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Von Folgeabschätzung bis Nachweispflicht

Neue EU-Datenschutzgrundverordnung

Die neue EU-Datenschutzgrundverordnung (EU-DSGVO) ist seit dem 25. Mai 2018 vollzogen. Gelten jetzt für fast alle EU-Länder die gleichen Standards?

Quelle: Fotolia.de © vege

Es war dringend an der Zeit: Die bisherigen Datenschutzregeln stammen aus dem Jahr 1995. Zu weiten Teilen veraltet, wurden sie in den einzelnen Ländern der Gemeinschaft auch unterschiedlich umgesetzt. Wie geht es aber nun weiter? Was bleibt, was verändert sich? Welche Verbesserungen oder Herausforderungen bringt die EU-DSGVO mit sich?

Eines jedenfalls steht fest: Betroffen sind von den Änderungen alle! Unternehmen, für die es schon jetzt ratsam ist, zu prüfen, welche Änderungen relevant sind, wo Anpassungsbedarf besteht sowie welche Ressourcen notwendig werden, um dem neuen Standard gerecht zu werden. Aber auch jeder Einzelne, sowohl als Teil der Wirtschaft als auch als Privatperson, insbesondere als Nutzer des Internets, sollte sich damit auseinandersetzen.

Regelung mit Durchgriffswirkung

Die Vereinheitlichung nationaler Gesetze zum Umgang mit personenbezogenen Daten ist das große Hauptanliegen der neuen Verordnung. Entsprechend heißt es in Artikel 91 „… Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat.“ Der bisherige Flickenteppich nationaler Regelungen gehört damit der Vergangenheit an. Als allgemeine Regelung mit unmittelbarer innerstaatlicher Geltung, verfügt die neue EU- DSGVO über eine „Durchgriffswirkung“. Diese grundsätzliche Vollharmonisierung ersetzt nationales Datenschutzrecht.

Übergangsfrist und Öffnungsklauseln für nationale Umsetzung

Die Verordnung trat 20 Tage nach der Veröffentlichung im EU-Amtsblatt in Kraft. Bis 25.05.2018, hatten die einzelnen Länder Zeit, die EU-Verordnung mit ihrer nationalen Gesetzgebung in Einklang zu bringen. In bestimmten Bereichen gibt es Öffnungsklauseln für den nationalen Gesetzgeber, die es vor Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung zu regeln gilt. Die Liste reicht von Gesundheit und Forschung über den Arbeitnehmerdatenschutz und den Datenschutzbeauftragten bis hin zu Berufsgeheimnissen. Auch die Bedeutung des zukünftigen EU-Datenschutzrechts für Unternehmen und Betriebe im Detail, sprich für den für die Verarbeitung Verantwortlichen (im BDSG bisher die verantwortliche Stelle), zählt dazu.

Was ändert sich mit dem neuen Recht für Unternehmen?

Ob das EU-Datenschutzgesetz wirklich strenger als das bisherige deutsche Recht ist, wird kontrovers diskutiert. Wie so oft kommt es auf den Blickwinkel des einzelnen Unternehmens an. Die EU schraubt an vielen Stellen:

  1. Bußgelder
  2. Waren sie bisher kaum ein Thema, macht Brüssel bei den Sanktionen nun Ernst. Sie sollen „wirksam und abschreckend“ sein. Halten sich Unternehmen oder ein Betrieb nicht an die neuen Vorgaben, drohen empfindliche Geldbußen, z. B. bei Verstößen gegen Organisationsregeln bis zu zwei Prozent des Umsatzes oder 10 Mio. Euro – je nachdem, welche Summe höher ist. Bei Verstößen gegen Zulässigkeit und Rechte der Betroffenen sollen zukünftig Bußgelder bis 20 Mio. Euro oder vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden. Der Bußgeldkatalog ist bindend. Die Aufsichtsbehörden haben keinen Ermessensspielraum.

  3. Haftung betrieblicher Datenschutzbeauftragter
  4. Eine Bestellpflicht besteht künftig, wenn die Bedingungen gegeben sind. Da eine nationale Öffnungsklausel existiert, wird Deutschland vermutlich Paragraph 4f des Bundesdatenschutzgesetzes übernehmen. Zu den bisherigen Aufgaben des Datenschutzbeauftragten – Sicherstellungs- und Hinwirkungsauftrag – wird jedoch ein Überwachungsauftrag hinzukommen. Da der Datenschutzbeauftragte die Umsetzung datenschutzrechtlicher Vorschriften nicht selbst vornehmen kann, konnte er bislang auf die Einhaltung von Gesetz und Vorschriften zum Datenschutz nur hinwirken. Die EU-DSGVO verlangt zukünftig die Überwachung, dass alle Vorgaben und Regeln eingehalten werden. In der Konsequenz haften Unternehmer und Datenschutzbeauftragte nun auch persönlich.

