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Interview mit Sebastian Diemer, predictX

"Die Aufgaben sind bei uns klar verteilt: Alexander baut das Auto, ich verkaufe es."

Wenn er bei "Wer wird Millionär" mitspielen würde, wüsste unser heutiger Interviewpartner bereits jetzt, welcher sein Lieblingsjoker ist. Denn Sebastian Diemer vertraut auf das Wissen der Vielen und sein Publikumsjoker heißt predictX. Was dieser Web-Service alles kann und welche Erwartungen das Team in sein Projekt setzt, das erzählt er uns jetzt höchstpersönlich. Viel Vergnügen!

Sebastian Diemer, predictX Sebastian Diemer, predictX

Guten Tag Herr Diemer. Heute möchten wir einiges über Ihr Projekt predictx.org erfahren. Doch zuerst einmal: Wer sind Sie, was haben Sie gelernt und wo wollen Sie hin?

Sebastian Diemer: Ich bin Gründer und Geschäftsführer von predictX, dem weltweit ersten und innovativsten Marktplatz für Zukunftsprognosen. Die Idee kam mir während meines Masterstudiums an der London School of Economics, woraufhin ich mich im Rahmen meiner Dissertation mit der Vorhersage-Genauigkeit sowie der anwendungsorientierten Umsetzung von Prognosemärkten beschäftigte.

Die Forschungsergebnisse zeigten zweierlei: Erstens lieferten bestehende Märkte (Intrade / IOWA Electronic Markets) erstaunlich akkurate Vorhersagen, zweitens stellte sich heraus, dass das ökonomische/soziale Potential solcher Märkte bisher in keiner sinnvollen und profitablen Weise umgesetzt wird, obwohl Kundennutzen und Markt dafür vorhanden sind. Als mein Mitgründer und Finanzmarktexperte Alexander Graubner-Müller, der sich zu dieser Zeit akademisch damit befasste, einen intelligenten Market Maker für illiquide Märkte zu entwickeln, an Bord kam, entstand  die Idee, eine interaktive und anwendungsfreundliche Prognosebörse aufzuziehen. Die nächsten 7 Monate tüftelten wir an der Entwicklung eines Business Models, einer intensiven rechtlichen Prüfung, sowie einer intelligenten Trading Engine. Derzeit testen wir diese Trading Engine in Form einer mit 500 EUR umgesetzten Spielgeldplattform und entwickeln nebenbei die eigentliche Echtgeldplattform. Der Launch ist für Februar 2011 geplant.

Unsere Vision ist es die weltweit größte, anwendungsfreundlichste und interaktivste Echtgeld-Prognosebörse zu schaffen.

Nun, worum geht es eigentlich bei Ihrem Start-up projectx?

Diemer: Es geht um drei Dinge: Simples und direktes Online Trading, Zukunftsprognosen und Interaktivität. User haben weltweit die Möglichkeit, den Ausgang von zukünftigen Events, ähnlich wie Aktien an einer Börse, zu handeln (z.B. ob Thilo Sarrazin eine eigene Partei gründet, facebook 2011 an die Börse geht, Israel vor Dezember den Iran bombardiert oder die EU eine Finanzmarktsteuer einführt). Indem viele Individuen monetäre Anreize für akkurate und rationale Prognosen (durch den Kauf/Verkauf von Events zu bestimmten Preisen/Eintrittswahrscheinlichkeiten) entstehen, resultieren daraus erstaunlich genaue Zukunftsprognosen.

Dieses Konzept basiert auf dem Prinzip der "kollektiven Weisheit", welches kürzlich durch James Surowiecki eine Renaissance erlebte. Dieser Effekt erklärt nicht nur wieso bei "Wer wird Millionär" der Publikumsjoker in 95% richtig liegt, telefonisch angerufene Experten aber nur in 65%, sondern auch wieso akademische Prognosebörsen alle U.S. Wahlen seit 1990, den Fang von Saddam Hussein und Hurricaneaktivitäten akkurater vorhersagten als sämtliche Alternativen. Es gilt zu differenzieren zwischen Spielgeldanwendungen (z.B. crowdpark.de) und Echtgeldanwendungen (intrade.com). Spielgeldplattformen sind technisch einfach umzusetzen, bieten aber wenig Potential –weder in der Vorhersagegenauigkeit noch unter ökonomischen Gesichtspunkten.

