<< Themensammlung Gründung

Interview mit Dorian Selz

"Vergangener Erfolg ist kein Garant für zukünftigen Erfolg"

Dorian Selz ist Partner des größten Schweizer Webdienstleisters und war Mitgründer der größten Suchmaschine der Schweiz für alles Lokale. 2009 gründete er zum dritten Mal im neuen Jahrtausend. Heute erzählt er uns etwas über eben jenes Start-up Memonic, wie es dazu kam, wie es funktioniert und warum es in der Schweiz keine Gründerszene gibt.

Dorian Selz, Mitgründer von Memonic Dorian Selz, Mitgründer von Memonic

förderland: Hallo Herr Selz, stellen Sie sich doch bitte kurz unseren Lesern vor …  Ihr Ende 2009 gegründetes Start-up Memonic ist ja nicht Ihre erste Gründung ...

Dorian Selz: Richtig, Memonic ist mein drittes Start-up. Ich bin (heute stiller) Partner bei namics, dem größten Schweizer Webdienstleister, mit einer starken Präsenz in Deutschland. Als Spin-Off der Universität St.Gallen gegründet, arbeiten heute über 300 Leute für namics. Ich habe unter anderem ab 2001 das Deutschlandgeschäft gegründet und aufgebaut.

Ab 2005 war ich Mitgründer und CEO von local.ch, der heute größten Suchmaschine der Schweiz für alles Lokale, z.B. die Anschrift vom Amt, die Telefonnummer der Autowerkstatt, die Kleinanzeige für den nicht mehr gebrauchten Kinderwagen oder Ausgehtipps fürs Wochenende.

Seit 2009 bin ich Mitgründer und CEO von Memonic, dem Online Notizbuch. Privat bin ich verheiratet, Vater einer kleinen Tochter und wohne in der Nähe von Zürich.

Wie funktioniert Memonic? Was bieten Sie Ihren Kunden? Welches Geschäftskonzept steckt dahinter? Und wie ist die Idee entstanden?

Selz: Entstanden ist die Idee bei der Vorbereitung einer Ferienreise nach Australien. Zusammen mit meiner Frau recherchierten wir Hotels, Restaurants, Informationen zu Nationalparks und Sehenswürdigkeiten online. Schnell hatten wir Dutzende von offenen Browser-Tabs. Was nun? Alles ausdrucken und einen riesigen Ordner mitnehmen war genau so wenig eine gute Idee wie ein Notebook auf dem Beifahrersitz des Mietwagens. Also blieb uns nur mühsames Copy & Paste der wesentlichen Informationen in ein Word-Dokument. Ironisch: Ein steter Strom von Nullen und Einsen und ich muss wie mit Hammer und Meißel die wesentlichen Informationen aus der Website herauslösen. "A broken process" sagte ich mir; das kann man besser lösen!

Memonic bietet heute die Möglichkeit, die wesentlichen Inhalte von Webseiten, E-Mails, Word- oder Excel-Dokumenten in einem persönlichen Online-Notizbuch zu speichern, zu organisieren und zu teilen. Mit Memonic kann digitales Wissen – egal ob Text, Bild, Video oder Ton – einfach markiert, in einem zentralen Archiv abgelegt und in Sets zu verschiedenen Themen zusammengefasst werden. Memonic verbindet somit die Vorteile von Bookmarks/Favoriten und einem persönlichen digitalen Notizbuch. Zur Zeit ist der Dienst verfügbar für das Web, Smartphones und das iPad.

Das Geschäftsprinzip ist denkbar einfach. Sie können einen Gratis-Account für bis zu 100 Memos anlegen. Brauchen sie mehr Speicherplatz, können Sie einen Premium-Account mit unlimitierten Speicherplatz und weiteren Funktionen anlegen (Sonderangebot im Januar: 22 Euro pro Jahr).

Sie sind jetzt mit Memonic seit über einem Jahr am Start! Geht Ihr Konzept auch monetär auf? Wie hat sich das Unternehmen entwickelt?

