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Verbindlichkeiten

Zahlungsschwierigkeiten richtig meistern

Trotz aktuell guter Wirtschaftsdaten und anziehender Konjunktur haben viele Betriebe nach wie vor mit ganz rudimentären Problemen zu kämpfen: mit Zahlungsschwierigkeiten. Bei manchen ist es fast zum täglichen Kampf geworden, fällige Verbindlichkeiten halbwegs pünktlich erfüllen zu können. Nachfolgend einige grundsätzliche Anmerkungen, wie Betroffene solch kritische Situationen bestmöglich deuten und meistern sollten.

Wir Deutschen neigen ja bekanntlich zu den Extremen. Erst himmelhochjauchzend, dann postwendend zu Tode betrübt, um dann gleich wieder in tiefe Resignation zu verfallen. Psychologen nennen solch extreme Schwankungen der Gefühle "bipolare Störungen". Im Privaten sind die Pole Manie und Depression, in der Wirtschaft ist es Expansion und Rezession oder schlicht Auf- und Abschwung. Klagten wir gestern noch über die schwache Wirtschaft, können wir uns heute vor konjunkturellen Jubelmeldungen gar nicht mehr retten, Negatives wird dann eher verdrängt. Das Dumme ist nur, dass unser Thema für viele Unternehmen in beiden extremen Phasen existent bzw. ein Dauerbrenner ist.

Daher gleich zu Beginn der entscheidende Hinweis für betroffene Unternehmer:
Zahlungsschwierigkeiten sind in der Regel kein konjunkturelles, sondern ein strukturelles Problem. Bauen Sie nicht darauf, dass sich das Thema in guten Zeiten quasi von allein erledigt. Gehen Sie dem Problem auf den Grund und analysieren es gründlich.

Genaue Analyse durchführen

Zahlungsschwierigkeiten bedeuten, dass Sie die fälligen Verbindlichkeiten nicht fristgerecht zahlen können. Klassische Beispiele sind die jeden Monat fällige Umsatz- und Lohnsteuer. Man ruft beim Fiskus an oder schickt den Steuerberater, um eine Stundung, Fristverlängerung oder ähnliches auszuhandeln. Je öfter man das jedoch macht, desto nerviger wird das Verfahren für beide Parteien: für den Unternehmen wie für den Fiskus. Letzterer pfändet Ihr Konto, wenn es ihm zu blöd wird. Leider sind die Steuer-Rückstände meist nur die Spitze des Eisbergs. Die Erfahrung zeigt, dass zuerst die Lieferanten länger auf ihr Geld warten müssen, weil man ja eigentlich Fiskus und Krankenkassen noch bestmöglich bedienen will. Ganz brenzlig wird es dann, wenn die eigenen Mitarbeiter auch nur Tage später ihren Lohn bekommen.

Geht dieses Trauerspiel über mehrere Monate, handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht um rein kurzfristige Zahlungsstockungen, z.B. verursacht durch einen verspäteten Zahlungseingang eines Schuldners. Eher liegt eine, evtl. schon seit längerem bestehende, kurzfristige liquide Unterdeckung vor. Deren Ursache, Höhe und weitere Entwicklung gilt es daher genau zu ermitteln. Das liegt nicht nur in Ihrem ureigensten Interesse, dazu sind Sie als Inhaber, Geschäftsführer oder Vorstand auch gesetzlich verpflichtet. In Deutschland wird der Schutz der Gläubiger bekanntlich sehr hoch gehalten, da kann man schnell Ärger mit dem Staatsanwalt bekommen.

Zunächst geht es darum, den aktuellen statischen Liquiditätszustand zu ermitteln und mit dem der Vorperiode zu vergleichen. Idealer Zeitpunkt ist der Letzte eines Monats, da hier auf vernünftige Zahlen aus der Buchhaltung zurückgegriffen werden kann. Als Vergleichsbasis bietet sich die letzte Bilanz an. Stellen Sie – am besten in einer Excel-Tabelle – in zwei Spalten kurzfristige Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber, und weisen dann den Saldo beider Spaltensummen aus. Der Saldo ist entweder ein Überschuss oder ein Fehlbetrag. Kurzfristig heißt: Fälligkeit jeweils innerhalb der nächsten 90 Tage. Langfristige Bankdarlehen und länger laufende Leasing-Verpflichtungen sind hier mit Ausnahme von einer oder max. zwei Raten nicht relevant.

