sie sich dabei auf Ihre Stärken und Besonderheiten.
3. Entwickeln Sie langfristige Strategien gemeinsam mit Ihren Führungskräften und Mitarbeitern.
4. Richten Sie ein zentrales Wissensmanagement ein – und greifen Sie bei Entscheidungen darauf zurück.
5. Führen Sie eine regelmäßige Konferenz mit Vertretern aus verschiedenen Abteilungen ein, die über Marktveränderungen und Lösungen miteinander sprechen.
6. Prüfen Sie systematisch, wo in Ihrer Organisation es Erkenntnisse geben kann, die für Entwicklungsstrategien oder Anpassungen hilfreich sind.
7. Denken Sie in langen Zeiträumen: wie können Sie die nächsten 30 Jahre erfolgreich sein, auch unter neuen Bedingungen?