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Statt veraltetem Leitbild

So entwickeln Sie einen sinnstiftenden Purpose

Zahlungskräftige Kunden, Toptalente und auch die Gesellschaft erwarten mehr und mehr, dass ein Unternehmen hehrere Ziele verfolgt als Marktführerschaft und Maximalrenditen. Sie wollen wissen, welchen Nutzwert ein Anbieter den Menschen bietet. Dieser Nutzwert, der Daseinssinn, das Warum heißt im Englischen „Purpose“. Wie der Kern einer Frucht sichert er das Überleben am Markt.

Quelle: iStock / Getty Images Plus

Vielleicht ist sie nur ein Mythos, dennoch zeigt diese kleine Geschichte, welch inspirierende Kraft ein bedeutsamer Purpose haben kann. Als Präsident John F. Kennedy 1962 die NASA besucht, traf er auf eine sehr professionell wirkende Reinigungskraft mit einem Besen. Als er sie neugierig fragt, wofür sie genau verantwortlich sei, antwortet diese: „Ich helfe dabei, Männer auf den Mond und heil wieder zurückzubringen.“

Ja, die Sehnsucht der Menschen nach Sinn in der Arbeit ist groß. Jeder von uns ist als einzigartiges Individuum mit einem mächtigen Gestaltungswillen geboren worden, um ein Leben voller Sinn zu führen - und nicht, um ein fremdbestimmtes Rädchen im Getriebe der Unternehmen zu sein. So dient ein Corporate Purpose auch dazu, den Mitarbeitern die Sinnhaftigkeit ihres Tuns besser bewusst zu machen.

Gib Menschen Spielraum, Sinn und Selbstwirksamkeit, und sie werden dich in Staunen versetzen: In meinen Workshops erlebe ich sowas ständig. Wir Menschen sind beseelt von dem Wunsch, einen Beitrag zu leisten und fürchten die Vorstellung, ein bedeutungsloses Leben gelebt zu haben. Sinnlose Arbeit macht lustlos und krank. Und seelenlose Unternehmen meiden wir wie die Pest.

Der Corporate Purpose: Daseinssinn eines Unternehmens

Wer Großes vollbringen will, muss sich zunächst mit dem Sinn und Zweck seines Unternehmens befassen. Das hat mit den Leitbildern von früher nichts mehr zu tun. Ein Purpose ist nämlich nach außen gerichtet und sagt aus, wie er das Dasein der Menschen verbessert. Klassische Leitbilder hingegen sind nach innen gerichtet, zum Beispiel so: „Wir sind Marktführer in unserer Branche.“

Hingegen sieht sich zum Beispiel Google nicht selbstfokussiert als größter globaler Suchmaschinenbetreiber, sondern „organisiert die Informationen der Welt.“ Amazon will nicht das Kaufportal Nummer eins sein, sondern „die höchste Kundenzufriedenheit der Welt“ erreichen. Tesla versteht sich nicht primär als Autobauer, sondern „treibt den Übergang zu nachhaltiger Energie voran.“

TED versteht sich nicht als namhafter Konferenzanbieter, sondern will „wertvolle Ideen weiterverbreiten“. Der Online-Händler Zappos propagiert: „Deliver happiness and not just shoes.“ „Wertschöpfung durch Wertschätzung“, sagt die Hotelkette Upstalsboom. An solchen Formulierungen erkennt man genau: Es geht nicht darum, wer ein Anbieter ist und was er macht, sondern um den Impact, den er in die Welt bringen will.

Wie man seine eigene Purpose-Maxime findet

Mit folgenden Fragen können Sie sich Ihrer eigenen Purpose-Definition nähern:

  • Was ist oder war am Anfang die Existenzberechtigung unserer Firma?
  • Was können wir besonders gut und tun wir leidenschaftlich gern?
  • Für welche Überzeugungen stehen wir ein?
  • Welche Probleme dieser Welt lösen wir?
  • Welche Werte schaffen wir für unsere Kunden?
  • Mit welchem Leitthema können wir Top-Talente für uns gewinnen?
  • Was gibt uns Entwicklungsspielraum in zukünftige Richtungen?

So hat, wie der Berater Christian Kalkrenner erzählt, ein Skihersteller analysiert, dass die Drehfreudigkeit seiner Skier nicht nur mehr Fahrspaß bringt, sondern auch der Ermüdung vorbeugt und damit die Verletzungsgefahr reduziert. Daraus leitete er den Purpose ab, ab jetzt nur noch verletzungsminimierende Sportartikel zu entwickeln.

