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Interview mit Perry Reisewitz

Trend Quick and Dirty?

Foren, Portale, Social Networks – das Web 2.0 als Mitmach-Web hat die Bedingungen, unter denen Unternehmenskommunikation stattfindet, grundlegend verändert. Im Interview erklärt Prof. Dr. Perry Reisewitz, Professor für PR und Kommunikationsmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation und Geschäftsführer der Compass Communications GmbH, was sich verändert hat und worauf Unternehmen achten sollten.

Prof. Dr. Perry Reisewitz Prof. Dr. Perry Reisewitz

förderland: Herr Reisewitz – ein Blick auf Kommunikation 2.0: Was hat sich geändert?

Perry Reisewitz: Ganz grundsätzlich: Im Unternehmen kommuniziert nicht mehr nur die Abteilung Unternehmenskommunikation mit der Öffentlichkeit. Mitarbeiter berichten über ihr Unternehmen mittels Twitter und kommunizieren geschäftlich über Xing, LinkedIn und Facebook. Das ist nicht mehr ein Kanal, das sind so viele, wie das Unternehmen Mitarbeiter hat. Und jeder erreicht potenziell eine große Öffentlichkeit. Zudem sind die Kanäle, die jeder nutzen kann, vielfältiger geworden.

Sie meinen Text und Bild?

Reisewitz: Ja, neben den Text als Informationsträger sind mit preiswerten digitalen Fotokameras, DAT-Rekordern für Tonaufzeichnungen und günstigen Videokameras leicht herzustellende audiovisuelle Medien getreten. Und die meisten PCs werden heute schon in der Grundausstattung mit einer Bildbearbeitung und einem einfachen Video-Schnittprogramm ausgeliefert. Immer mehr Unternehmen entdecken diese Möglichkeiten für sich. Kleine Videos haben als zusätzliches Instrument längst in die professionelle Unternehmenskommunikation Einzug gehalten. Youtube, Flickr, Facebook und andere Portale und Netzwerke dienen hier als Multiplikatoren.

Verändert das auch die Unternehmenskommunikation?

Reisewitz: Ganz sicher. Bis vor wenigen Jahren lagen alle diese Bereiche im Rahmen der Unternehmenskommunikation in rein professionellen Händen: PR-Manager kümmerten sich um die Strategien und Inhalte, Texter um die sprachliche Form, Fotografen und Grafiker um die Bilderwelten, Regisseure, Kameraleute, Toningenieure und Cutter um die audiovisuelle Wirkung, die ein Unternehmen in der Öffentlichkeit erzielen wollte. Die neuen Technologien und das Web 2.0 bewirken, dass jetzt scheinbar jeder alles kann. Bei vielen Unternehmen zeigt sich allerdings die Kommunikation 2.0 – allem Anschein nach um Kosten zu sparen – mit einem klaren Trend zu Quick and Dirty.

Ist das denn nicht eine positive Entwicklung? Plattformen wie Xing und Facebook ermöglichen Unternehmen doch, in ganz anderer Weise in die Öffentlichkeit zu treten.

Reisewitz: Zum einen: Die Qualität leidet und als Unternehmen muss man sich fragen, wie man in der Öffentlichkeit wirken will – als kreative Bastelbude – dann passen auch das schlecht ausgeleuchtete Digifoto, ungefilterte Mitarbeiter-Ergüsse mit Rechtschreib- und Grammatikfehlern auf dem Unternehmens-Weblog und Wackelfilmchen vom Smart-Phone.

Zum anderen birgt das enorme Risiken.  Die wenigsten Unternehmen haben bis heute Richtlinien, die klarstellen, worüber Mitarbeiter mit Blick auf Arbeitgeber, Arbeitsstätte und konkrete Tätigkeit öffentlich reden dürfen. Früher hat man in der Kneipe oder bei Freunden Geschichten über den Chef zum Besten gegeben und das haben drei oder vier Bekannte erfahren. Mit einem Eintrag auf Facebook lesen das schnell mehrere hundert ‚Freunde‘, die die Informationen über ihre Freunde auch noch weiterreichen. Da leidet der Ruf des Unternehmens schnell.

