Mit agilem Projektmanagement: So entstehen nutzerfreundliche Kundenschnittstellen

Autor: Jan Webering, CEO Sevenval Technologies GmbH

Egal ob B2B oder B2C: Für den Erfolg digitaler Produkte ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine von zentraler Bedeutung.

Damit sie ein positives Nutzererlebnis hervorruft, sollte sie in kurzen Sprints und begleitet durch regelmäßige Anwendertests entwickelt werden. Von Smartphones über Softwares bis hin zu Autos: Da viele Produkte und Services ähnlich und somit leicht austauschbar sind, ist ein positives Nutzererlebnis heute wichtiger als jemals zuvor. Längst haben sich Konsumenten im privaten Umfeld an kundenzentrierte Angebote digitaler Dienstleister gewöhnt und ihre Erwartungshaltung entsprechend angepasst. Der „Digitale Transformation & B2B E-Commerce Report 2017/18“ zeigt exemplarisch, dass die Customer Experience inzwischen auch in der Geschäftswelt extrem wichtig ist.

Technische Entwicklung überholt Projektplanung

Für 87 Prozent der weltweit befragten Unternehmen steht demnach die Optimierung der Kundenerfahrung an erster Stelle, wenn es um Anforderungen an E-Commerce-Lösungen im Geschäftsumfeld geht – noch vor der Generierung neuer Umsätze und Unterstützung von Vertriebsmitarbeitern. Fast 90 Prozent betrachten die Customer Experience darüber hinaus als erfolgskritischen Faktor für ihr künftiges Wachstum. In der digitalen Welt ist die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine hierbei von herausragender Bedeutung. Somit stellt sich die Frage: Wie kann sie möglichst anwenderfreundlich gestaltet werden?

Eine Blaupause hierfür gibt es nicht.Denn egal ob im B2B- oder B2C-Umfeld, müssen sie allesamt – angefangen mit Apps über smarte Alltagsgegenstände bis hin zu Sprachassistenten – unterschiedliche Bedürfnisse befriedigen, um einen Mehrwert zu bieten.

Trotzdem erfüllen von Anwendern gerne genutzte Schnittstellen grundsätzlich die gleichen Kriterien. Dazu gehört, dass sie reibungslos funktionieren, intuitiv bedienbar sind und schnell zum gewünschten Ziel führen.  Eine besondere Herausforderung stellen dabei sich ständig und mit hoher Geschwindigkeit weiter entwickelnde Endgeräte und Browser dar. Die Erfahrung zeigt: Selbst Lösungen, die zu Beginn ihrer Entwicklung noch perfekt auf die Bedürfnisse von Kunden abgestimmt waren, sind aufgrund von langen Projektlaufzeiten oft schon längst wieder überholt und somit unbrauchbar, bevor sie auf den Markt kommen.

Konsequente Fokussierung auf Kundenbedürfnisse

Um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden und Schnittstellen in der erforderlichen Geschwindigkeit umzusetzen, braucht es zunächst die richtige Einstellung. Erfolgreiche Unternehmen legen den Fokus ihrer digitalen Projekte konsequent auf den Kunden. Denn dieser ist anspruchsvoll und weiß, was er will. Bekommt er nicht, was er sich wünscht, schaut er sich beim Wettbewerb um.

Die langfristige Bindung von Konsumenten gelingt laut der Studie „Neuerfindung der Loyalität“ hingegen, indem Unternehmen mit ihren Produkten und Services Erlebnisse schaffen, die den Konsumenten direkt ansprechen. „Es geht darum, ihm zu zeigen, dass man ihn kennt, ihn respektiert und ihn mit einer einheitlichen Stimme anspricht“, so John Watton, Senior Marketing Director bei Adobe. Bei der Entwicklung von Schnittstellen wird dies möglich, indem Kunden frühzeitig in den Entstehungsprozess eingebunden werden und diesen durch regelmäßiges Feedback begleiten.

Agile Methoden beim Projektmanagement gefordert

Klassisches Projektmanagement (PM), mit einem Lasten- und Pflichtenheft sowie einer detaillierten Ablaufplanung und Aufgabenstrukturierung, stößt hier an seine Grenzen. Denn dieses beruht prinzipiell auf drei Rahmenbedingungen: Der Auftraggeber weiß, was er will. Der Auftragnehmer weiß, wie er die Anforderungen umzusetzen hat. Und: Im Verlauf der Realisierung kommt es nicht zu grundlegenden Veränderungen. Die Lösung wird also anhand von zuvor definierten theoretischen Prämissen entwickelt.

Agile PM-Methoden wie SCRUM hingegen zeichnen sich durch eine iterative und inkrementelle Vorgehendweise aus. Mittels Trial-and-Error und begleitenden Anwendertests erlauben sie eine schrittweise Annäherung an das gewünschte Endresultat. Somit verhindern sie zeit- und kostenintensive Fehlentwicklungen und begünstigen die Genese von Produkten, deren finale Eigenschaften und Leistungsmerkmale erst im Laufe des Projekts final definiert werden. Ein weiterer Vorteil ist: Da funktionsfähige Resultate schneller vorliegen, wird die Time-to-Market deutlich verkürzt. Greifbare Ergebnisse zeitnah vorweisen und erste Erfolge feiern zu können, hilft, Silodenken im Unternehmen zu überwinden und sich die Unterstützung von Entscheidungsträgern zu sichern.

