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Gesundheitssystem

Herausforderungen für MedTech Start-ups

Medizintechnik zu entwickeln ist angesichts komplexer Gesetze und Regeln eine große Herausforderung; Entwicklung und Vertrieb sind extrem kostspielig. Ein Medizintechnik Start-up will möglichst schnell Erfolge vorweisen, um die Finanzierung zu sichern. Das ist in unserem etablierten Gesundheitssystem mit seiner starren, nicht auf Innovation ausgerichteter Regulatorik aber kaum möglich, wie die folgenden fünf Herausforderungen für MedTech-Startups zeigen:

Quelle: Thinkstock.com mrs_veronik

1. Mangelnde Markt- und Nutzerkenntnis

Viele Start-ups gründen aus Forschungsprojekten heraus. Wissenschaftliche Substanz und Ingenieurskunst sind selbstverständlich wichtig, das Verständnis für Kunden und deren Bedürfnisse aber ebenso, und daran hapert es häufig. Unerlässlich sind auch Kenntnisse der Mechanik des so genannten 1. Gesundheitsmarktes.

Die wichtigsten Fragen: Wie ist das Geschäftsmodell, wird die Leistung erstattet? Wenn nicht, wie kann der Arzt die Leistung abrechnen? Welche aktuelle Leistung ersetzt/ergänzt das Gerät? Gibt es Konkurrenz? Welcher Markt eignet sich für den Markteintritt? Deutschland, Europa oder die USA? Ist eine FDA (Food and Drug Administration) Zertifizierung möglich, ist es z. B. sinnvoll, in den USA zu starten, weil der amerikanische Markt der größte Markt für Medizinprodukte mit den höchsten Kostenerstattungen ist?

2. Zulassung/CE-Zertifizierung & neue Gesetzgebung

Die neue europäische Medizinprodukt-Verordnung (Medical Device Regulation | MDR) verschärft die Hürden für die Zulassung von Medizinprodukten deutlich. Es wird befürchtet, dass die Gesetzesnovelle die für die Zertifizierung zuständigen Stellen so überlastet, dass sich die Zulassungsprozesse noch mehr verlangsamen. Start-ups sollten mit einem langwierigen Verfahren rechnen, das sich wenig an den Realitäten und Bedürfnissen junger innovativer Unternehmen ausrichtet, sondern das eher große Unternehmen mit stabiler Finanzierung und langem Atem bevorteilt.

3. Reimbursement oder der Weg in die Erstattung

Die Kostenerstattung gestaltet sich je nach Markt unterschiedlich. In Deutschland dauert es laut Experten im Durchschnitt sieben Jahre, bis gesetzliche Krankenversicherungen die Kosten übernehmen und bedeutet einen Millionen-Aufwand für das Unternehmen. Hier ist die Politik gefragt, etwa mit einer Vereinbarung im Koalitionsvertrag, Innovation im Gesundheitswesen zu beschleunigen. Alternativ kann der Eintritt in den Markt über die Zusammenarbeit mit privaten Krankenversicherungen erfolgen, allerdings machen deren Versicherte nur fünf Prozent des Marktes aus. Bei privaten Krankenversicherungen kann über analoge Abrechnungsziffern in der Gebührenordnung für Ärzte abgerechnet werden. In anderen Märkten, wie z. B. die USA mit einem hohen Anteil an Selbstzahlern, ist der Weg in die Erstattung etwas kürzer, wenn ein Nutzen nachgewiesen werden kann. Bessere Versorgungsqualität bei gleichzeitiger Kostenreduktion sind die Trigger für das System in jedem Markt. Auch die Möglichkeit, Fachpersonal einzusparen, ist eine starke Motivation für Kassen, Medizintechnik zu erstatten, weil häufig ausgebildetes Fachpersonal fehlt.

4. Kapital & langfristige Finanzierung

Medizintechnik zu entwickeln ist also extrem kapitalintensiv. Gründer müssen sich eher auf einen Marathon als auf einen Sprint einstellen. Gleiches gilt für die Investoren. Es ist sinnvoll, Kapitalgeber mit MedTech-Fokus zu suchen, die damit vertraut sind, dass es lange dauert, bis das Produkt auf dem Markt ist, die den Gesundheitsmarkt kennen und über Kontakte verfügen. Venture-Capital-Gesellschaften wie Sequoia und Kleiner Perkins haben eigene Health-Sparten. Es gibt auch Investoren, die sich ausschließlich beim Thema Gesundheit engagieren.

5. Rechtsberatung

Gründer, deren Produkt eine der zahlreichen Lücken im regulierten 1. Gesundheitsmarkt füllen soll, müssen juristische Beratung einkalkulieren und sich eventuell sogar Spezialisten ins Team holen. Immer relevant sind die Themen Datenschutz, Datensicherheit und Regulatory Affairs. Je nach Produktausrichtung kommen noch Gesundheits- und Medizinrecht hinzu. Märkte und deren lokale Gesetze à la Uber zu überrollen, wirkt beeindruckend, die Regulation im Gesundheitsmarkt ist dafür aber zu komplex. Allein der rechtskonforme Umgang mit den personenbezogenen Daten einer Krankenkasse wird von einer Vielzahl rechtlicher Normen bestimmt, die direkte Auswirkungen auf die Produktentwicklung haben.

Produkte entwickeln und zertifizieren lassen ist schon kompliziert genug, aber damit ist es nicht getan. Das Produkt muss auch verkauft werden. Der Zugang zu Ärzten und Kliniken ist generell sehr schwierig und kostspielig, insbesondere für Neulinge im Markt, die noch kein Netzwerk haben. Es kann also durchaus sinnvoll sein, sich sobald die Hürden für den Markteintritt genommen sind, einen etablierten Vertriebspartner zu suchen.

Autor: Inga Bergen

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