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Interview mit Alexander Lührs

"Es ist nun mal in Deutschland so, dass viele Gründungsprojekte aufgrund einer zu geringen Eigenkapitalquote scheitern"

Wer für den Alltagsbetrieb eines Businessplan-Wettbewerbes zuständig ist, arbeitet an der Front. So auch Alexander Lührs vom Wettbewerb "promotion Nordhessen". Beziehungen wollen gepflegt, Gründer umsorgt und Investoren geworben werden. Jemand, der so eine geballte Ladung Erfahrung angesammelt hat, sollte uns Gründern doch noch das ein oder andere mit auf den Weg geben können …

Alexander Lührs, promotion Nordhessen Alexander Lührs, promotion Nordhessen

Guten Tag Herr Lührs. Sie sind mitverantwortlich für den Businessplan-Wettbewerb promotion Nordhessen. Bevor Sie uns mehr darüber erzählen, stellen Sie sich doch kurz vor! Was tun Sie? Was haben Sie gelernt?

Alexander Lührs: Dieses Jahr ist inzwischen meine 4. Wettbewerbsrunde von promotion Nordhessen , die 11. insgesamt seit Bestehen der Gründungs- und Wachstumsoffensive. Zunächst bin ich auch ins "kalte Wasser" geschmissen worden und war zu Beginn verantwortlich für die Kontakt- und Wissensvermittlung der Gründer sowie bei der Beratung der Businessplanerstellung. Die wohl wichtigste Eigenschaft, die man für diesen Job braucht, ist "Zuhören und Zeit nehmen". Es geht eben nicht alles von heute auf morgen, auch mehrmaliges Durchdenken des Businessplans zusammen mit dem Gründer hilft, evtl. unbedachte Elemente zu berücksichtigen. Was ich auch gelernt habe: Respekt vor jedem Menschen, der den Weg in die Selbständigkeit geht, denn es gehört viel Mut und Selbstbewusstsein dazu, diesen Weg zu gehen. Genau deshalb sind Gründer in Deutschland auch hoch angesehen und dienen als Vorbild für zukünftige Unternehmer.

promotion Nordhessen. Warum promotion? Lädt dieser Begriff nicht zu Verwechslungen ein?

Lührs: Der Begriff "promotion" wurde mit Beginn des Wettbewerbs 1999 bewusst gewählt, weil mit ihm eine richtige Bewegung in Nordhessen zur Gründungsförderung und zum Abbau der Arbeitslosigkeit  initiiert werden sollte. D. h. nicht nur der Wettbewerb allein, sondern alle Institutionen, die das Thema Gründungsförderung betrifft, sollten zu Beginn über promotion angesprochen und integriert werden. Inzwischen ist die Marke bundesweit bekannt und verfügt über eine regionale und deutschlandweite Netzwerkexpertise. Selbstverständlich spielt auch der High-Tech-Gründerfonds eine tragende Rolle in unserem Netzwerk, ein prämiertes Unternehmen aus der Region hat inzwischen die 1. Finanzierungsrunde über den HTGF erhalten (Yatta Solutions, 3. Platz 2008). Mit der Integration des New Club of Paris, einer weltweiten High-Level-Community für wissensbasierte Themen, unser Fokus für neue Unternehmen in Nordhessen, sind wir inzwischen weltweit vernetzt.

In der Tat denken manche Leute immer noch, wir wären eine Werbeagentur... im übertragenen Sinne sind wir das sogar, da wir ja aktiv für die Region Nordhessen als gründungsfreundliche Region werben, insofern ist die Doppeldeutigkeit gar nicht so unpassend.

Wie wird der Wettbewerb ausgetragen? Wie viele Stufen gibt es? Wie findet die  Betreuung statt?

