Einkaufsvorteile und Rückvergütungen

Einkaufsvorteile und Rückvergütungen

 

Von großer praktischer Bedeutung ist die "Apollo" Rechtsprechung für das Franchising vor allem hinsichtlich der Behandlung von Einkaufsvorteilen und Differenzrabatten sowie von Rückvergütungen, Provisionen und Bonuszahlungen. Dabei handelt es sich um finanzielle Vorteile, die sich aus dem Warenbezug der Franchisenehmer ergeben, die jedoch häufig von dem Franchisegeber vereinnahmt werden sollen.

 

Das Problem tritt eigentlich in doppelter Gestalt auf. In einigen Franchisesystemen hat der Franchisegeber die Funktion eines Herstellers, Importeurs oder Zwischenhändlers; er verkauft seine Waren an die Franchisenehmer. Der Franchisegeber verdient dann, oft zusätzlich zu den vereinbarten Franchisegebühren, im Rahmen des Warenbezugs der Franchisenehmer an einer Marge. Dass die Praxis selten von einer Marge, sondern meist von "Preisaufschlägen“ spricht, deutet die Problematik bereits an. Wenn der Franchisegeber als Zwischenhändler auftritt, wird in diesem Zusammenhang regelmäßig auch die Forderung nach der „Weitergabe von Preisnachlässen“ erhoben, die der Franchisegeber von seinem Lieferanten erhält. In anderen Franchisesystemen beziehen die Franchisenehmer die Waren von Systemlieferanten, die mit dem Franchisegeber nicht personenidentisch sind. Bei dieser Gestaltungsform lässt sich der Franchisegeber oft von den Lieferanten einen Vorteil in Form von Rückvergütungen, Provisionen oder Bonuszahlungen gewähren (dafür wird gelegentlich der unschöne Ausdruck "kick-backs" verwendet). Beide Handhabungen sind als Randerscheinungen übrigens auch im Bereich des Dienstleistungsfranchising festzustellen und betreffen dort die Produkte und Ausstattungen, welche die Franchisenehmer für ihren Betrieb beziehen müssen.

 

Die Methode der "Preisaufschläge" ist grundsätzlich rechtlich nicht zu beanstanden. Probleme bestehen allerdings, wenn die Preisaufschläge als eine Gegenleistung des Franchisenehmers definiert werden, die dieser für Leistungen des Franchisegebers aus dem Franchisevertrag zu erbringen hat. Man spricht zutreffend auch von "verdeckten Franchisegebühren". Eine solche Handhabung kann gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 505 Abs. 2 BGB verstoßen, weil die verdeckten Franchisegebühren meist außerhalb der Vertragsurkunde und nur mündlich vereinbart werden. Die Gegenleistung des Franchisenehmers, die in einem Synallagma mit den Leistungen des Franchisegebers steht, muss schriftlich in dem Franchisevertrag verankert sein. Es ist dringend zu empfehlen, eine vertragliche Regelung aufzunehmen, wobei die Höhe der Gegenleistung in Form der Marge nicht offen gelegt werden muss. Unabhängig von dieser Rechtsfrage ist es einem Franchisegeber stets zu empfehlen, offenzulegen, dass er an einer solchen Marge verdient. Die Beschädigung des Vertrauens, die eintritt, wenn diese Handhabung zunächst verschleiert und später aufgedeckt wird, kann nicht durch einen Hinweis auf das „rechtliche Dürfen“ behoben werden.

 

Die „Apollo“ Urteile betreffen hingegen die Methode der Rückvergütungen, Provisionen und Bonuszahlungen, die sich der Franchisegeber von den Systemlieferanten gewähren läßt. In dem zugrunde liegenden Sachverhalt hatte sich der Franchisegeber günstige Rabatte für seine Eigenbetriebe ausgehandelt. Die Franchisenehmer erhielten hingegen geringere Rabattsätze; der Differenzbetrag der Rabatte ließ sich der Franchisegeber von den Brillenglaslieferanten als Vergütung auszahlen (die Lieferanten und der Franchisegeber verwendeten hierfür den Begriff der „Differenzrabatte“).

 

Seit langem besteht in Literatur und Rechtsprechung Streit, ob der Franchisegeber derartige finanzielle Vorteile, die ihm ein Lieferant gewährt, an die Franchisenehmer auszahlen muss. Ein Teil der Literatur verneint einen solchen Anspruch der Franchisenehmer und kann das „Sixt“-Urteil des BGH für sich anführen. Der BGH hatte sich mit dieser Frage zwar nur am Rande beschäftigt. Der Kartellsenat stellte jedoch fest, dass es einen gesetzlichen Anspruch des Franchisenehmers auf Auszahlung derartiger finanzieller Vorteile nicht gebe. Auch das OLG Frankfurt/Main und das LG Hamburg haben Auskunfts- und Auszahlungsansprüche von Franchisenehmern in jüngeren Entscheidungen verneint. Demgegenüber bejaht die wohl herrschende Lehre einen Zahlungs- und Auskunftsanspruch des Franchisenehmers gemäß §§ 675, 666, 667 BGB. Diese Meinung hatte sich vor dem Hintergrund des „Sixt“-Urteils des OLG München gebildet, obwohl dieses Urteil durch die Entscheidung des BGH aufgehoben worden war.

