Fachbeiträge

Bundesgerichtshof betont Eigenverantwortung von Existenzgründern

In einer Aufsehen erregenden Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof (BGH, Beschluss vom 24.02.2005 - Az.: III ZB 36/04) zum ersten Mal mit der Frage beschäftigen müssen, ob angehende Unternehmer (Existenzgründer) Verbraucher im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind.

Von Dr. Roger Ebert und Dr. Cornelius von Kenne 

Ursache für die Entscheidung war, dass der Verbraucherschutz, der bis zum 31.12.2001 im wesentlichen im Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) geregelt war, seit dem 01.01.2002 aufgrund europarechtlicher Vorgaben vom deutschen Gesetzgeber neu geregelt und dabei vollständig in das Bürgerliche Gesetzbuch eingebettet worden war.

Unter Anwendung des alten Verbraucherkreditgesetzes galten Existenzgründer beim Abschluss von Kreditverträgen, Ratenlieferungsverträgen oder Verträgen mit Bezugsverpflichtungen gemäß § 1 Abs. 1 VerbrKrG grundsätzlich als Verbraucher.

Der Bundesgerichtshof hat in seiner neuen Entscheidung nunmehr festgestellt, dass Existenzgründer keine Verbraucher mehr, sondern Unternehmer im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (§ 14 BGB) seien. Ausdrücklich heißt es in der Entscheidung vom 24.02.2005:

„Es besteht ferner kein Anlass, demjenigen Verbraucherschutz zu gewähren, der sich für eine bestimmte gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit entschieden hat und diese vorbereitende oder unmittelbar eröffnende Geschäfte abschließt. Denn er begibt sich damit in den unternehmerischen Geschäftsverkehr. Ein Existenzgründer agiert nicht mehr von seiner Rolle als Verbraucher. Er gibt dem Rechtsverkehr zu erkennen, dass er sich nunmehr dem Recht für Unternehmer unterwerfen und dieses seinerseits auch in Anspruch nehmen will."

Zwar betraf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes nur die Existenzgründung einer Fachärztin, die zu diesem Zweck mit anderen Ärzten eine Gemeinschaftspraxis errichtet hatte. Obwohl nicht entscheidungserheblich, hat der Bundesgerichtshof in diesem Zusammenhang jedoch ausdrücklich festgehalten, dass diese Grundsätze auch für existenzgründende Franchise-Nehmer gelten.

Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind aufgrund bis jetzt fehlender Rechtsprechung und auch neuerer Literaturstimmen noch nicht hinreichend geklärt. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Eigenschaft des existenzgründenden Franchisenehmers als Unternehmer im Sinne des § 14 BGB insbesondere in folgenden Bereichen Konsequenzen haben dürfte:

1. Umfang der vorvertraglichen Aufklärungspflicht des Franchisegebers

Als selbstständiger Unternehmer wird sich der existenzgründende Franchise-Nehmer in weitem Umfang selbst über die Chancen und Risiken seiner angehenden Franchise-Tätigkeit erkundigen müssen.

Das Erteilen einer Rentabilitätsberechnung oder das Erstellen einer Standortanalyse, wie teilweise von einzelnen Instanzgerichten gefordert (so z. B. OLG Köln, Urteil vom 16.05.1994 - Az.: 2 W 14/94; OLG Rostock, Urteil vom 29.06.1994 - Az.: 1 U 293194), dürfte unter Berücksichtigung der Entscheidung des Bundesgerichtshofes nicht mehr zu den Aufklärungspflichten eines Franchise-Gebers gehören. Auch der Umfang der Pflichten des Franchise-Gebers bezüglich einfacher Rentabilitätsangaben (Konkurrenz- und Marktsituation, durchschnittliche Umsatzerwartung, erforderliches Mindest- bzw. Startkapital, Umfang erforderlicher Anfangsinvestitionen) sollte nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes zurückhaltender zu beurteilen sein.

2. Inhaltskontrolle des Franchisevertrages nach AGB-Regeln

Die nach den §§ 305 ff. BGB durchzuführende Inhaltskontrolle bei Franchise-Verträgen, die vom Franchise-Geber für den Abschluss einer Vielzahl von Verträgen verwendet werden (Allgemeine Geschäftsbedingungen), sollte künftig wesentlich weniger restriktiv durchzuführen sein. Franchise-Nehmer, die sich darauf berufen, dass einzelne Klauseln ihres Franchise-Vertrages einer AGB-Kontrolle nicht standhalten, dürften damit vor Gericht weniger erfolgreich sein als bisher. Denn nach § 310 Abs. 1 BGB findet bei der Verwendung von allgemeinen Geschäftsbedingungen gegenüber Unternehmern nur eine eingeschränkte Kontrolle einzelner Vertragsbestimmungen statt.

