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Im Interview

"Das Internet schläft nicht"

förderland im Gespräch mit Markus Biedermann - Mitgründer von codeME - über Bildsymbolik, die Vorteile der Selbstständigkeit und virale Marketingstrategien.

Mike Linefield, Markus Biedermann und Stephan Kirchner von codeME. Bild: CodeMe Mike Linefield, Markus Biedermann und Stephan Kirchner von codeME. Bild: CodeME

förderland: Herr Biedermann, wer sind Sie, was können Sie, was machen Sie? Welchen beruflichen Hintergrund bringen Sie und Ihre Gründerkollegen mit?

Markus Biedermann: Die drei Gründer von codeME kommen aus der Agenturszene und sind dort seit vielen Jahren erfolgreich tätig. Wir decken von unserem Background her die Bereiche Design, Marketing und PR ab - jeder von uns hat da sein Spezialgebiet. Was mich persönlich angeht: ich war schon vor meiner "Agenturzeit" auf die Themen Medien und insbesondere das Internet spezialisiert, zum Beispiel habe ich meine Magisterarbeit über Weblogs geschrieben. Nach dem Studium habe ich meine Erfahrungen zuerst in der Kundenberatung und -betreuung vermittelt und nun also in unser eigenes Projekt codeME eingebracht. Gleiches gilt für Stephan Kirchner. Er ist selbstständiger Unternehmensberater und spezialisiert auf Marketing, Werbung und Kommunikation. Mike Linefield ist Diplom-Designer und leitet heute eine eigene Werbeagentur.

förderland: Wie funktioniert codeME genau?

Biedermann: codeME ist im Kern erstmal nur ein Zeichensystem beziehungsweise eine Bildsymbolik. Mittels verschiedener Kategorien und einem Zahlencode kann man die eigenen Eigenschaften, Vorlieben, Hobbys, Geheimnisse und mehr verschlüsseln und sich damit entsprechend individuell darstellen. Die logische Umsetzung auf ein konkretes Produkt war für uns zunächst der Druck der Symbole auf T-Shirts. Da das alleine etwas langweilig ist, hatten wir von Anfang an die Vernetzung unserer Kunden im Blick, denn letztendlich schließt ein bestimmter Code, den nicht jeder kennt, zwar auf der einen Seite viele aus, auf der anderen Seite die "Wissenden" aber zu einer Community zusammen. Das funktioniert online ebenso wie im Real Life, wo es vielleicht noch offensichtlicher ist: Sehe ich einen codeME-Träger, kann ich ihn oder sie gleich darauf ansprechen.

Damit dies auch im Web funktioniert, ist es notwendig, so offen wie möglich aufzutreten und zahlreiche Schnittstellen zu unserer Seite anzubieten. So arbeiten wir zum Beispiel mit Flickr oder YouTube und binden die entsprechenden Contents wiederum zentral bei uns ein. Diese Form von Community-Building ist letztendlich das, was wir unter Social Commerce verstehen. Den User dort abzuholen, wo er ohnehin schon steht, und ohne technische oder kommunikative Hürden auf unsere Seite zu führen.
Ich denke, wir gehen hier einen guten Weg, den wir in dieser Form auch weiter ausbauen werden. Das Weblog "Exciting Commerce" nannte unser Mash-Up-Konzept ein "Paradebeispiel für die Zukunft im Online-Handel" – ein Lob, das uns motiviert und natürlich auch bestätigt hat.

förderland: Wie ist die Idee zu codeME entstanden?

Biedermann: Unser Designer Mike Linefield hatte eines Tages die Idee, mit verschlüsselten Zeichen zu kommunizieren. Designer sind glaube ich so: da wuchert jeden Tag eine neue Idee durch die grauen Zellen, nur an die Umsetzung macht man sich nie. Sei es, weil sie zu kompliziert erscheint oder weil das Tagesgeschäft seinen Tribut fordert. Auf die codeME-Idee sind wir jedoch alle sofort angesprungen. Letzten Endes haben wir wohl einfach rechtzeitig das Potential daran erkannt, denn es ist ja nichts wirklich neues, dass mit Zeichen kommuniziert wird – man denke nur an die Schwulenszene. Offensichtlich war aber, dass es immer mehr Singles gibt, immer mehr Singlebörsen, und es den Leuten immer schwerer fällt, miteinander zu kommunizieren. Diesen Fokus hatten wir, als wir anfingen mit unserer Grundidee herumzuspielen und das Ganze einfach weiter auszubauen.

förderland: Haben Sie auch schon einmal darüber nachgedacht, sich einen 40-Stunden-Job zu suchen? Was reizt Sie an der Selbstständigkeit?