Echtgeld-Plattformen liefern enorm genaue Vorhersagen, leiden aber unter zwei Problemen: User können keine neuen Events einstellen und die Märkte weisen entweder geringe Liquidität auf oder die Betreiber betreiben einen Market Maker und verlieren dadurch Geld. Hier knüpften wir am aktuellen Forschungsstand an und entwickelten einen intelligenten Market-Maker, der es Usern ermöglicht Kontrakte in simpler Art und Weist zu kaufen/verkaufen, ohne dass ein Counter-Offer dafür benötigt wird.

Außerdem können User neue Events erstellen – so kann der Wies'nwirt beispielsweise ein Event einstellen ob er beim nächsten Oktobertfest weniger Bier verkaufen wird. Er erhält nicht nur eine genaue Prognose, sondern kann sein operatives Risiko dadurch hedgen indem er darauf wettet, dass er tatsächlich weniger Bier verkaufen wird.

PredictX kann man sich dabei vorstellen wie eine Art Amazon-Marktplatz für Onlinewetten/-prognosen: Wir stellen die Infrastruktur, stellen sicher dass von Usern erstellte Events objektiv bewertbar, ethisch, eindeutig und spezifisch sind und verwalten sämtliche Zahlungsströme. User stellen Events ein, wetten Geld auf deren Ausgang und erhalten eine Umsatzbeteiligung für eingestellte Events.

Die .org-Domain macht stutzig: Wie wollen Sie Geld mit dem Service verdienen? Und wenn ja, wie?

Diemer: Wir entwickeln derzeit eine Real-Money Umsetzung mit signifikant höherem Funktionsumfang und Usability, die im Februar 2011 online gehen wird.

Ähnlich wie bestehende Onlineplattformen generieren wir Umsatz durch Trading Commissions (5-10%). Neue Events einzustellen kostet 20 EUR (Qualitätssicherung + Initial Market Maker Funding), im Gegenzug erhält der Ersteller bei erfolgreichem Durchlaufen einer rechtlichen Prüfung 1% der gehandelten Tradingvolume.

Ziel der eigenentwickelten "Hyper-Bootstrapping" Spielgeldplattform (predictx.org) war es unsere Trading Engine unter realistischen Bedingungen bei minimierten Risiko zu testen. Das gewonnene qualitative Userfeedback sowie die quantitative  Auswertung der Tradingdynamik können wir in die Entwicklung der tatsächlichen Plattform einfließen lassen. Somit können wir unser Produkt optimieren und Cross-Selling Potential für den Launch generieren, indem User bereits spielerisch an eine Materie herangeführt wurden. Wir planen die Spielgeldplattform parallel zur Echtgeldplattform weiter zu betreiben und kontinuierlich zu optimieren.

Welche Kompetenzen decken Sie mit Ihrem Team ab?

Diemer: Ein strategisch flexibles, technologiebasiertes Onlinestartup benötigt zwei Ressourcen: Einen Autoverkäufer, der sich überlegt, welches Auto, wo für welchen Preis an welche Kunden verkauft wird und einen Automechaniker, der das beste Auto auf dem Markt entwickelt, umsetzt und permanent optimiert.

Die Aufgaben sind bei uns klar verteilt: Alexander baut das Auto, ich verkaufe es. Die Aufgaben gliedern sich also in Business Development und technisches Development. Da jeder von uns beiden auf seinem Gebiet fundierte Kenntnisse, Arbeitserfahrung und akademische Kompetenzen aufweist, ergibt sich eine komplementäre Basis für die Umsetzung des Projektes. Die Tatsache, dass wir nicht nur geschäftlich sondern auch persönlich extrem gut miteinander auskommen, schlägt sich außerdem positiv auf den Spaß- und Erfolgsfaktor der Unternehmung aus.

Sie wollen mit predictx am idealab teilnehmen. Darf man davon ausgehen, dass Sie einen Investor suchen?

Diemer: PredictX basiert auf der Theorie der kollektiven Weisheit – viele Einzelne wissen mehr als einzelne Experten. Gemäß dieses Mottos motiviert uns in erster Linie zur Teilnahme konstruktives Feedback von Gründern/Investoren zu unserem Projekt. Wenn sich daraus weitere Gespräche oder Intros beim interessierten VCs/BAs ergeben, sagen wir selbstverständlich nicht "Nein".

Glücklicherweise haben wir ausreichend Kapital, um die Plattform zu entwickeln und eine Lizenz zu erhalten.  Da unser Geschäftsmodell auf negativem working-capital, 50%+ Margen und hoher Skalierbarkeit durch internationalen Launch basiert, benötigen wir wenig Kapital zum organischen, risikoarmen (langsamen) Wachstum.

