Transformationsberatung

Ein Beitrag von Dr. Frank Kühn Lesedauer ca 9 Minuten

Viernull - und was leistet die Organisationsberatung?

Industrie 4.0, New Work, Smart & Co. - Zukunftskonzepte sind gefragt. Aber die Welt besteht nicht nur aus dem Neuen, sondern auch aus tradierten Konzepten und Arbeitsweisen. Große Unternehmen treiben die neuen Themen in eigenen Projekten voran, die sukzessiv mit der bestehenden Organisationswelt verbunden werden. Viele kleine und mittlere Unternehmen haben diese Kapazitäten nicht. Für sie kommt es darauf an, eine Brücke zu schlagen, einen Übergang im laufenden Alltagsgeschäft zu schaffen, ihre Führungskräfte damit vertraut zu machen, dass neben den täglichen Routinen und Projekten auch eine Veränderungsaufgabe zu bewältigen ist.

Die Organisationsexperten nennen das "Beidhändigkeit", Ambidextrie.

Veränderung wird steter Teil der Organisation. An dieser Stelle kann Beratung gefragt sein, die es schafft, betriebliche Realität und neues Denken zu verbinden. Und zwar nicht mit eigenen Patentrezepten, sondern bezogen auf die Situation und wirklichen Bedürfnisse des Unternehmens. Das ist für Beratungen gar nicht selbstverständlich. Auch nicht für Unternehmen, die sich die schnelle Lösung aus Expertenhand vorstellen. Der folgende Bericht stammt aus der Erfahrung eines Beraters und lässt sich in sieben Hinweisen zusammenfassen:

  1. Gute Beratung muss immer den gesamten Prozess mitdenken
  2. Orchestrieren Sie die internen und externen Kompetenzen
  3. Komplexe Herausforderungen brauchen komplexe Beratung
  4. Werden Sie sich klar, wofür Sie gerade jetzt Beratung brauchen
  5. Nehmen Sie Beratung früh an Bord
  6. Beziehen Sie Meetings in die Beratung ein
  7. Bilden Sie eine Entwicklungspartnerschaft mit dem Berater

Gute Beratung muss immer den gesamten Prozess mitdenken

  • Wie geht es Ihrem Unternehmen?
  • Welche Themen bewegen Sie?
  • Wie sind sie miteinander verbunden?
  • In welchem gesamten Prozess stehen sie?

Unternehmensberater brauchen Fachexpertise und Prozesskompetenz. Eines allein reicht kaum noch. Die Anfragen von Unternehmen verbinden meistens beides, mit einem Schwerpunkt darauf, "wie" man vorgehen könnte:

  • Wie schaffe wir Agilität oder einfach neuen Schwung in unserer Organisation?
  • Wie können wir unsere Strategie in ein flexibles Organisationsdesign umsetzen?
  • Wie kommen wir aus dem Krisenmodus der letzten Jahre wieder in einen geordneten Führungsprozess?
  • Wie können wir uns in der konkreten Projektarbeit verbessern?
  • Wie können wir die ausufernde Zahl der Projekte wieder in eine geordnete Steuerung bekommen?
  • Wie können wir den neuen Produktentwicklungsprozess strukturübergreifend etablieren?
  • Wie können wir in unserem Change-Projekt die Mitarbeiter mit auf die Reise nehmen?

Andere Beratungen treten an, um Fragen nach dem "Was" zu beantworten:

  • Was wäre eine gute Digitalstrategie für mein Unternehmen?
  • Was wäre ein effizienter Supply Chain Management-Prozess?
  • Was wäre das beste Toolset?

Diese Beratungen sollen es besser wissen als das Management. Sie verfügen oft über einen umfangreichen Datenbestand, eine umfassende Erfahrung aus ähnlichen Projekten, junge Experten mit aktuellem Wissen, ein tausendfaches Ohr am Geschehen und eigene Institute für die breite Qualifizierung ihrer Berater.