Steht der Purpose fest, kann er für alle unternehmerischen Entscheidungen als Filter dienen. Er zeigt den Führungskräften und Mitarbeitern,

  • welche Rahmenbedingungen adäquat sind – und welche nicht,
  • welche Art Vorgehen zu initiieren ist – und welches nicht,
  • welchen Typ Mitarbeiter man haben will – und welchen nicht,
  • welche Partner eine Bereicherung sind – und welche nicht,
  • für welche Kunden man tätig sein will – und für welche nicht.

Es ist also auch wichtig, zu definieren, wofür man nicht stehen will.

Purpose-Entwicklung am Beispiel eines Software-Anbieters

Ein Softwarehaus hatte sich als technologisch führender Lösungsanbieter gesehen, sich auch so im Markt verhalten und entsprechend die Produktentwicklung gesteuert. Die Vermarktung war durch Preiskämpfe und ein ständiges Ringen um neue Funktionen mit dem Wettbewerb geprägt. Doch jede neue Funktion hat die Konkurrenz nach kurzer Zeit kopiert, jede Zertifizierung übertrumpft. Die Kunden konnten den neuen Versionen und Funktionen kaum mehr folgen. Großteils hatten sie auch gar keinen Bedarf dafür.

Durch die Purpose-Profilierung und die damit verbundene intensive Beschäftigung mit den Kunden hat sich dann ein ganz anderes Bild ergeben. Der Anbieter hat erkannt, dass seine Kunden auf eine ganz andere Art Unterstützung benötigen: Die Implementierung einer Lösung zusammen mit den entsprechenden Prozessen rund um den Einsatz der Software war für sie viel entscheidender als alle sechs Monate eine neue Funktion.

Dies hat das Markenselbstverständnis völlig verändert. Der Anbieter hat einen 180-Grad-Schwenk hingelegt. Früher hieß es: „Wie bieten die beste Technik und sind Vorreiter in unserem Marktsegment.“ Nun heißt es: „Wir helfen unseren Kunden, ein erfolgreiches Geschäftsmodell zu betreiben, indem wir die passenden Lösungen aufbauen und in Einklang mit den Kunden optimieren.“

Ein guter Purpose ist ökonomisch, ökologisch und sozial relevant

Idealerweise umfasst der Corporate Purpose eine ökonomische, ökologische und soziale Dimension. Denn die Menschen wollen zunehmend auch wissen: Was ist der Beitrag des Unternehmens für die Gesellschaft und die Welt, so dass unsere gemeinsame Zukunft lebenswert bleibt? Diese Frage stellt sich vor allem dann, wenn man bei jüngeren, idealistischeren Zielgruppen punkten will.

Wird in diesem Sinne ein attraktiver Corporate Purpose entwickelt und tatsächlich gelebt, entsteht hohe Anziehungskraft. Nach den talentiertesten Mitarbeitern, den interessantesten Partnern, den besten Lieferanten, den flüssigsten Investoren und den hochwertigsten Kunden braucht man dann nicht mehr zu suchen, die finden einen.

Am Ende ziehen die Besten die Besten magisch an. Guter Profit ist dann das Ergebnis. So ist Profit nie der Purpose per se. Besteht der Purpose hingegen darin, ein drängendes Problem der Menschen zu lösen, an einem besseren „Morgen“ zu tüfteln und die Welt an einer kleinen Stelle zu heilen, dann kann etwas wirklich Großes gelingen. Wo die größten Probleme sind, sind auch die größten Märkte.

Das Buch zum Thema

Anne M. Schüller, Alex T. Steffen
Die Orbit-Organisation
In 9 Schritten zum Unternehmensmodell für die digitale Zukunft

Gabal Verlag 2019, 312 Seiten, 34,90 Euro
ISBN: 978-3869368993

Nominiert für den International Book Award 2019

Autor: Anne M. Schüller

Anne M. Schüller ist Managementdenker, Keynote-Speaker, mehrfache Bestsellerautorin und Businesscoach. Die Diplom-Betriebswirtin gilt als Europas führende Expertin für das Touchpoint Management und eine kundenfokussierte Unternehmensführung. Sie zählt zu den gefragtesten Referenten im deutschsprachigen Raum und hält Vorträge und Workshops zum Thema. Sie ist Gastdozentin an mehreren Hochschulen. Zu ihrem Kundenkreis zählt die Elite der Wirtschaft. Ab sofort bildet ihr Touchpoint Institut auch zertifizierte Touchpoint Manager aus. Kontakt: www.touchpoint-management.de und www.anneschueller.de
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