Schon mal etwas von Bootstrapping gehört? Bootstrapping bedeutet, ein Unternehmen ohne nennenswertes externes Kapital nur aus den laufenden Einnahmen zu finanzieren. Also eigentlich die natürlichste Sache der Welt, jeder Bäcker, Metzger, Gastwirt ist sozusagen ein Bootstrapper ... Die Grundfrage des Bootstrappers ist: Brauche ich unbedingt eine große Summe Risikokapital zum Unternehmensstart oder gibt es Alternativen?
Im November 2008 haben wir unser kleines Startup designenlassen.de gegründet und sind seitdem auf Bootstrapping-Basis organisch und profitabel gewachsen. Mittlerweile verzeichnet das Unternehmen gut sechsstellige Umsätze und ernährt die Gründer und 2 Praktikanten. Gleich zu Beginn: Wir sind keine “Bootstrapping-Evangelisten” die das von langer Hand genau so geplant hatten, wir sind da eher mangels Alternativen so reingerutscht. Aber einmal auf den Geschmack gekommen, würden wir es genau so wieder tun! Von unseren Learnings und Erfahrungen soll dieser Artikel berichten.
Nicht jede Idee ist geeignet
Nicht jede Geschäftsidee lässt sich auf Bootstrapping-Basis umsetzen und etwas Geld braucht selbst der hartnäckigste Bootstrapper. In unserem Fall betrug das Startkapital 5.000 €, dieses wurde zur Finanzierung der Gründungskosten und zur Anlauffinanzierung der ersten Werbemaßnahmen eingesetzt. Unsere Geschäftsidee war recht einfach: Mit designenlassen.de wollten wir einen Marktplatz schaffen, der Auftraggeber von Design-Dienstleistungen und Designer zusammenbringt. Das Konzept und die Programmierung unseres Marktplatzes konnten wir in Eigenregie neben anderen Projekten ohne externe Kosten umsetzen. Unser Zielmarkt war überschaubar und noch nicht durch Wettbewerber besetzt. Das war für uns das Signal zum Start, denn bekanntermaßen hat man als First-Mover im Markt immer einen kleinen Startvorteil.
Geschwindigkeit statt Perfektionismus
Wir machten uns also ans Werk und erstellten innerhalb von etwa 6 Wochen eine erste Grundversion unseres Marktplatzes. Das erste designenlassen.de war wirklich “Beta”, nur die allernötigsten Funktionen waren umgesetzt. Es ging uns einzig und allein darum, die Marktakzeptanz zu testen. Anfang November 2008 gingen wir mit der ersten Version und einigen Bugs live und rührten eigenhändig die Werbetrommel in den Social-Media Netzwerken und bei Google. Und siehe da, es funktionierte! Irgendwie gelang es von Anfang an, die kritische Masse an Auftraggebern und Designern für das Funktionieren des Marktplatzes zu gewinnen. Hätten wir das damals nicht geschafft, so wäre das Projekt schnell wieder in der Versenkung verschwunden, einen langen Atem hätten wir mangels Risikokapital nicht gehabt.
Cashflow statt Wachstum um jeden Preis
Die erste Weiterentwicklung der Beta-Version war dann gleich die Einführung kostenpflichtiger Services. Wir wollten so schnell wie möglich wissen, ob unsere Kunden auch bereit sind für unseren Service Geld auszugeben. Und hier wartete auch schon die erste Bewährungsprobe auf uns ... Der Termin für das Ende der Gratis-Kultur auf unserem Marktplatz war gerade kommuniziert, als ein erster ernstzunehmender und mit viel Risikokapital ausgestatteter Wettbewerber seinen Markteintritt ankündigte. Plötzlich waren wir in der Zwickmühle - Bootstrapping hat eben auch seine Schattenseiten, wie lange kann man gegen einen finanziell übermächtigen Wettbewerber bestehen? Wir haben kurz überlegt ob wir gegenhalten, hatten letztlich aber mangels Kapital keine andere Wahl als komplett sofort kostenpflichtig zu werden. Wir standen seitdem öfters vor ähnlichen Entscheidungen, haben uns aber letztlich immer wieder für den Cashflow entschieden.