Gleichzeitig ist unser Geschäftsmodell hochgradig skalierbar und profitiert von positiven Netzwerkeffekten durch den Zuwachs an Usern. Rapidem Wachstum durch externes Risikokapital steht also nichts im Wege. Wir launchen international in einem 25bn Markt (Onlinegambling Markt 2009), welcher in naher Zukunft durch die Liberalisierung des U.S. Marktes kräftig wachsen wird.

Was erwarten Sie konkret von einem potentiellen Investor? Wie viel Geld soll er mitbringen? Und was sollte ihn sonst noch auszeichnen?

Diemer: Generell scheiden für uns staatliche Institutionen (HTGF, KfW, Exist) trotz attraktiver Konditionen aus, da wir international (zunächst ausschließlich in englischer Sprache) unter einer Lizenz in Malta (wie alle anderen Bluechip Anbieter à la b-win, betfair, smarkets) launchen werden. Für Inkubatoren sind wir wahrscheinlich ein wenig zu weit in der Entwicklung, für größere VCs möglicherweise noch zu "klein".

In der momentanen Phase stellt also ein Business Angel Syndikat bzw. ein Early-Stage Institutional VC die vielversprechendste Gesellschafterkreis-Erweiterung dar.

Onlineaffinität, Internationalität, eine konstruktive persönliche Vertrauensbasis, sowie die Bereitschaft sich auf das hohe Tempo des Marktes und unseres Projektes einzulassen, sind die Kernelemente bei der Evaluierung von Investitionsangeboten. Optimalerweise ergeben sich Synergien durch bestehende Portfoliounternehmen und/oder geteilte Ressourcen. Bezüglich der Höhe eines Investments legen wir uns nicht fest, da andere eben genannte Faktoren  eine ebenso wichtige Rolle spielen und wir das Paket an Kapital, Know-how und Network als Ganzes betrachten.

Wie ausgereift ist Ihr Produkt? Wo sind noch Baustellen?

Diemer: Der Kern unseres Geschäftsmodells basiert auf der theoretisch-mathematischen Entwicklung einer Trading Engine, die es ermöglicht jegliche Orders unmittelbar auszuführen ohne dabei Kapital des Marktbetreiber „at risk“ zu setzen und Prozesse/Technologien zu entwickeln, die es Usern erlaubt neue Events einzustellen, ohne dass sich hierdurch rechtliche Risiken ergeben (z.B. durch unklar formulierte Events).

Diese Baustelle war länger als alle Baustellen auf der A3 zusammen und nahm Unmengen an akademischen Studien, Austausch im Forschungsnetzwerk und theoretischer Entwicklung in Anspruch.

Die dadurch geschaffene Kernkompetenz bzw. Eintrittsbarriere ist ausgereift und bereit zur Echtgeldimplementierung. Da wir die derzeitige Plattform mit 500 EUR entwickelt haben, (wofür andere Unternehmen ohne intelligenten Market Maker sechsstellige Summen investierten) ist unsere Plattform quasi ein fertig entwickelter Ferrarimotor mit Pappkarosserie. Den Lackierer und den Cockpitentwickler haben wir uns gespart. Jetzt wissen wir, dass der Motor funktioniert und werden einen fertigen Ferrari im Februar 2011 präsentieren.

Wie kamen Sie übrigens auf die Idee mit der Prognoseseite? Und welche besonderen Fähigkeiten braucht es, um so ein Projekt umzusetzen?

Diemer: Ich stieß im Rahmen meines Studiums an der London School of Economics auf einen Harvard Business Review Artikel über kollektive Weisheit bzw. die Zukunft digitaler Prognosebörsen. Interessanterweise nutzen nicht nur zahlreiche Unternehmen (Google, Motorola) solche Märkte, sondern sogar die U.S. Regierung stellte 2003 einen Markt online, der den Handel auf weltweite Events ermöglicht. Das Projekt wurde von der Opposition torpediert unter dem Vorwurf, dass die (wohlgemerkt republikanische) Regierung damit indirekt terroristische Aktivitäten fördere. Seitdem versuchten sich Anbieter semi-erfoglreich daran, diese ökonomische Lücke mit unausgereiften Konzepten zu decken. It‘s not easy pie.

Eine technologie- und marktführende Plattform in diesem Segment zu entwickeln bedarf einer Mischung aus akademischem Research, technologischer Entwicklung und unternehmerischer Vision.