Lührs: Wir bieten unseren Gründern regional und deutschlandweit einen sog. "Full-Service", d. h. jeder kann von uns und unserem Beraternetzwerk solange und so oft profitieren, wie es genutzt wird. Coaching-Abende mit Impulsvorträgen in einem offenen Plenum, Gründerstammtische sowie Seminare über Basis- und Expertenwissen runden hier das Angebot ab. Sind die beiden Wettbewerbsstufen (Stufe 1: Geschäftskonzept, Stufe 2: Businessplan) gemeistert, geht es an die Investorensuche und auch hierbei sind wir behilflich. Die eigtl. Prämierung, die im letzten Jahr aufgrund des Jubiläums der 10. Runde vor über 500 Gästen in Anwesenheit des hessischen Wirtschaftsministers Dieter Posch erfolgreich verlief, sind hierbei eigtl. nur das „i-Tüpfelchen“. Entscheidend ist das Netzwerk, was sich hinter promotion verbirgt und was sich auf den 1. Blick für viele Gründer nicht immer erschließt, d. h. man muss die Gründer schon richtig "hinführen", um zu erkennen, welche Expertise sich dahinter verbirgt.

Kurz aus Gründen der Unterhaltung: Was war das exotischste Konzept, dem Sie in Ihrer Tätigkeit bei promotion Nordhessen begegnet sind?

Lührs: Auch da nehme ich gerne Bezug auf das letzte Jahr: ein Internetprojekt, das sich mit der Zeit nach dem Ableben von Menschen beschäftigte, also die Prozesse weitestgehend zu automatisieren, die nach dem Ableben eines Menschen noch erfolgen (beispielsweise Konto- und Wohnungsabmeldung, Sterbeurkunde, Beerdigung, richtiges Ausführen von Testamenten usw.). Dies stellt eine hohe Entlastung für trauernde Angehörige dar. Das Thema ist sehr sensibel, das Team wurde öffentlich prämiert mit dem 6. Platz 2009, da haben wir natürlich sehr darauf geachtet, wie das öffentlich dargestellt wird. Das Team sucht zwar noch einen Investor, aber da werden bereits viele Gespräche geführt. Ein weiteres Projekt aus dem Jahr 2008 war das Angebot eines Gründer für Manager, die für einen bestimmten Zeitraum in den Knast gehen sollen ("Knast-Urlaube"), um aus dem Business-Alltag mit hierarchischen Strukturen auszubrechen – ein Modell, das in den USA schon in ähnlicher Form erfolgreich existiert.

Bekommen Sie oft Rückmeldung von Seiten Ihrer Alumni? Pflegen Sie nachhaltige Beziehungen zu Ihren Ehemaligen?

Lührs: Ja, das tun wir inzwischen im verstärkten Maße. Unsere Veranstaltungen sind offen für neue Gründer als auch für Alumni. Den Prämierten garantieren wir auch ein professionelles und individuelles Nachgründungscoaching über bestimmte Seminare, allen anderen steht das Netzwerk weiterhin zur Verfügung. Wir werden das Nachgründungscoaching dieses Jahr aber noch stärker und vor allem effektiver angehen, dazu wird bei uns auf unserer Homepage ein virtueller Gründermarkt enstehen, um hier passgenau den Beratungsbedarf abzudecken.

Entsteht durch so einen traditionsreichen Wettbewerb auch ein Netzwerk, das Neugründern nützlich sein kann? Wie sieht das konkret aus?

Lührs: Wir haben in Nordhessen einen riesengroßen Vorteil: über unsere Partner in den Landkreisen, speziell die Wirtschaftsförderungen, können wir vielen Gründern über das Netzwerk von promotion Nordhessen auch Standorte, Flächen, Gebäude usw. anbieten, um vor Ort die Gründung zu ermöglichen. Insbesondere die Konditionen spielen hier natürlich eine große Rolle. Insgesamt ist das Netzwerk über die Jahre gewachsen, man muss sich das wie eine eigene Community vorstellen, in der jeder jeden kennt, es herrscht eine große Vertrauensbasis zwischen uns dem Netzwerk. Sowas ist auch unerlässlich, ansonsten funktioniert das nicht. Dieses Netzwerk aufzubauen, hat zu Beginn viel Überzeugungsarbeit gekostet, da sind wir unseren Vorgängern, insbesondere Volkswagen und Land Hessen, sehr dankbar. Als wir (Regionalmanagement Nordhessen) das Netzwerk im Jahr 2007 übernommen haben, haben wir konsequent das Netzwerk mit zusätzlichen Partnern ausgebaut. Man könnte auch sagen: so gut wie heute, war das Netzwerk noch nie.

