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Interview

Factoring und ABS im Mittelstand

Dr. Maria Zeller (Chefanalystin der Rating Services AG) im Gespräch mit Herrn Andreas Jorns, Geschäftsführer der F&U Consulting GmbH 

Rating News: Ihr Unternehmen, die F&U Consulting GmbH, gilt als Spezialist für innovative Mittelstandsfinanzierungen. Welche Rolle spielen dabei Factoring und ABS?

Andreas Jorns: Es ist in der Tat so, dass wir in den letzten Jahren das Thema Factoring bei unseren Kunden sehr häufig ansprechen. Unternehmen sind zunehmend unzufrieden mit den Bedingungen einer konventionellen Bankenfinanzierung. Forderungen werden von den Kreditinstituten in der Regel nur mehr zu max. 30% beliehen. Wachstumsfinanzierung wollen oder können Banken immer weniger übernehmen. Factoring bietet alternativ eine optimale Gegenfinanzierung des Forderungsbestandes, die auch bei Umstrukturierung bestehender forderungsbesicherter Bankenfinanzierung mindestens 50% des Forderungsbestandes zusätzliche Liquidität ermöglicht.

Was versteht man unter Factoring/ ABS, was sind die besonderen Merkmale dieser Finanzierungsformen und worin liegen die Unterschiede?

Factoring und ABS sind in aller Regel Kaufgeschäfte, keine Kreditgeschäfte. Forderungen werden gegen Bargeld verkauft. Grundlage hierfür ist § 433 BGB. Es handelt sich um einen revolvierenden Verkauf von Forderungen, der in der Regel auf längere Zeit ausgelegtist: Factoring auf mindestens 2 Jahre, ABS auf mindestens 5 Jahre, was auch an der komplexeren ABS-Strukturen liegt.

Es gibt noch eine Reihe weiterer Unterschiede, die am besten in einer Übersicht darstellbar sind (siehe Grafik). Auf einzelne Punkte will ich später noch eingehen, vor allem um die Flexibilität, Praktikabilität und den Nutzen von Factoring für den Mittelstand hervorzuheben.

Die Unterschiede der Instrumente resultieren vor allem auch daraus, dass ABS kapitalmarktorientiert und deshalb in einer Reihe von Punkten stringenter ist, andererseits umfassender verhandelbar ist. Die Forderungsbestände werden geratet, verbrieft und an den Kapitalmarkt gebracht.

Welche Voraussetzungen werden an Factoring und ABS-Transaktionen geknüpft? Werden besondere Anforderungen an die Gläubiger- und Forderungsstruktur gestellt?

Wenn man sich die Grundcharakteristika der Factoring- bzw. ABS-Strukturen
vor Augen hält, dann sind die Voraussetzungen dieser Finanzierungsmaßnahmen leicht ableitbar:

  • Es muss ein revolvierender Forderungsbestand gegeben sein, kein ständiger Wechsel der Debitoren: bei einem Wechsel der Abnehmer müssten das Risiko der Bestände und die Finanzierungsstruktur permanent neu geprüft und neu verhandelt werden.
  • Keine Konzentration der Forderungen auf einzelne Abnehmer Leistung müssen erbracht sein: Forderungenaus so genannten schwebenden Verfahren,wie z.B. auf VOB-Basis mit umfangreichen Gewährleistungspflichten, können im Rahmen von Factoring und ABS nicht verkauft werden. Ebenso wenig ist mit diesen Finanzierungsinstrumenten eine Projektfinanzierung im Maschinen- und Anlagenbau möglich.
  • Forderungen müssen versicherungsfähig sein, d.h. der Debitorenstamm sollte eine ausreichende Bonität haben (wobei die Anforderungen beim ABS in diesem Punkt wegen derzu gewährleistenden Kapitalmarktfähigkeit häufig höher sind als beim Factoring). Für Auslandsforderungen gilt in der Regel, dass beim ABS alles ankaufbar ist, wofür man eineHermes-Deckung bekommen kann, währendfür das Factoring weitergehende Einschränkungen gelten – insbesondere für Afrika und Südamerika.
  • Forderungen müssen frei von Rechten Dritter sein, d.h. bei bestehenden Globalzessionen zu Gunsten von Banken muss die Freigabe erfolgen. Bei Lieferungen an Einkaufsverbändemüssen spezielle Regelungen getroffen werden.
  • Factoring ist ab einem Jahresumsatz von 1 Mio. € möglich, meist wird ein Umsatz von2,5 Mio. € p.a. vorausgesetzt. Wirtschaftlichsinnvoll ist Factoring häufig für Unternehmenmit Jahresumsätzen von 7-8 Mio. p.a.; Klassische ABS-Verbriefungen dagegenwerden erst ab einem Forderungsbestand von 50 Mio. € p.a. vorgenommen, d.h. für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mind. 300 Mio. €

Für welche Art von Unternehmen kommen Factoring/ABS in Betracht?