Was schlagen Sie vor? Alles verbieten?

Reisewitz:
Das wird wenig nützen. Ich glaube, dass Unternehmen vor allem drei Punkte beachten sollten:

1.Aufklären und Richtlinien vorgeben.
2.Schulen und sensibilisieren. Das hat den Vorteil, dass man die eigenen Mitarbeiter – richtig motiviert – gleichzeitig zum professionellen Sprachrohr des Unternehmens macht. Das ist letztlich eine Investition in eine Marketing-Aktivität.
3.Über Suchdienste ständig Internet und Social Networks scannen, damit man schnell sieht, wer wie über das eigene Unternehmen redet und wo man gegebenenfalls eingreifen muss.

Und damit wird alles gut?

Reisewitz: Professionalität lässt sich so natürlich nicht ersetzen. Konkret: Nicht jeder, der seinen eigenen Namen schreiben kann, ist zum begnadeten Texter geboren. Und kaum einer, der den Start-Knopf der Videokamera findet, wird einen akzeptablen Unternehmensfilm oder ein Interview mit einem Abteilungsleiter, Geschäftsführer oder Vorstand zu einem aktuellen Thema konzipieren, drehen und schneiden können.

Hier sollten sich Unternehmer und Unternehmen fragen, welche Außenwirkung für sie akzeptabel ist. Denn aus dem Auftritt nach außen ziehen gerade Kunden Rückschlüsse auf die Qualität der Produkte.

Hier 10 Tipps, wie Sie die Qualität Ihrer Unternehmenskommunikation sicherstellen können:

  • Definieren Sie, wie Sie mit Ihrem Unternehmen nach außen erscheinen wollen – eher Bastelbude oder eher professioneller Anbieter?
  • Entwickeln Sie mit Blick auf Xing, LinkedIn, Facebook, Twitter, Lokalisten und andere Social Networks einen Leitfaden für Ihr Unternehmen: Dürfen oder sollen Ihre Mitarbeiter das Unternehmen dort nennen? Ihre Funktion? Ihre Aufgaben? Dürfen oder sollen sie über Aktuelles am Arbeitsplatz berichten? Welche Informationen dürfen sie dabei verwenden? Welche nicht?
  • Informieren Sie Ihre Mitarbeiter regelmäßig über Ihr Unternehmen im Netz. Und benennen Sie Gefahren und Potenzial. Das können Sie in Form von regelmäßigen Meetings, aber auch in Form von wöchentlichen oder monatlichen Email-Newslettern tun. Oder Sie richten im Intranet gar ein eigenes Forum ein, über das sich Mitarbeiter austauschen können.
  • Scannen Sie über Suchdienste wie Google-Alert, was über Ihr Unternehmen im Internet erscheint. Wenn Sie geschlossene Foren und Social Networks beobachten wollen, kommen Sie um einen bezahlten Suchdienst nicht herum.
  • Bestimmen Sie klar, wer bei negativen Äußerungen oder bei interessanten Diskussionen zu für Sie wichtigen Themen öffentlich im Namen des Unternehmens Stellung bezieht.
  • Bestimmen Sie die Qualität, mit der Sie von außen in Verbindung gebracht werden wollen. Diese muss sich in allen Kommunikationsformen wiederspiegeln. Das gilt für Website-Texte und Pressemitteilungen ebenso wie für Einträge in Foren und Blogs oder für Audio- und Videobeiträge.
  • Belegen Sie auf Facebook, Twitter & Co. Ihre Adressen, bevor es die Konkurrenz tut.
  • Machen Sie bald die ersten Schritte mit diesen Kanälen – Sie werden die Erfahrung brauchen.
  • Werten Sie die Online-Aktivitäten rund um Ihr Unternehmen regelmäßig aus. Professionelle Beobachtungsdienste helfen dabei.
  • Überlegen Sie, welche Informationen Ihnen bei Ihrem Geschäft weiterhelfen würden. Web 2.0 heißt miteinander zu kommunizieren. Da können Sie auch Fragen stellen, die für Sie wichtig sind. Und ganz sicher sitzt da draußen irgendjemand, der eine Antwort für Sie hat.
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