 

Durch die drei „Apollo“-Urteile erfährt die herrschende Lehre Verstärkung. Zwar hat der Kartellsenat Zahlungs- und Auskunftsansprüche der Franchisenehmer in allen Fällen auf der Grundlage einer vertraglichen Regelung bejaht, die auszulegen war. Der Franchisegeber hatte sich in dem Franchisevertrag nämlich zur Weitergabe von „Vorteilen ... zur Erreichung optimaler Geschäftserfolge“ verpflichtet. Das zweite „Apollo“-Urteil betont auch, dass es in dem konkreten Fall nicht um eine „Weiterleitungspflicht“, sondern um die Verpflichtung handelte, dafür Sorge zu tragen, dass die mit den Lieferanten ausgehandelten Preisnachlässe den Franchisenehmern in voller Höhe zugute kommen konnten. Der Auszahlungsanspruch stellte sich deshalb als Schadenersatzanspruch aus positiver Forderungsverletzung dar. Der daran geknüpfte Auskunftsanspruch ergab sich aus § 242 BGB, wobei der Kartellsenat betont, dass dem Franchisegeber auch kein Geheimhaltungsinteresse zuzubilligen sei.

 

Von Bedeutung für den Meinungsstreit ist es jedoch, dass der Kartellsenat in allen drei Entscheidungen ausdrücklich offen gelassen hat, ob neben der vorrangigen vertraglichen Regelung auch eine gesetzliche Verpflichtung mit gleicher Zielrichtung und Reichweite bestanden hätte. Dafür spricht Vieles. Zunächst kann gegen Zahlungs- und Auskunftsanspruch nicht vorgebracht werden, es fehle an einer gesetzlichen Regelung; denn diese Feststellung gilt für sämtliche abstrakten und von der Gestaltung des Franchisevertrages unabhängigen Regeln, die im Bereich des Franchising dennoch anerkannt sind. Im Gegenteil: In Gestalt der §§ 675, 666, 667 BGB ist in diesem Fall sogar eine gesetzliche Regelung vorhanden, auf die zurückgegriffen werden kann, ohne für die Auszahlungsanspruch den Grundsatz von Treu und Glauben bemühen zu müssen. Dass der Franchisegeber bei der Einsammlung von finanziellen Vorteilen, die sich ausschließlich aus dem Warenbezug der Franchisenehmer ergeben, ein Geschäft der Franchisenehmer besorgt, kann heute eigentlich keinen Zweifeln mehr unterliegen. Dies entspricht dem anerkannten, modernen Verständnis eines Franchisesystems als einem Netzwerk von arbeitsteilig zusammen arbeitenden Unternehmen, bei dem die Systemzentrale Aufgaben übernimmt, die allen Beteiligten zugrunde kommen (z.B. Werbung, Marketing, Entwicklung von neuen Produkten und Strategien, Verhandlung mit Systemlieferanten, Erzielung von Preisvorteilen, Markt- und Wettbewerbsbeobachtung). Und seit langem ist anerkannt, dass die wechselseitigen Interessenwahrnehmungs- und Unterstützungspflichten der Franchisepartner dem Geschäftsbesorgungsvertrags- und Dienstvertragsrecht zuzuordnen sind. Vergütungen, die sich aus dem Warenbezug der Franchisenehmer ergeben, sind von diesen erarbeitet und erdient worden und stehen ihnen deshalb wirtschaftlich zu. Der Franchisegeber besorgt also ein fremdes Geschäft, wobei er dafür in Form der Franchisegebühren ein Entgelt vereinnahmt. Schließlich spricht für dieses Ergebnis auch die Schutzbedürftigkeit des Franchisenehmers, der weitgehend fremdbestimmt investiert hat und dem andere Bezugsquellen und damit auch die Erschließung anderer, eigener Einkaufsvorteile meist vertraglich verwehrt wird. Für den Umstand, dass die Aushandlung und die Weitergabe von Einkaufsvorteilen im Auftrag der Franchisenehmer geschieht, läßt sich übrigens auch anführen, dass viele Franchisegeber mit dieser Leistung werben, um Existenzgründer als neue Franchisenehmer zu gewinnen, ohne dass die Franchiseverträge hierzu eine ausdrückliche Regelung enthalten.

 

Dr. Patrick Giesler (Stand: Dezember 2004), www.franchiserecht.de

 

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