Das Risiko ist, dass man dem Mainstream der Konzepte folgt

Das "Wie" tritt dann mitunter hinter der technischen Begeisterung zurück, ist aber von Anfang an bei jedem Veränderungsprojekt und Transformationsprozess entscheidend. Die ersten schwachen Signale, dass sich etwas tut, werden von den Menschen in der Organisation wahrgenommen und interpretiert.

Orchestrieren Sie die internen und externen Kompetenzen

Ergründen Sie, wofür und welche Beratung Sie brauchen und wie die Beratung sich mit den in Ihren Unternehmen vorhandenen fachlichen, prozessualen und sozialen Kompetenzen ergänzt. Welche Leistungsträger, Meinungsbeeinflusser und Talente wollen mit ihrer Erfahrung und Kreativität eingebunden werden?

Die Antwort kann ein Team sein, das sich komplementär aus Internen und Externen zusammensetzt. So wird externe Kompetenz eingebracht und gleichzeitig müssen beide Seiten darauf achten, dass die externe Beratung - bei aller Erwartung an eine reibungslose Zusammenarbeit - ihre wertvolle professionelle Distanz hält.

Sie wollen schließlich von der unternehmensübergreifenden Erfahrung des Beraters profitieren. In der Zusammensetzung solcher Teams erlebt das Beratungsgeschäft seine "Disruption", seinen Umbruch:

Der Beratereinsatz wird teilweise entbündelt, fokussierter, kleinteiliger, transparenter. Wir kennen das aus dem Zerteilen von Wertschöpfungsketten, um die jeweils optimalen Zulieferer in die Abläufe einzubauen.

Für die Beratung heißt das: Vielleicht soll nur eine schwierige Managementklausur vorbereitet und moderiert werden. Oder einige Führungskräfte, die in einer neuen Struktur neue Rollen übernehmen, sollen darin unterstützt werden. Oder es soll ein neues Bild von moderner Führung gemeinsam erarbeitet werden. Die Aufgabe kann aber auch darin bestehen, den Gesamtprozess zu unterstützen, als Co-Pilot für die Geschäftsführung oder den Projektverantwortlichen im Unternehmen. Dem man die Aufgabe zutraut, aber einen erfahrenen Begleiter und Querdenker zur Seite stellen will, der komplexe Veränderungen verstehen, sortieren und unterstützen kann.

Komplexe Herausforderungen brauchen komplexe Beratung

Keine Angst vor Komplexität. Ändern können Sie sie sowieso nicht. Und fallen Sie nicht auf Vereinfacher herein, auch wenn sie verführerische Botschaften verkünden - so wie auf Populisten in der Politik. Komplexität braucht andere Antworten und eine andere Haltung.

Das Geschäft lässt sich nur noch bedingt "durchplanen". Und neben robusten Prozessen braucht es auch schnelle und experimentelle (aber nicht beliebige) Ansätze. Beratung muss das mitdenken und unterstützen können.

Der Umbruch in der Beratung passt zur Herausforderung unserer VUCA-Welt: Komplexere Aufgaben lassen sich besser im professionellen Diskurs lösen, fachlich und prozessual. Die Unternehmen arbeiten deshalb nicht nur mit externen Unterstützern zusammen, sondern versuchen sich zunehmend in interner kollegialer Beratung oder tauschen sich in unternehmensübergreifenden Netzwerken und Communities of Practice aus.

Die Beratung des "Wie" geht allerdings über den Diskurs hinaus. Denn es geht dabei immer auch um den sozialen Prozess mit den eigenen Mitarbeitern - nur mit den Menschen gemeinsam gelingt eine wirkliche nachhaltige Bewegung im Unternehmen. Das braucht in der Beratung Balance: zwischen persönlichen Vertrauen und professioneller Distanz, zwischen unternehmensübergreifenden Erfahrungen und situativer Kreativität, zwischen Mit- und Querdenken.

Neben das "Wie" tritt in der dynamischen Geschäftswelt immer das "Wann", das Timing, die so genannten Zeitfiguren. Was ist eine gute Rhythmik des Veränderungsprozesses, welche Schnelligkeit braucht es, und wie viel Zeit benötigen einzelne Schritte? Auf jeden Fall werden die Managementprozesse beschleunigt. Jährliche Zielvereinbarungen sind nicht mehr passend, Entscheidungen werden nur noch auf Sicht gefällt und geändert, wenn uns Besseres über den Weg läuft.