Wichtig ist, dass die vorhin genannten Voraussetzungen erfüllt sind, dann sind Factoring und ABS grundsätzlich für alle Branchen einsetzbar. Klassisch wurden diese Finanzierungsinstrumente im produzierenden Bereich eingesetzt, doch heute finden sie zunehmend auch Anwendung im Handel und Dienstleistungsbereich.

Genauso wichtig ist der Anlass der Finanzierung. Die Gründe für den Forderungsverkauf und die Mittelverwendung werden von den Anbietern stets hinterfragt. Gute Chancen für Factoring wie ABS haben Wachstumsunternehmen mit konkreten Zielvorstellungen und Konzepten, aber durchaus auch Unternehmen, die sich in einer Restrukturierung befinden, solange sie positive Zukunftsaussichten haben. Für Unternehmen mit rückläufigen Umsätzen ist das Factoring weniger geeignet, ebenso wenig wie für Unternehmen, die mit den Verkaufserlösen lediglich Bankenkredite ablösen wollen. Factoring/ABS sind Finanzierungsinstrumente einer strategisch aktiven Unternehmensentwicklung mit einer Reihe von positiven Nebeneffekten – Verbesserung der Liquidität, der Kapital- und Bilanzstruktur und damit des Ratings, von Lieferantenkonditionen usw.

Welche bilanziellen Auswirkungen haben Factoring und ABS? Worauf ist besonders zu achten, wenn bilanzstrukturelle Auswirkungen wichtig sind?

Das ist in der Tat ein spannendes Thema, das gerade in Verbindung mit Rating eine wesentliche Rolle spielt. Ziel ist ja die Verbesserung der Bilanzkennzahlen durch Liquiditätsverbesserung und Bilanzverkürzung, wobei hierbei die Konstruktion der Verfahren genau beachtet werden muss, um die Vorteile eines Forderungsverkaufs überhaupt nutzen zu können.

Im Rahmen von Factoring ist in Deutschland letztendlich nur das so genannte „echte“ Verfahren von Nutzen. Nach dem so genannten Wuppertaler Urteil von 1978 (BGH-Urteil) ist Factoring nur dann „bilanz fest“, wenn es sich um ein regressloses Verfahren handelt, in dem das Delkredere zu 100% von der Factoring-Gesellschaft übernommen wird, sonst bleiben die Forderungen in der Bilanz mit allen damit verbundenen Nachteilen (Bilanzverlängerung, Gewerbesteuerpflicht, keine Verbesserung der Bilanzkennzahlen, usw.).

Anders bei den ABS-Transaktionen: Hier bleibt in den meisten Fällen das Delkredere zumindest teilweise beim Forderungsverkäufer (vgl. first-loss-Regelung) und damit alle Forderungen nach wie vor in der Bilanz des Forderungsverkäufers, es sei denn es gibt ein spezielles separates WP-Testat zum Nachweis des echten Verfahrens.

Welche Kosten kommen auf die mittelständischen Unternehmen zu?

Grundsätzlich fallen an Kosten an:

  • Zinsen für die Finanzierung (Auszahlung der Forderungen bis zu ihrer Bezahlung)
  • Gebühren für die Abwicklung und die laufenden Kosten
  • Ggf. Prüfungsgebühren, wenn keine Versicherung der Forderungsbestände vorhanden sind.

Die Factoring-Gesellschaften listen diese Kosten i.d.R. getrennt auf, beim ABS werden normalerweise alle Kosten in einem Zinssatz inkludiert.

Mittlerweile hat sich bei der Konditionsgestaltung der Anbieter durchgesetzt, dass hinsichtlich der Zinsen keine b.a.w.-Zinssätze, sondern die Koppelung einer festen Marge an einen Referentzinssatz (i.d.R. Euribor) vereinbart wird. Generell gilt, dass der Zinssatz beim Factoring meist deutlich unterhalb der üblichen Kontokorrentzinssätze der Kreditinstitute
liegt.

Erfahrungsgemäß muss ein Unternehmen mit einer gesunden Forderungsstruktur und einem Jahresumsatz von mehr als 10 Mio. EUR mit einer Komplettbelastung von weniger als 10% p.a. rechnen.

Wie verbreitet sind Factoring- und ABS-Transaktionen in Deutschland und vergleichsweise zu anderen Ländern?