Kritische Erfolgsfaktoren für agile Projekte

Minimum Viable Product

Damit gesteckte Ziele mit Methoden des agilen Projektmanagements möglichst reibungslos und effizient erreicht werden, müssen allerdings diverse Bedingungen erfüllt sein. Notwendig ist zu-nächst die Definition und Entwicklung eines (MVP), also ein „minimal überlebensfähiges Produkt“. Hierbei handelt es sich um die erste funktionsfähige Iteration einer Lösung, die mit möglichst geringem Aufwand den Kundenbedarf deckt und ein frühzeitiges Feedback ermöglicht. Basierend auf der Rückmeldung der Anwender wird es Runde um Runde erweitert und optimiert.

Product Owner

Ebenso bedeutend ist die Rolle des Product Owners. Er muss über ausreichende Zeit- und Personalressourcen für regelmäßige Abstimmungen sowie eine hohe Entscheidungsbefugnis verfügen. Denn damit Anforderungen im Rahmen kurzer Entwicklungssprints umgesetzt werden können, sind zeitnahe Beschlüsse seinerseits unerlässlich. Muss der Verantwortliche bei wichtigen Fragen stets zunächst die Zustimmung der nächsthöheren Führungsebene einholen, ist ein agiles Vorgehen praktisch unmöglich.

Positive Fehlerkultur

Unverzichtbar sind außerdem eine vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie eine positive Fehlerkultur. Nicht jeder Sprint kann gleichermaßen erfolgreich verlaufen. Der Auftraggeber benötigen daher ein gewisses Maß an Toleranz und Vertrauen, dass die Teammitglieder aus Fehlentwicklungen lernen und Lösungen finden.

Flexibilität in der Technologie

Eine Sonderbedingung gibt es bei traditionellen Unternehmen mit einer historisch gewachsenen IT-Infrastruktur. Um ansprechende Benutzerschnittstellen konzipieren, verproben und zeitnah bereitstellen zu können, empfiehlt sich hier eine Zweiteilung der IT mittels einer Frontware. Hierbei handelt es sich um eine zusätzliche IT-Schicht, die sich über vorhandene Schnittstellen (Application Programming Interfaces, APIs) auf Backend-Systeme legt, benötigte Informationen aus diesen extrahiert und als Entwicklungsebene für das Frontend dient. Derart können sichere und in ihrem Verhalten vorhersagbare Kernsysteme unangetastet bleiben, während im Frontend experimentelle und flexible Applikationen entstehen.

Agile Projekte werden positiver bewertet

In der Praxis ist es keine Seltenheit, dass sich klassische und agile Projektmanagementmethoden vermischen. Branchenübliche Standards, Vorschriften oder rechtliche Rahmenbedingungen führen zu stark reglementierten Unternehmensumfeldern und machen klassische PM-Prozesse und Dokumentationen nach wie vor notwendig. Dies erklärt auch, warum einer aktuellen Studie der Hochschule Koblenz zufolge rein agile Methoden bislang nur bei sieben Prozent aller Projekte zum Einsatz kommen – selbst im IT-Umfeld sind sie nach wie vor unterrepräsentiert.

Die geringe Verbreitung ist jedoch trotzdem erstaunlich, da die gleiche Untersuchung noch zu einem weiteren Ergebnis kommt: Agile Projekte werden von den Beteiligten deutlich besser bewertet als klassisch umgesetzte. Fast 90 Prozent von ihnen erhielten eine gute bis sehr gute Bewertung, bei klassisch durchgeführten waren es zehn Prozent weniger. Eine ähnliche Tendenz lässt sich auch hinsichtlich negativer Bewertungen ausmachen – bei agilen Projekten kommen sie deutlich seltener vor. Mit Blick auf die Entwicklung von Kundenschnittstellen ist diese Divergenz leicht zu erklären: Da funktionsfähige Ergebnisse in Form eines MVPs schnell vorliegen und anschließend unter Berücksichtigung von Anwenderfeedback schrittweise optimiert werden, sind Entwicklungen, die an den Bedürfnissen der Kunden vorbei gehen, praktisch ausgeschlossen.

Jan Webering (*1968) ist Co-Founder & CEO der Sevenval Technologies GmbH. Seit 1999 unterstützt der Web Frontend Pionier aus Köln mit seinem Team komplexe Organisationen bei der digitalen Transformation. Sevenval wurde für seine Frontend-Lösungen vielfach ausgezeichnet und zählt internationale Konzerne, wie Mercedes Benz, Douglas, Allianz, HDI, FAZ, Postbank und andere zu seinen Kunden. Webering investiert zudem in Web- & InsurTech-Startups und unterstützt sie bei Gründung und in Wachstumsphasen aktiv als Company Builder und Mentor. Regelmäßig spricht er auf Fachveranstaltungen über erfolgreiche Strategien für die Umsetzung neuer digitaler Geschäftsprozesse.

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