In schneller Taktfolge, immer wieder das "Was" und das "Wie" reflektierend bewegen wir uns auf Lösungen zu, von denen wir manchmal anfangs gar nicht wussten, dass es sie in dieser Form gibt. Das alles passiert nicht beliebig, sondern in vereinbarter Disziplin. Solche Prozesse müssen Führungskräfte beherrschen. Das erfordert Haltung und Kompetenz. Und Berater müssen solche Prozesse unterstützen können.

„Es braucht eine ausführliche Auftragsklärung und eine ehrliche Verständigung über das "Warum":

  • Wofür brauchen Sie gerade jetzt Beratung?
  • Warum interessieren Sie sich für Beratung?
  • Warum gerade jetzt?
  • Was macht Sie unruhig, was macht Ihnen Sorgen?
  • Was erwarten Sie von der Beratung und dem Berater?
  • Was für ein Mensch soll das sein?“

Hier braucht es viel Offenheit, um sich über das wirkliche Anliegen zu verständigen, über das erwartete Ergebnis aus der gemeinsamen Arbeit, über den Aufwand auf beide Seiten.

Und vor allem schärft sich auch die Rolle des Beraters - was soll er oder sie sein:

Coach, Sparringspartner, konzeptioneller Zuarbeiter, Moderator, Trainer, Begleiter eines umfangreichen Veränderungsprozesses?

Im Beratungsverlauf müssen diese Klärungen erneuert werden, wenn neue Erkenntnisse zu Kursänderungen führen. Die vertrauensvolle Zusammenarbeit braucht es auch wegen der zunehmenden Dynamik. Die Organisationen sind auf unabsehbaren Reisen, Change ist jetzt immer. Deshalb muss die Reisegruppe passen, denn wir wissen nicht, was hinter der nächsten Wegbiegung kommt, wir müssen uns ständig synchronisieren.

Deshalb wird schneller getaktet, wird in Iterationen, Prototypen und Minimum Viable Solutions gedacht; wir schaffen, was in die engen Zeitgefäße hineinpasst, mehr geht nicht, auch nicht mit Druck. Das sollten sich Manager und Berater endlich ehrlich eingestehen.

Wenn schon, denn schon: Nehmen Sie Beratung früh an Bord

"Change ist jetzt immer." Die Unternehmen sind auf der Reise. Veränderung gehört künftig zum Tagesgeschäft jeder Führungskraft. Wo Strukturen keinen Halt mehr geben, kommt auf eine verlässliche Reisegruppe an.

  • Wie bereit ist Ihre Führungsmannschaft, diese Entwicklung anzunehmen und daran aktiv mitzuarbeiten?
  • Wie lässt sich eine gemeinsame Orientierung und Verständigung erreichen?

Das Management muss sich auch der Frage stellen, wie frühzeitig Berater in die Reise einbezogen werden. In einem Change-Projekt - verbunden mit personellen Konsequenzen - war die Verunsicherung der Mitarbeiter bereits ins Unerträgliche gewachsen.

Die Versäumnisse, die nachzuarbeiten waren, lagen auf der Hand: Es brauchte es als erstes ein (bislang ausgebliebenes) Commitment im Führungsteam, dann eine (bislang vermiedene) Kommunikation mit den Mitarbeitern und schließlich die (bislang fehlende) geordnete Steuerung des Veränderungsprojekts in wöchentlichen Management-Meetings.