Hier muss man zwischen Factoring und ABS unterscheiden.
Die Bedeutung des Factorings hat stark zugenommen; die Umsätze wachsen seit Jahren im zweistelligen Bereich. 2004 lag der Factoring-Umsatz in Deutschland nach einem Wachstum gegenüber dem Vorjahr von fast 30% (!) bei 45 Mrd. €. Nach vorläufigen Erhebungen konnte der Factoring-Umsatz auch 2004 wieder um mehr als 10% auf mehr als 50 Mrd. € zulegen. Deutschland hat damit - bezogen auf absolute Werte - in Europa die zweite Stelle hinter Frankreich eingenommen. Bezogen auf das BIP liegt man mit 2,1% (nach 1,6% im Vorjahr) im internationalen Vergleich immer noch deutlich zurück. Beispielweise erreichen Großbritannien, Italien und Frankreich - aber auch kleinere Länder wie die Benelux-Staaten - BIP-Quoten von 5-6%.

Die rasanten Zuwachsraten sind letztendlich auch auf die Entwicklung im Bankensektor sowie die Anforderungen an die mittelständischen Unternehmen im Zuge von Basel II und Rating zurückzuführen. Aufgrund des noch immer bestehenden Nachholbedarfs und der zunehmenden Orientierung hin zu alternativen Finanzierungsinstrumenten wird sich nach unserer Einschätzung das Wachstum auch in den nächsten Jahren fortsetzen.

Ganz anders ist die Entwicklung im ABS-Markt in Deutschland, was neben der komplexeren Struktur im Wesentlichen mit der Tatsache zu tun hat, dass es für ABS in Deutschland noch immer keinen einheitlichen Rechtsrahmen sowie einheitliche steuerrechtliche Regelungen gibt, wenngleich hier die „True-Sale-Initiative“ der Regierung Abhilfe schaffen soll. In 2004 wurden lediglich 30 Transaktionen mit einem Volumen von rund 3 Mrd. € platziert. Zieht man die Umstrukturierung bestehender Portfolios ab, verbleiben vielleicht ein Dutzend neuer ABS-Transaktionen, was im internationalen Vergleich (vor allem im Hinblick auf die anglo-amerikanischen Märkte) geradezu absurd gering ist. Dieser Markt befindet sich in der Entwicklung und wird nach unserer Einschätzung auch mittelfristig eher verhalten wachsen, wenn man auf den mittelständischen Sektor und Warenforderungen reflektiert. Anders sieht das aus, wenn man sich den Markt der verbrieften Leasing- und Kreditforderungen (Banken!) anschaut. Hier ist ABS mittlerweile durchaus ein übliches Finanzierungsinstrument.

Im Mittelstand sind ABS-Transaktionen nur sehr wenig verbreitet. Welche Gründe gibt es hierfür und sind diese gerechtfertigt?

Voraussetzungen an das Portfolio, Mindestvolumen sowie die Kosten, aber auch die unklaren bilanziellen Auswirkungen aufgrund der teilweise schwammigen Delkredere-Regelungen von ABS sind häufig nicht „mittelstandskompatibel". Insofern ist es nachvollziehbar und verständlich, dass diese Art der Finanzierung im Mittelstand praktisch nicht vorkommt. Factoring bietet hier bessere, flexible und vor allem auch schlanke Lösungen des Forderungsverkaufs.

Können Sie uns aus ihrer Erfahrung erfolgreiche Beispiele für ABS-Transaktionen im Mittelstand nennen?

Aufgrund der Struktur unserer Mandantschaft (Unternehmen i.d.R. bis max. 300 Mio. €) haben wir in der Praxis keine unmittelbaren Erfahrungen bzgl. einer ABS-Umsetzung. Ein bekanntes Beispiel ist das des Fußballclubs Schalke 04, der eine Kapitalmarktfinanzierung auf Basis einer ABS-Konstruktion erfolgreich umgesetzt hat, indem Teile der künftigen Zuschauereinnahmen verkauft wurden. Umgekehrt hat z.B. die Firma Bahlsen eine ABS-Transaktion im Rahmen der Unternehmensaufteilung qua Größenordnung wieder in ein Factoring überführt.

Welche Konstruktion eignet sich für mittelständische Unternehmen am besten? Sind die Produkte der führenden Anbieter bzw. Spezialanbieter für den Mittelstand angemessen?

Es gibt viele Varianten von Factoring-Verfahren, die im Grunde genommen auf zwei relevante Arten reduziert werden können:

Das Full Service Factoring:
Die Factoring-Gesellschaft übernimmt die Dienstleistungsfunktion (Debitorenmanagement), Delkrederefunktion (obligatorisch) und die Finanzierungsfunktion (Bevorschussung). Alle Factoring-Gesellschaften bieten diese Version an. Normalerweise wird sie bei kleineren Unternehmen angewandt (his zu 5 Mio. € Jahresumsatz). Für größere Unternehmen wird sie, von wenigen Ausnahmen abgesehen, selten umgesetzt.