  5. Nachweispflicht und Unterrichtung
  6. Die Unternehmen und Betriebe müssen, wie bisher auch, wirksame Datenschutzrichtlinien einführen und ihre Mitarbeiter schulen. Neu ist, dass die Einhaltung nachgewiesen werden muss. Ein effektives Datenschutz-Managementsystem inklusive Risikoanalysen, Strukturen, Prozessen, Kontrollen und Change Management wird notwendig. Des Weiteren müssen Unternehmen betroffene Personen über deren Datenverarbeitung künftig umfassender und früher informieren. Bei Nichtbeachtung drohen hohe Bußgelder.

  7. Datenschutz-Folgeabschätzung
  8. Neu ist auch die Pflicht zur Datenschutz-Folgeabschätzung. Wobei, so ganz neu ist das Thema nicht. § 4d BDSG regelt dies bereits mit der Vorabkontrolle. Setzt ein Unternehmen eine neue Technik oder ein neues System zur Datenverarbeitung ein, sollen Risiken für betroffene Personen erkannt und bewertet werden. Angesichts der unterschiedlichen Interessen und Rollen der Beteiligten, sollen so Grundrechtsverletzungen verhindert werden. Die sechs Schutzziele, wie Verfügbarkeit, Integrität und Vertraulichkeit sowie aus den Datenschutzzielen die Nichtverkettbarkeit, Transparenz und Intervenierbarkeit, werden nicht nur aus der Unternehmensperspektive zur Sicherung der Geschäftsprozesse betrachtet. Vielmehr geht es um die Organisation selbst, die Daten verarbeitet und als Risiko betrachtet wird. Wenn also eine Datenverarbeitung voraussichtlich hohe Risiken für die persönlichen Rechte und Freiheiten betroffener Personen zur Folge hat, muss das Unternehmen eine umfassende Vorprüfung vornehmen, dokumentieren und gegebenenfalls später mit der Datenschutzbehörde abstimmen.

  9. Funktionsübertragung ade
  10. Lange diskutiert wurde die Abgrenzungsfrage, wann die Tätigkeit eines Dienstleisters aus seiner technischen Unterstützung in die eigenverantwortliche Verarbeitung im Sinne des § 3 Abs. 7 BDSG übergeht. Nach der neuen EU-Vorgabe hat der für die Verarbeitung Verantwortliche grundsätzlich die Zwecke der Verarbeitung vorzugeben, dem Auftragsverarbeiter bleibt jedoch die Entscheidung über die Mittel. Dadurch werden die bisherigen Funktionsübertragungen in Zukunft regelmäßig unter die Auftragsverarbeitung fallen.

  11. Weltweite Geltung
  12. Die Datenschutzgrundverordnung soll nicht nur innerhalb der Europäischen Union gelten, sondern weltweit. Auch Unternehmen im Ausland müssen den europäischen Datenschutz einhalten, wenn sie Daten von Personen aus der EU verarbeiten, diesen Personen Waren und Dienstleistungen anbieten.

Neue Rechte für betroffene Personen

Datenschutz klingt vordergründig, als müssten Daten geschützt werden. Doch vielmehr geht es um den Schutz all der Personen, welche diese Daten „verursachen“. Die Schutzwürdigkeit der Persönlichkeitsrechte liegt dem Datenschutz zugrunde bzw. macht ihn überhaupt erst notwendig. Demzufolge ist es nur logisch, dass die neue EU-Datenschutzgrundverordnung insbesondere die Rechte der betroffenen Personen stärkt.

  1. Recht auf Vergessen werden
  2. An erster Stelle sei das neue „Right to be forgotten“ genannt. Es bedeutet, dass bei der Veröffentlichung von Daten angemessene, auch technische, Maßnahmen ergriffen werden müssen, um dritte Parteien über einen Löschungswunsch informieren zu können. Damit haben Nutzer zukünftig das Recht, Informationen leichter wieder löschen zu lassen. Auch der Empfänger, an den ein Unternehmen Daten weitergegeben hat, muss über eine Löschung informiert werden.

  3. Datenportabilität
  4. Ein weiteres neues Recht stellt die Datenportabilität dar. Sie begründet den Anspruch Betroffener auf eine Kopie verarbeiteter Daten, wobei die Übergabe in einem gängigen und strukturierten Format erfolgen muss. Für Unternehmen wird die Umsetzung dieser Regelung sicherlich aufwändig und auch teuer werden. Die Datenportabilität gilt auch, wenn beispielsweise ein Arbeitsverhältnis endet.