Wer einmal gründet tut, es wieder. Wie sieht es bei Ihnen aus? Haben Sie noch einige Ideen im Hinterkopf, über die Sie sprechen möchten?

Diemer: Ideen, die einem im Alltag kommen, habe ich ständig. Mich ärgert es z.B., dass ich Rechnungen noch immer abheften/speichern  muss, um im Garantiefall Ansprüche geltend machen zu können. Wäre es nicht schöner, wenn beim Onlinekauf eine Kopie automatisch in einer digitalen Datenbank abgelegt werden würde, die ich im Schadensfall bequem an den Hersteller weiterleiten kann?

Hier stellt sich meist die Frage, ob der Markt groß genug ist, es möglich ist Eintrittsbarrieren zu schaffen und/oder das Geschäftsmodell skalierbar ist.

Worüber machen Sie sich zur Zeit bezüglich Ihres Start-ups am meisten Sorgen?

Diemer: Dass unsere Server ständig vom Traffic Overload abstürzen :). Nein, im Ernst, es gab zwei "Sorgenfelder" zu Beginn unseres Projektes: "Ist so etwas legal, weltweit anzubieten?" und "Kriegen wir das technisch umgesetzt?" Nachdem wir beide Fragen mit "Ja" beantworten können und den Grund dafür ausmachen konnten, wieso es noch keinen bestehenden großen Anbieter gibt (Technologie), stellte sich eine gewisse positiv geladene Euphorie für die zukünftige Entwicklung ein.

Da unser Projekt auf einer technologischen und theoretischen Entwicklung basiert, verschlang das Projekt Unmengen an Zeit, Formeln und Forschungsaustausch und wenig Kapital. Das Verlustrisiko und somit das Sorgenpotential ist also begrenzt. Aufgrund der vorhin beschriebenen Tatsache, dass wir eine ausreichende Kapitalbasis für einen Launch, eine sehr geringe Kostenstruktur und negatives working capital haben, ergibt sich eine überschaubare Downside falls sich der anfängliche Erfolg nach Launch nicht direkt einstellen sollte.

Ein wachsender (> 8% p.a.) , profitabler Markt (EBIT Margen > 30%) mit strategisch klarer Positionierung und hohe Skalierbarkeit stellt eine hübsche Upside dar. Im schlimmsten Fall betreiben wir predictx.org nebenberuflich weiter, patentieren/veröffentlichen unseren Market-Maker und arbeiten an neuen Projekten.

Haben Sie auch schon einmal ans Scheitern gedacht oder ist das für Sie als Gründer ein weißer Fleck auf der geistigen Landkarte?

Diemer: Wo Potential ist, ist Risiko. Ziel sollte es sein strategische Weichen zu stellen um das Verlustrisiko zu minimieren. Als Gründer läuft man außerdem Gefahr "blind spots" zu haben indem die objektive Einschätzung einer subjektiven Euphorie weicht. 3 Dinge sind meiner Meinung nach wichtig um die Gefahr sowie das Ausmaß an potentiellem finanziellen Schaden zu minimieren:

  1. Feedback einholen (Kunden, Wettbewerber, Investoren) Viele Gründer sehen die Gefahr, dass ihnen die Idee geklaut wird. - Falscher Ansatz. Die Idee reift dadurch.
  2. Klein anfangen, kein Fremdkapital, Geschäftsmodelle mit negativem Working Capital. Skalierbarkeit is key.
  3. Kopf schlägt Kapital – Je innovativer und know-how lasteriger eine Technologie ist, die klaren, eindeutigen Usernutzen schafft, desto weniger Kapital wird zur Marktdurchdringung benötigt.

Zum Abschluss würde ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie sich den Idealweg vorstellen, den predictx beschreiten sollte!

Diemer: Momentan sind wir fokussiert auf die Entwicklung und den Launch unserer Plattform im Februar mit der Unterstützung externer Kapitalgeber. Wohin sich das Geschäftsmodell in 2 Jahren entwickeln haben wird, weiß niemand. Viele Institutionen haben ein potentielles Interesse an kollektiven und akkuraten Prognosen (Banken, News-Seiten, Politik) sowie der Möglichkeit interaktiv auf eine unbegrenzte Auswahl an Events traden zu können. Von Enterprise-Anwendungen bis hin zu einem schnellen Exit durch die Akquisition von betfair ist alles möglich. Wir sollten ein Event dazu einstellen.

Ich danke Ihnen fürs Interview und wünsche Ihnen viel Erfolg!

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