Das Inhouse Factoring: Dieses Verfahren ist im Mittelstand sehr verbreitet. Die Factoring-Gesellschaft übernimmt die Delkredere- und die Finanzierungsfunktion. Das Debitorenmanagement verbleibt beim Forderungsverkäufer; oft zahlen die Abnehmer des Unternehmens sogar wie bisher an ihren Lieferanten, auch wenn auf den Rechnungen der Forderungsverkauf ersichtlich ist.

Nach unserer Beurteilung sind die angebotenen Produkte der Anbieter durchaus angemessen und bieten sehr schlanke und damit auch mittelstandsgerechte Verfahren an.

Wie sind die Angebote der Banken zu bewerten?

Man muss es so deutlich sagen: Die deutschen Banken haben in der Vergangenheit die Potentiale dieser Finanzierungsform verschlafen! Von den Großbanken hatten die Deutsche Bank und die Dresdner Bank in früheren Zeiten zwar eigene Factoring-Gesellschaften, haben diese aber an ausländische Banken verkauft. Lediglich die Postbank hat vor ein paar Jahren reagiert und eine Factoring-Gesellschaft gegründet. Darüber hinaus gibt es zwei Anbieter, die dem Sparkassen-Sektor zuzuordnen sind (Gesellschafter sind dort die jeweiligen Landesbanken). Ansonsten ist festzustellen, dass der deutsche Factoring-Markt weitgehend von ausländischen Instituten beherrscht wird.

Wie können sich mittelständische Unternehmen auf Factoring vorbereiten?

Entscheidend ist, dass die Forderungsstrukturen passen:

  • Vollständige, systematisierte, strukturierte und aussagefähige OP-Listen, auch historisch
  • versicherungsfähige Forderungen
  • systematische. strukturierte und vollständige Debitorenbuchhaltung
  • vollständige, differenzierte und nachvollziehbare Statistik über Ausfälle.

Wie sind Kunden und Geschäftspartner des Unternehmens davon betroffen und einzubeziehen?

Wenn ein stilles Verfahren gewählt wird und der Bank keine Forderungen abgetreten sind, sind Kunden und Geschäftspartner gar nicht von dem Forderungsverkauf betroffen. Beim offenen Verfahren bekommen die Kunden ein Einführungsschreiben, das oft die Factoring-Gesellschaften zur Verfügung stellen. Danach ist die Transaktion lediglich auf der Rechnung vermerkt. Soweit die Voraussetzungen erfüllt sind, ist Factoring heute sehr komplikationslos abzuwickeln.

Welche besonderen Vorteile resultieren aus Factoring/ ABS-Transaktionen für den Mittelstand?

Factoring erschließt zu angemessenen Kosten zusätzliche Finanzierungsquellen und bietet damit auch für den Mittelstand eine flexible und schlanke Alternative zu Bankkrediten. ABO ist ein Kapitalmarktprodukt. Bei Übernahme des gesamten Delkrederes ist zudem eine Bilanzverkürzung und daraus resultierend eine weitere Verbesserung der Bilanzkennzahlen verbunden.

Gerade im Rahmen eines Rating bietet dies wesentliche Vorteile, ganz abgesehen von den Möglichkeiten weiterer Nutzenpotenziale in der Verbesserung der Lieferantenbeziehung durch schnellere Bezahlung der Rechnungen, Verbesserung der Unternehmenssituation durch optimale Finanzierung von Wachstum und Unternehmensentwicklung. Die durchschnittliche Zielinanspruchnahme von Unternehmen in Deutschland liegt derzeit bei 44 Tagen, was im europäischen Vergleich noch als moderat bezeichnet werden kann. Mit einem wirtschaftlichen Aufschwung wachsen Unternehmen, aber auch die beanspruchten Zahlungsziele. Factoring Lind ABS wachsen mit dieser Entwicklung mit und geben Unternehmen eine längerfristiger ausreichende Liquidität und damit Stabilität.

Wie sehen Sie die Entwicklung von Factoring/ABS-Transaktionen des Mittelstandes in Deutschland in den nächsten Jahren?

ABS wird sich im Mittelstand aufgrund der Voraussetzungen und Anforderungen auch in den nächsten Jahren eher zurückhaltend entwickeln.
Factoring dagegen, davon bin ich absolut überzeugt, wird auch in den kommenden Jahren - unabhängig von der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung - weiter deutlich zulegen, was vor allem den mittelständischen Unternehmen nutzt.

Herr Jorns, vielen Dank für das Gespräch.

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