  1. Denken Sie also mit Ihren Beratern das Projekt von ganz vorne bis hinten durch, auch wenn einiges anders kommen wird.
  2. Prüfen Sie Ihren Berater frühzeitig: Wie "prozessfest" ist er? Wie gut kann sie sich in Organisationen, Situationen, Menschen hineindenken? Wie verbindet er "harte" und "weiche" Themen, um zur Lösung zu kommen? Wie flexibel und innovativ ist Lösung?
  3. Meetings & Co. sind zentrales Thema von Organisationsberatung Jedes Change-Projekt ist ein Spiegel des Unternehmens, und Meetings sind der Spiegel für beides. Wie wird miteinander umgegangen? Was sind die Interaktionsmuster? Und wie lassen sich hier erste Erfahrungen mit einer neuen dynamischen, agilen und veränderungsfreudigen Unternehmenskultur entwickeln? Diese Fragen müssen immer in Beratung miteinbezogen werden, wenn sie wirkungsvoll sein soll. Meetings sind über lange Zeit nicht ohne Grund in Verruf geraten. Kaum Vorbereitung, beliebige Gruppendynamik, wenig Protokollierung, keine zuverlässige Umsetzung von Maßnahmen. Berater müssen deshalb nicht nur den Gesamtprozess verstehen, sondern auch die Umsetzung in die tägliche Führungspraxis unterstützen können. Und diese passiert halt in Gesprächen, Meetings, Workshops.

In den persönlichen Interaktionen entstehen Verbundenheit mit der Veränderung, mit der Organisation und den anderen Menschen. Hier entsteht die robuste Zusammenarbeit, die es angesichts zunehmend flüchtiger Strukturen braucht, hier entsteht im Kleinen die Zukunftsfestigkeit des Unternehmens. Wenn in globalen Vernetzungen und Wertschöpfungsketten Organisationsgrenzen durchlässig werden, braucht es einen starken Kern der Identifikation. Sie spüren ihn nur im Miteinander. Bilden Sie eine Entwicklungspartnerschaft mit dem Berater. Berater sind auch nur Menschen, zum Glück. Sie haben nur eine Chance, Ihren Beitrag zu bringen: wenn Sie und Ihre Kollegen im Unternehmen mitspielen. Kooperativ, offen, ehrlich. Sonst können Sie sich das Geld und die Irritationen im Unternehmen sparen. Lösungen, die in der Organisation tragfähig sind, können Sie nur gemeinsam entwickeln.

Wie finden Sie zu den richtigen Beratern? Es gibt formale Ausschreibungsverfahren oder einfach Anfragen wie folgende, in der Wesentliches zusammengefasst war und die zu einer sehr fruchtbaren Zusammenarbeit geführt hat: "Gesucht wird für die Begleitung eines Transformationsprozesses Industrie 4.0 eine Person mit Gespür für Führungs- und Zusammenarbeitsthemen, Erfahrung in KMU und fachlicher Nähe zu Automotive und Ingenieuren. Die Rolle: Sparring für die Geschäftsführung, den Projektleiter und das Führungsteam, kritische Mitgestaltung des Transformationsprozesses, Gestaltung und Co-Moderation von strategischen Meetings, fallweise Coaching für Schlüsselpersonen in Konfliktsituationen." Ausschlaggebend war das persönliche Kennenlernen, das gegenseitige Gespür, dass man gut zusammenarbeiten kann. Dass man ein ähnliches Verständnis für die Herausforderung hat. Das können Sie erforschen, indem Sie über Begriffe sprechen, auch wenn sie schon gängig erscheinen: "Systemische Beratung", "Organisationsentwicklung", "Change", "Digital Leadership" - was versteht der andere darunter genau?

Machen Sie es sich also nicht leicht mit Beratung. Große Namen reichen nicht. Investieren Sie in die Klärung des wirklichen Anliegens, der Vorgehensweise, der Planung von Zeiten und Aufwänden, des praktischen Zusammenspiels der verschiedenen Rollen und Denkweisen.

Der Autor: Dr. Frank Kühn ist Arbeitswissenschaftler. Nach leitender Tätigkeit in Forschung und Industrie unterstützt er heute führende Unternehmen in der Umsetzung kooperativer Prozesse und Praktiken, begleitet sie im Change- und Projektmanagement, verbindet betriebliche Realität mit neuen Zukunftskonzepten. Er arbeitet mit namhaften Beratungen zusammen, ist Autor zahlreicher Publikationen und hat einen Lehrauftrag für Projektmanagement.

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