Eine solch einfache Liquiditätsbilanz sieht dann z.B. so aus

Die Zahlen der Liquiditätsbilanz zeigen:

 

  • Die statische Liquiditätslage hat sich gegenüber letztem Jahr deutlich verschlechtert.
  • Bestand Ende 2005 noch ein liquider Überschuss, so ist ein Jahr später eine Unterdeckung (Fehlbetrag) aufgetreten.
  • Der Deckungsfaktor, also das Verhältnis kurzfristiger Forderungen zu Verbindlichkeiten, ist unter den kritischen Wert 1,0 gefallen. Die gelbe Ampel leuchtet auf. Sinkt er gar unter 0,9, wird es gefährlich, da unser oberstes Gericht, der BGH, ab hier bereits die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit sieht.
  • Die saldierte Kontokorrentbeanspruchung ist von 85,0% auf fast 100% gestiegen. Bei den Banken ist also keine Luft mehr.
  • Während die Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten noch leicht gestiegen sind, haben sich die Forderungen gegenüber Kunden deutlich reduziert und liegen jetzt sogar niedriger als die Lieferantenverbindlichkeiten. Die zweite gelbe Lampe leuchtet auf.
  • Die positive Entwicklung bei den Krankenkassen täuscht hingegen, da wegen der in 2006 erfolgten Zahlungsumstellung auf den laufenden Monat de facto hier am Monatsende keine (bzw. nur geringe) Verbindlichkeiten mehr zu verzeichnen sind.

 

In der nebenstehenden Grafik wird die negative Entwicklung anhand von drei liquiden Schlüsselkennzahlen sehr anschaulich.

Die blaue Linie (Deckungsfaktor) fällt deutlich und nähert sich gefährlich der roten Linie (kritischer Wert nach BGH) an, die niemals unterschritten werden sollte! Und die schwarze KK-Linie hat ihr Maximum 1,0  (bzw. 100 Prozent Limitbeanspruchung) fast voll erreicht. Mehr als 1,0 geht aber nicht, da viele Banken eine Konto-Überziehung nicht mehr dulden bzw. längere Überziehungen Ihr Rating sehr negativ beeinflussen.

Mögliche Ursachen prüfen

Hier kann nur allgemein auf mögliche Ursachen hingewiesen werden, die für die negative Entwicklung in Frage kommen könnten:

1.    Zu geringe Deckungsbeiträge
2.    Arbeiten mit Verlust
3.    Fehlerhafte Kalkulation
4.    Zu hohe Tilgungen
5.    Zu hohe Privatentnahmen
6.    Höhere Forderungsaufälle
7.    Hoher außerordentlicher Aufwand
8.    Zu großer Eigenanteil bei Investitionen
9.    Hohe Steuernachzahlungen (für gute Gewinne aus früheren Jahren)

Um die ersten drei möglichen Ursachen auszuschalten, sollte das Kalkulations- und Rechnungswesen kritisch durchleuchtet werden. Prüfen Sie insbesondere Ihre Stundenverrechnungssätze. Holen Sie sich hierzu gegebenenfalls externen Rat, da man selbst oft betriebsblind ist. Bei der Prüfung der anderen Punkte dieser Ursachenliste sollten Sie Ihre Kapitalflussanalyse genau studieren, die heute praktisch vor jedem guten Buchhaltungsprogramm automatisch geliefert wird. Am aussagekräftigsten sind dabei Kapitalflussrechnungen, die die Veränderungen des Nettoumlaufvermögens detailliert nachvollziehen.