Biedermann: Nun, wir Drei verfolgen ja alle einerseits unsere eigene Selbstständigkeit, andererseits hier das gemeinsame Projekt codeME. Insofern war uns der notwendige Zeiteinsatz durchaus allen bewusst. Dazu kommt ja noch: Das Internet schläft nicht, macht keine Pausen und kennt keine Uhrzeiten. Besonders für Online-Projekte gilt wohl wie für kaum etwas anderes: Man muss die Bereitschaft mitbringen, zu allen möglichen Uhrzeiten und Tagen To-Dos abzuarbeiten und vor allem mit den Kunden zu kommunizieren. Die User sollen sich ja aufgehoben fühlen und wissen, dass ein engagiertes Team hinter codeME steckt. Im Online-Commerce gibt es tolle Beispiele für schnellen und kompetenten Service und Kommunikation, aber auch reichlich abschreckende. Wir versuchen, zu der ersten Gruppe zu gehören. Die Motivation zu dieser Bereitschaft speist sich natürlich am Erfolg des Projekts, am positiven Feedback, das man bekommt. Zudem darf man sich keine Illusionen machen: Neben der vielen Zeit, die es zu opfern gilt, braucht es auch einen wirklich langen Atem und eine gewisse Beharrlichkeit; das geht sicher alles nicht, ohne dass man wirklich an die eigene Idee glaubt. Generell kann man sicher auch sagen, dass der Reiz der Selbstständigkeit zu einem großen Teil darin besteht, dass man einen vergleichsweise sicheren Job hat – wir Drei sind jedenfalls davon überzeugt, dass es stetiger ist, ein eigenes Projekt aufzuziehen, als sich einen sogenannten "festen Job" zu suchen. Diese Ansicht teilen sicher viele, die schon drei Mal oder mehr den Job gewechselt haben.

förderland: Ab wann soll Ihr Unternehmen profitabel arbeiten oder tut es das schon?

Biedermann: Das tut es schon.

förderland: Der lange Weg von der ersten Idee bis zum tatsächlichen Launch Ihres Portals – welche Hindernisse mussten Sie aus dem Weg räumen?

Biedermann: Wir hatten zuerst ja tatsächlich nur die Idee. Von dort aus ging es an die Gestaltung der Icons und das erste Problem war sicherlich die Entscheidung: Mit welchen Auswahlmöglichkeiten befüllen wir unsere sechzehn Kategorien wie zum Beispiel Hobbys, Musik oder auch Sex? Da sind der Phantasie ja nur wenige Grenzen gesetzt, aber uns war bewusst: Einmal festgelegt, muss die Auswahl so bleiben. Man kann ja nicht plötzlich irgendwann die Codes ändern. Stellen sie sich vor, sie kaufen morgen ein Kuschelsex-codeME und werden in der Woche darauf aber als vermeintliche SM-Liebhaberin enttarnt.

Bei den restlichen Aufgaben der Umsetzung hatten wir ansonsten einen relativ leichten Einstieg, da wir ja von Anfang an aus dem entsprechenden Umfeld heraus agiert haben und unsere Kontakte zum Beispiel zu Webseiten-Entwicklern nutzen konnten. Was andere Aspekte angeht, z.B. die Finanzierung eines großen Projekts, da kam uns natürlich die Natur des Internets entgegen: Einfach mal loslegen kostet außer der aufzuwendenden Zeit nur sehr wenig.

förderland: Was steht im Moment noch auf Ihrer To-Do-Liste?

Biedermann: Derzeit arbeiten wir hinter den Kulissen an einem Relaunch unserer Seite. Wir verbessern sowohl das Design als auch die Nutzerfreundlichkeit, zum Beispiel, um unsere zahlreichen Kategorien und Icons – derzeit sind es ja schon 256 – besser und schneller zugänglich zu machen. Außerdem bringen wir bald einen neuen codeME T-Shirt-Wettbewerb auf youTube und myPeak an den Start. Im letzten ging es darum, sich möglichst geschickt umzuziehen ohne sich auszuziehen und diesmal haben wir einen Contest auf die schnellste Zeit geplant. Zuviel verraten will ich noch nicht. Aber wir sind sicher, dass wir den viralen Erfolg vom letzten Mal noch übertreffen können. Die Suche nach interessanten Partnern stand bei uns von Beginn an auch weit vorne. Das ist etwas, an dem man kontinuierlich dranbleiben muss.

förderland: Wie schätzen Sie die momentanen Voraussetzungen für eine Unternehmensgründung in Deutschland ein?

Biedermann: Ich glaube da kann ich auch für uns alle sprechen: Wir sind, was diesen Punkt und unsere Branche angeht, sehr zufrieden. Vielleicht ist Michael Glos ja deshalb einer der drei unbekanntesten Minister im aktuellen Kabinett, weil ihn zumindest diesbezüglich niemand wirklich dringend braucht.

förderland: Vielen Dank für das Gespräch.

© 2008 förderland

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