  5. Koppelungsverbot
  6. Vertragliche Zusatzleistungen dürfen nicht mehr daran geknüpft werden, dass die betroffene Person in die Verarbeitung der Daten einwilligt. Dies betrifft vor allem das gängige Procedere „Dienst gegen Daten“.

  7. Arbeitnehmerdatenschutz
  8. Für den Arbeitnehmerdatenschutz gibt es eine nationale Öffnungsklausel. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung mit der Öffnungsklausel hinsichtlich des Arbeitnehmerdatenschutzes umgeht. Es ist davon auszugehen, dass § 32 BDSG „Datenerhebung, -verarbeitung und -nutzung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“ weitestgehend unverändert bleibt. Betriebsvereinbarungen sind weiterhin eine Alternative, setzen jedoch eine gute Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat voraus. Firmen müssen ihre IT-Systeme nach dem Grundsatz der Erforderlichkeit und Zweckbindung gestalten: z. B. sollen von vornherein nur so viele personenbezogene Daten gesammelt und verarbeitet werden, wie es zur Erreichung des Zweckes konkret notwendig ist. Wenn immer möglich, sind diese Daten zu pseudonymisieren. Insbesondere dem Grundsatz Datenschutz durch Technik (data protection by design) und datenschutzfreundliche Voreinstellungen (data protection by default) ist hier Genüge zu tun.

Das Wichtigste auf einen Blick

  • Nutzer erhalten das Recht, Informationen leichter wieder löschen zu lassen („Recht auf Vergessenwerden“) und Daten von einem Anbieter zum nächsten mitzunehmen („Portabilität“).
  • Zugleich wird das Alter, ab dem man sich bei Online-Netzwerken wie Facebook oder WhatsApp anmelden darf, in einigen europäischen Ländern von 13 auf 16 Jahre steigen.
  • Internet-Konzerne wie Google, Facebook & Co müssen sich die Zustimmung zur Datennutzung ausdrücklich einholen und ihre Produkte datenschutzfreundlich voreinstellen („Privacy by Design“). Daran sind nicht nur europäische Unternehmen gebunden, sondern beispielsweise auch US-Firmen.
  • Bei Verstoß gegen die Datenschutzregeln können gegen Unternehmen Strafen von bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes verhängt werden.

Was sollten Unternehmen jetzt (schon) tun?

Unternehmen sind gut beraten, sich bereits jetzt auf das Inkrafttreten der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung vorzubereiten. Unabhängig davon, wie Bestimmungen mit Öffnungsklauseln in der nationalen Umsetzung konkret ausformuliert werden, führt an der verschärften Regelung kein Weg vorbei. Damit es im Mai 2018 kein böses Erwachen gibt, sollten die betrieblichen Vorarbeiten baldmöglichst anlaufen – im Einzelnen bedeutet dies:

  • Prüfen Sie bereits jetzt, welche Systeme im Unternehmen von der neuen Gesetzgebung betroffen sind.
  • Prüfen Sie Ihr bestehendes Datenschutzmanagement-System auf Gesetzeskonformität.
  • Wo steht Ihr Unternehmen jetzt und was ist wann zu tun, um den zukünftigen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden?
  • Führen Sie eine Risiko-Analyse durch. Welche Risiken und Gefährdungen drohen Ihrem Unternehmen?
  • Planen Sie Ihre Ressourcen – sowohl im Hinblick auf Mitarbeiter als auch auf das Budget. Es gibt viele Veränderungen und Vieles wird anzupassen sein.
  • Erstellen Sie einen Plan. In größeren Unternehmen wird die Transformation auf die Datenschutzgrundverordnung eine große Herausforderung. Beginnen Sie rechtzeitig – einige Arbeitsschritte können schon jetzt umgesetzt werden.
  • Die EU-DSGVO sieht vor, dass die meisten Unternehmen einen Datenschutzbeauftragten bestellen müssen. Unabhängig davon, wie der deutsche Gesetzgeber mit der Öffnungsklausel umgeht: Jetzt ist der beste Zeitpunkt, die interne Situation zu prüfen und sich rechtzeitig externe Unterstützung zu holen.
  • Das neue Datenschutzgesetz sieht umfassende Rechenschafts- und Dokumentationspflichten vor. Überlegen Sie, wie und mit welchen Mitteln Sie dies zukünftig gewährleisten können.
  • Dies alles verursacht (hohe) Umsetzungskosten. Planen Sie diese auch in Ihr zukünftiges Budget ein.

Datenschutz ist kein Produkt, Datenschutz ist ein Prozess! Unter diesem Aspekt betrachtet, werden auch die Herausforderungen der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung zu meistern sein.

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