Kurzfristige Maßnahmen treffen

Nachdem wir die statische Liquiditätslage mit einer Unterdeckung (im Beispiel 17.920 Euro) festgestellt haben, sollten die kommenden 12 bis 24 Monate bestmöglich prognostiziert werden (dynamische Liquiditätsanalyse). Machen Sie hierzu einen groben monatlichen (wenn nötig auch einen wöchentlichen) Liquiditätsplan, aus dem die monatlichen Über- bzw. Unterdeckungen deutlich hervorgehen. Versuchen Sie hierbei, den Cashflow möglichst realistisch wiederzuspiegeln, also genau anzugeben, wann welcher Cash ab- und wann welcher Cash zufließt. Vergessen Sie hier zunächst alle G+V-relevanten Überlegungen aus der Finanzbuchhaltung. Denken Sie insbesondere daran, dass manche Kunden deutlich später zahlen als Sie die Rechnungen fakturieren! Vergessen Sie auch nicht Ihre Ertragssteuerzahlungen und die Quartalsweise fälligen Steuervorauszahlungen. Planen Sie alle Zahlungsströme brutto, also incl. der Umsatzsteuer! Die Abschreibung hingegen hat hier nichts verloren (weil hier nichts fließt), während anders als in der Finanzbuchhaltung die Tilgungen anzugeben sind.

Ihre Grobplanung könnte z.B. dieses Aussehen haben

Die Zahlen der Liquiditätsplanung zeigen

 

  • In den Monaten Januar, April, Juni und August (Urlaubsmonat) rechnen Sie damit, dass die Einnahmen die Ausgaben nicht decken. Wie sollen die Lücken gedeckt werden?
  • Insgesamt ergibt sich für das Jahr 2007 eine liquide Unterdeckung von 7.000 Euro die die bereits bestehende Lücke von 17.920 Euro noch erhöht. Wie soll der Fehlbetrag von zusammen  26.920 Euro finanziert werden?

 

Angesichts der Tatsache, dass Ihr Kontorahmen bereits ausgeschöpft ist und Sie mit keiner zusätzlichen Kapitalzufuhr – weder privat noch fremd – rechnen können, sind folglich auch zukünftig Zahlungsschwierigkeiten quasi vorprogrammiert.

Sie haben nun folgende Möglichkeiten:

1. Durchforsten Sie knallhart alle Ausgaben auf mögliche Einsparmöglichkeiten. Kann z.B. die Privatentnahme im August (für den Urlaub) in Höhe von 2.000 Euro gestrichen werden?

2. Müssen für die geplanten Investitionen wirklich Eigenmittel von zusammen 1.500 Euro eingesetzt werden ? Evtl. Ratenzahlungen vereinbaren oder Leasing anstreben!

3. Die Gewinnerwartung wird bei solchen Zahlen nicht besonders hoch ausfallen. Versuchen Sie, beim Finanzamt die vier Steuervorauszahlungen von je 500 Euro unter Bezugnahme auf die schwache Gewinnentwicklung auszusetzen. Macht zusammen 2.000 Euro.

Somit ließen sich allein durch diese drei Maßnahmen die Ausgaben zusammen um 5.500 Euro kürzen. Es verbliebe allein aus 2007 immer noch eine Unterdeckung von 1.500 Euro. Wenn wirklich nichts anderes mehr geht, können Sie vielleicht den einen oder anderen Lieferanten noch mal vertrösten. Machen Sie jedoch bitte in diesen Fällen eines nicht: Schrauben Sie Ihre Umsatzerwartungen einfach um den fehlen Betrag nach oben! Das geht meist ins Auge.

Vielleicht könnten Sie sich so halbwegs über das nächste Jahr retten. Aber die aktuell bestehende liquide Unterdeckung von knapp 18.000 Euro bleibt ja bestehen und wird immer wieder zu Zahlungsschwierigkeiten führen.---NEUE-SEITE---Grundsätzliche Überlegungen anstellen

An dem Beispiel sehen Sie, dass Sie langfristig mit solchen Klein-Klein-Lösungen Ihre Zahlungsschwierigkeiten eher nicht in den Griff bekommen. Es besteht zudem die Gefahr, dass plötzlich auftretende negative Effekte, wie z.B. ein größerer Forderungsausfall, schnell das ganze Schiff zum Kentern bringen sprich unausweichlich in die Insolvenz führen. Leider läuft das in vielen Betrieben genau so oder ähnlich ab. Tag für Tag ab. Eine unendliche Geschichte.

Wenn Sie daher Ihre Zahlungsschwierigkeiten wirklich "meistern" (das Wort kommt von Meister!) wollen, sollten Sie die Sache an der Wurzel packen. Dazu folgende Handlungsempfehlung:

Machen Sie eine grobe und mindestens drei zukünftige Jahre umfassende Ertrags- und Liquiplanung. Betrachten Sie dann den gesamten freien Cash, der sich nach drei Jahren ergibt.