Stimmt Ihrer Erfahrung nach das Klischee, dass die meisten Gründer aus gutbürgerlichen Familien kommen und politisch eher in der liberalen Ecke zu finden sind? Zieht Geld Geld an?

Lührs: Naja, pauschalisieren lässt sich das nicht. Es ist nun mal in Deutschland so, dass viele Gründungsprojekte aufgrund einer zu geringen Eigenkapitalquote scheitern, von daher haben Gründer, die von Haus aus Geld mitbringen, Vorteile. Business Angels spielen ja genau deswegen eine so große Rolle in Deutschland, vielleicht aber noch nicht genug. Als Investor jemanden Geld zu geben, verlangt natürlich Risikobereitschaft. Risikobereitschaft bei Gründern sowie Investoren sind in der Regel in Deutschland nicht sehr stark ausgeprägt, daher brauchen wir eine bestimmte Gründungskultur, um Vertrauen in die Thematik zu schaffen. Man könnte schon fast von einem Paradigmenwechsel sprechen, aber so was dauert nun mal seine Zeit, wir sprechen hier von einem Zeitraum von 10 – 20 Jahren, vielleicht sogar noch länger.

Das Internet ist in der Wahrnehmung der Szene das Gründerthema Nummer eins. Wie schaut es in der "Realität" aus, an der Businessplan-Front? Wie sind die ungefähren Anteile zwischen on- und offline bei Ihrem Wettbewerb?

Lührs: Wir haben regelmäßig Projekte aus dem On- und Offline-Bereich, dabei überwiegt der Offline-Bereich aber deutlich (über 90%). Das hängt damit zusammen, das Nordhessen eigtl. kein Standort ist, um Webprojekte deutschlandweit ins Laufen zu bringen, man benötigt dafür eigtl. Ballungsgebiete wie Berlin oder Hamburg. Trotzdem kann es gelingen, ein Internet-Projekt erfolgreich umzusetzen. Ein StudiVZ-Gründer kommt schließlich aus unserer Region. Wir haben überwiegend anwendungsbezogene Gründungsprojekte, die einen hohen praktischen Nutzen aufweisen.

Bei welchen Bevölkerungsgruppen sehen Sie noch Gründungspotential? Wer könnte, aber traut sich nicht?

Lührs: Wir sehen bei Migranten noch Potenzial, allerdings muss hier erstmal kaufmännisches Basiswissen vermittelt werden. Auch bei Frauen, die spezielle Dienstleistungen oder Produkte für Frauen entwickeln, sehen wir noch Potenzial. Allerdings, das ist zumindest unsere Erfahrung, beginnen diese Projekte meist als Nebenerwerbstätigkeit aus Gründen der familiären Bindung usw., da ist es nicht so einfach, diese Tätigkeiten in eine Haupterwerbstätigkeit auszubauen – dafür braucht man Partner und vor allem Ausdauer.

Aufgrund der Krise wird eine steigende Gründungsbilanz prognostiziert. Fachkräfte, die keinen Job mehr haben, wollen es selbst wissen. Sind Ihnen solche Fälle begegnet?

Lührs: Interessanterweise ist das bei uns in Nordhessen bislang nicht so stark eingetreten – auch die Arbeitslosenquote ist seit der Krise nicht gestiegen, im Gegenteil, sie ist sogar gesunken. Wir fördern aber jedes Jahr einen Teil von potenziellen Gründern, die arbeitslos sind, unabhängig davon, welchen beruflichen oder fachlichen Hintergrund die Gründer haben, das kann schon deutlich variieren. Ob es am Ende jemand auch wirklich „wissen will“, hängt vom Gründer meist selbst ab, da man den Weg in die Selbständigkeit eben doch alleine gehen muss – ob das Unternehmen am Ende am Markt besteht, entscheiden schließlich auch keine Businessplanwettbewerb, sondern einzig und allein der Kunde!

Vielen Dank für das Interview, wir hoffen, dass sie in Zukunft noch den ein oder anderen Tipp für unsere Leser parat haben werden.

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