Selz: Wir haben die Entwicklungsphase in drei Schritte eingeteilt. Die ersten eineinhalb Jahre waren der "Konzeptbeweis", d.h. es galt, eine Erstumsetzung zu bauen, zahlende Erstnutzer und eine Anschlussfinanzierung zu finden. Diese Phase haben wir im Sommer 2010 erfolgreich abgeschlossen. Nun sind wir in der "Marktbeweis"-Phase, d.h. wir müssen zeigen, dass wir Memonic wirtschaftlich erfolgreich in einem Marktsegment positionieren können. Wir sind auf einem guten Weg. Abgerechnet wird aber erst etwa in einem Jahr.

Wie haben Sie bei der Gründung von Memonic von Ihrer bisherigen Gründungserfahrung profitieren können?

Selz: Vergangener Erfolg ist kein Garant für zukünftigen Erfolg. Roger Federer als Titelhalter der Australian Open fängt dieses Jahr genau so bei null an wie jeder Qualifikant. Der Unterschied ist ein gewisses Maß an Erfahrung. Diese ist besonders in kritischen Situationen hilfreich. Motto: Ähnlich heikle Situationen haben wir bereits erfolgreich gemeistert.

Können Sie aus Ihren Gründungserfahrungen Tipps für junge Gründer ableiten? Welche Fehler muss man nicht unbedingt selber machen? Worauf sollte man sich gerade in der Start-Phase konzentrieren?

Selz: Ich halte mich zurück, allgemeine Weisheiten zu äußern. Lieber höre ich andern Gründern zu. Da lerne ich immer wieder dazu (und das Gegenüber vielleicht auch). Konkret haben wir ein paar unserer Erfahrungen aufgeschrieben und auf unserem Blog veröffentlicht.

Der Tipp, der mir persönlich am meisten gebracht hat, kommt aus dem Buch "Der Weg zu den Besten" von Jim Collins: Die Zuversicht in den eigenen Erfolg behalten, aber gleichzeitig im "Jetzt" handeln und sich auch mit unangenehmen Fakten direkt und lösungsorientiert auseinandersetzen.

Was gibt es denn aus der Gründerszene in der Schweiz zu berichten? Was läuft gut? Was könnte besser laufen?

Selz: Eine Gründerszene Schweiz gibt es nicht. Es gibt aktive Gründerszenen in der Deutschschweiz, in der Westschweiz und in kleinerem Umfang auch im Tessin. Aufgrund der Sprachgrenze gibt es zu wenig Interaktion zwischen den Regionen. Leider.

Hier in der Deutschschweiz habe ich den Eindruck, dass nicht alle Start-ups den Wert von Kooperationen begriffen haben. Schade.

Was positiv hervorzuheben ist, sind Standortvorteile wie etwa hilfreiche Behörden bei der Firmengründung, gute Infrastruktur und die Nähe zu guten Unis, z.B. der ETH.

Welche Schweizer Start-ups sorgen zur Zeit für Furore? Haben Sie da einen Geheimtipp, der medial vielleicht noch nicht so präsent ist?

Selz: In der Westschweiz zum Beispiel Paper.li. Mit ihrer per Twitter und Facebook generierten persönlichen Zeitung haben sie an der Le Web-Konferenz in Paris einen großen Preis gewonnen. In der Deutschschweiz kommt mir unblu in Basel in den Sinn, die "Remote" oder "Co-Browsing" ermöglichen. Ein Helpdesk kann mir als Anwender direkt über die Schulter schauen und mir bei der Problemlösung helfen, ohne dass ich irgendein Stück Software installiert hätte; ein normaler Browser genügt.

Was wünschen Sie sich für das Jahr 2011?

Selz: Allen Start-up-Gründern gutes Gelingen und uns allen ab und an Zeit, inne zu halten und über unser eigentlich tolles Leben zu reflektieren.

Schönen Dank für das Interview!

Frau überlegt beim Schreiben
Diese Regeln und Formulierungen helfen

Weiterlesen

Roter Hintergrund Mann mit Smarthone in der Hand
So geht's

Weiterlesen

Sie wollen ein Angebot oder die gratis Teststellung für die Unterweisung?

88 E-Learnings zu den Herausforderungen der aktuellen Arbeitswelt