Fokus, Fokus, Fokus
Bootstrapping-Unternehmen starten in der Regel sehr klein, als Gründer muss man daher viele Aufgaben selbst übernehmen und stellt schnell fest, dass der Tag nur 24 Stunden hat. Die Kunst besteht unserer Meinung darin, dass man Aufgaben die nicht zum Kerngeschäft gehören auslagert, und sich auf die entscheidenden Dinge konzentriert und diese dann selbst macht. Um die Buchhaltung haben wir uns beispielsweise noch nie selbst gekümmert, dafür gehen wir nach wie vor selbst ans Telefon und nehmen die Anrufe unserer Kunden entgegen. Wichtig ist, sich immer wieder vor Augen zu führen was eigentlich die Aufgaben sind, die zu neuem Umsatz und besserer Qualität führen. Wir machen hierzu alle paar Wochen einen kleinen „Jour-Fixe“ in dem wir über genau diese Fragen nachdenken und unsere Prioritäten neu setzen.
Ebay statt IKEA
Wer glaubt IKEA ist günstig, der sollte mal nach Büromöbeln bei Ebay stöbern. Wir haben uns zu Anfang die Frage gestellt: Brauchen wir wirklich ein repräsentatives Büro? Brauchen wir neue Einrichtungsgegenstände? Muss das sein? Die Antwort: Als Internet-Unternehmen braucht man so etwas zu Beginn definitiv NICHT, kein Kunde würde jemals Dein Büro betreten! Wir haben dann bei einer Büroauflösung der Quelle-Versicherung zugeschlagen und eine komplette Ausstattung bestehend aus mit 3 Arbeitsplätzen und 2 Regalen für ca. 20 € erstanden. Die Möbel konnten dann, nachdem wir uns nach 2 Jahren neu ausstatteten sogar mit Gewinn weiterverkauft werden!
Google Docs statt MS-Office
Es ist phantastisch, welche flexiblen und kostengünstigen Möglichkeiten Internet-Gründer heutzutage haben, wenn es um Software geht. Wir arbeiten weitestgehend Cloud-basiert und nutzen günstige Software-as-a-Service-Lösungen wo immer es geht. Für Textverarbeitung und Tabellenkalkulation nutzen wir die Google-Tools, telefoniert wird mit Skype, als Dokumenten-Server dient uns die Dropbox, Speicherplatz gibt´s bei Amazon, die Liste ließe sich noch lange fortführen... Wir fahren bislang sehr gut und günstig damit.
Kleine Veränderungen statt großer Relaunch
In den zweieinhalb Jahren unseres Bestehens haben wir ständig an der Seite gearbeitet, aber noch nie einen Relaunch gemacht. Unserer Erfahrung nach sind es die kleinen Verbesserungen, die wirklich zählen. In der Regel kommt der Impuls hierzu direkt von unseren Designern oder Auftraggebern. Als direkten Feedback-Kanal haben wir dazu einen Live-Chat in die Seite integriert, um die Kontaktschwelle merklich zu senken.
Wer sich eingehender mit dem Thema Bootstrapping beschäftigen möchte, dem empfehlen wir folgende Bücher:
- ReWork Business - intelligent und einfach
von Jason Fried (Autor), David Heinemeier Hansson - Die 4-Stunden-Woche: Mehr Zeit, mehr Geld, mehr Leben
von Timothy Ferriss - Bootstrapping 101
von Bob Reiss - Alles von Guy Kawasaki
Autor dieses Beitrags ist Michael Kubens von designenlassen.de. Wer Michael kontaktieren möchte, der schreibt ihm einfach eine E-Mail oder besucht das Start-up in der Kleestraße 21 - 23 in Nürnberg.