3. Widerrufsrecht des Franchisenehmers

Unter der Geltung des alten Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) bestand für Existenzgründer beim Abschluss von Kreditverträgen, Ratenlieferungsverträgen oder Verträgen mit Bezugsverpflichtungen eine einwöchige Widerrufsmöglichkeit (§ 7 VerbrKrG), deren Lauf bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung über den möglichen Widerruf nicht ausgelöst wurde. Das Recht zum Widerruf war nur bei Kreditverträgen ausgeschlossen, wenn der Nettokreditbetrag 100.000 DM überstieg.

Bei Bezugsverpflichtungen, wie sie in Franchise-Verträgen regelmäßig anzutreffen sind, bestand nicht einmal diese Einschränkung, wie der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 14.12.1994 (Az.: VIII ZR 46194 - „Ceiling Docfor") ausdrücklich bestätigt hatte. Franchise-Nehmer hatten nach der alten Gesetzeslage demzufolge grundsätzlich die Möglichkeit, ihren Franchise-Vertrag zu widerrufen.

Unter der neuen Rechtslage besteht demgegenüber ein gesetzliches Widerrufsrecht des Franchise-Nehmers bei einer Bezugsverpflichtung (§ 505 Abs. 1 Nr. 3 BGB) nur unter der weiteren Voraussetzung des § 507 BGB. Nach § 507 BGB finden die verbraucherschützenden Vorschriften auf Existenzgründer, die sich ein Darlehen, einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe gewähren lassen oder zu diesem Zweck einen Ratenlieferungsvertrag abschließen, keine Anwendung, wenn der Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreispreis 50.000 € übersteigt.

Die Anwendung dieser auf Darlehen und klassische Ratenlieferungsverträge, bei denen der Gesamtbetrag aller Teilzahlungen maßgeblich ist, zugeschnittenen Vorschrift auf Franchise-Verträge ist noch völlig ungeklärt. Höchstrichterliche Entscheidungen liegen hierzu nicht vor.

Insbesondere stellt sich das Problem, dass bei Franchise-Verträgen regelmäßig eine sog. „offene" Bezugsverpflichtung vorliegt und der Umfang der Gesamtverpflichtung des Franchise-Nehmers zum Zeitpunkt des Abschlusses des Franchise-Vertrages gerade nicht feststeht. Der Umfang der vom Franchise-Geber bezogenen Waren wird regelmäßig vom Geschäftsentwicklung des Franchise-Nehmers abhängen, soweit der Franchise-Vertrag keine bereits von vornherein festgelegte feste monatliche Bezugspflicht einzelner Waren vorsieht.

Teilweise wird die Ansicht vertreten, die Vorschrift des § 507 BGB nicht auf Franchise-Verträge anzuwenden, da dies dem eigentlichen gesetzgeberischen Willen entspreche, der eine inhaltliche Änderung zum alten Verbraucherkreditgesetz (VerbrKrG) nicht habe herbeiführen wollen (so Giesler/Kroll, Praxishandbuch Vertriebsrecht, 2005, § 4, Rn. 263). Es bleibe dabei, dass Franchise-Nehmer - wie unter dem alten Verbraucherkreditgesetz - kraft Gesetzes ihren Franchise-Vertrag widerrufen könnten.

Nach anderer Ansicht ist der Ausschlusstatbestand des § 507 BGB erfüllt, wenn sich im Wege einer Prognose bei Abschluss des Franchise-Vertrages eine Bezugsverpflichtung des Franchise-Nehmers in Höhe von mehr € 50.000 bis zum Ende der Laufzeit des Franchise-Vertrages feststellen lasse, wobei allerdings die Kosten für eine vom Franchise-Geber zu beziehende Erstausstattung des Franchise-Geschäftes unberücksichtigt zu bleiben hätten. 

Soweit diese Literaturstimme in der Rechtsprechung Gehör findet, dürfte in der Praxis ein Widerrufsrecht des Franchise-Nehmers oftmals ausscheiden.

Insgesamt ist damit festzuhalten, dass die grundsätzliche Einordnung des Franchise-Nehmers als Unternehmer, wie sie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 24.02.2005 (Az.: III ZB 36/04) vorgenommen hat, zahlreiche rechtliche Fragen aufgeworfen hat. Feststehen sollte jedoch auf jeden Fall, dass mit der Entscheidung die Eigenverantwortung der Franchise-Nehmer gestiegen sein wird. Im Falle rechtlicher Auseinandersetzungen zwischen den Parteien des Franchise-Vertrages wird dies künftig zu beachten sein.

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