Es gibt dann zwei Alternativen:

1. Wenn der zukünftige Cash ausreicht, die festgestellte aktuelle liquide Unterdeckung (in unserem Beispiel die 17.920 Euro) abzudecken, gehen Sie mit der Planung zu Ihrer Hausbank und verhandeln über eine befristete KK-Erhöhung oder um ein neues Darlehen in dieser Höhe. Wenn der Banker Ihre Planung als plausibel erachtet und Ihre Bonität halbwegs zufrieden stellend ist, dürfte das kein Problem sein. Gelingt dies jedoch nicht, eruieren Sie alle anderen Möglichkeiten der Fremdkapitalzufuhr, z.B. von Familie, Freunden, Mitarbeitern, Lieferanten und nicht zuletzt von Kunden. (In unserem Beispiel sollten dann jedoch die Jahre 2008 und 2009 verdammt gut ausfallen, da ja das Jahr 2007 laut Plan noch negativ verläuft!)

2. Wenn der zukünftige Cash jedoch nicht ausreicht, die festgestellte aktuelle liquide Unterdeckung (in unserem Beispiel die 17.920 Euro ) abzudecken bzw. wenn die liquide Unterdeckung sich sogar noch weiter erhöht, obwohl Sie alle Maßnahmen entsprechend der o.a. Checkliste geprüft haben, signalisiert Ihnen der Markt mehr oder weniger eindeutig, das Ihr Geschäftsmodell unrentabel ist. Entweder Sie prüfen es dann von Grund auf (sog. "Virtuelle Neu-Planung auf der grünen Wiese") und finden Kosteneinsparungen und Ertragssteigerungen. Oder aber Sie gestehen sich ein, besser sofort das Ganze einzustellen und vielleicht etwas anders neu zu versuchen. Jeder Euro, den Sie weiter in ein aussichtsloses Business stecken, geht für ein anderes Geschäft verloren. Und Sie selbst werden auch nicht jünger, sprich verlieren wertvolle Zeit und Geld, rechtzeitig für Ihr Alter vorzusorgen. Letzteres kommt wie das Amen in der Kirche, selbst wenn Sie da nie hingehen.

Die Philosophie von "Zahlungsschwierigkeiten"

Der folgende Satz ist daher überhaupt nicht zynisch gemeint: Andauernde Zahlungsschwierigkeiten sind meist ein Geschenk Gottes oder ein Wink von oben oder sonst ein beachtenswertes Zeichen. Viele erkennen dieses Zeichen leider nicht oder deuten es falsch. Sie wursteln sich dann noch über Wochen und Monate so durch, riskieren dabei Kopf und Kragen, verlieren nicht selten dabei neben der Lebensfreude auch noch Partner und Familie.

Wenn ein Geschäft nicht so läuft wie es laufen soll, liegt dies in den wenigsten Fällen an der Dummheit des Machers oder an "bipolaren Störungen". Insbesondere die amerikanische Wirtschaftsgeschichte ist voll von Stories erfolgreicher Macher, die es erst beim zweiten gar dritten Mal geschafft haben. Wirklich dumm wird es erst dann, wenn die Zeichen des Marktes nicht erkannt werden und ein erfolgloses Projekt auf Teufel komm raus durchgezogen werden soll.

Wenn Sie jedoch die hier vorgestellten zwei Instrumente statische Liquiditätsbilanz und grobe Liquiditätsplanung konsequent einsetzen, wird es erst gar nicht zu andauernden Zahlungsschwierigkeiten kommen. Denn Sie erkennen rechtzeitig, wann etwas nicht richtig läuft und werden sofort die richtigen Gegenmaßnahmen einleiten.

 

 

 

Autor: Stefan Uhlig

Stefan Uhlig ist freiberuflicher Unternehmensberater und Sachverständigengutachter mit den Schwerpunkten Sanierung, Krisenbereinigung, Liquiditäts-Management und Verfasser des Fachbuchs "Immer zahlungsfähig. Nachhaltig erfolgreicher wirtschaften durch höhere Wertschöpfung und konsequentes Liquiditätsmanagement.
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