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Selbstkontrolle verbessern: Der Glücksmuskel

Ausschnitt aus dem «Marshmallow Test»

Ich schreibe diesen Artikel. Obwohl ich lieber schwimmen gehen würde. Selbstkontrolle oder Selbstdisziplin heißt die Fähigkeit, dominante Reaktionen zu überwinden und stattdessen ein anderes, bevorzugtes Verhalten zu zeigen. Wie kann man sie verbessern?

Selbstkontrolle oder vielmehr der Mangel daran beschäftigt uns immer wieder. Sie ist auch personenabhängig: Einige von uns haben mehr Fähigkeiten zur Selbstkontrolle als andere. Die positiven Seiten von Selbstkontrolle sind wissenschaftlich nachgewiesen: Unser Lebensglück scheint zu großen Teilen davon abzuhängen. Akademischer und beruflicher Erfolg, Gesundheit oder Beziehungen profitieren von guter Selbstkontrolle.

Malte Friese und Claude Messner vom Institut für Psychologie der Uni Basel umschreiben es so: «Vereinfacht gesagt zeigt Intelligenz in einem gewissen Maße das Potenzial einer Person an, während Selbstkontrolle eine Abschätzung erlaubt, wie gut eine Person das eigene Potenzial nutzt, um erfolgreich zu sein.»

The Marshmallow Test

Bereits in den 1960er Jahren hat Walter Mischel, ein Professor der Columbia University, Selbstkontrolle bei Kindern getestet. Bekannt ist sein Marshmallow-Test: Er untersucht, wie Kinder Selbstkontrolle ausüben, wenn eine größere Belohnung zu einem späteren Zeitpunkt winkt (siehe Video).

In Folgestudien hat Mischel nachgewiesen, dass das Verhalten beim Marshmallow-Test direkt mit der Entwicklung der Persönlichkeit korreliert: Kinder, die hier mehr Selbstkontrolle ausgeübt haben, wiesen später bessere schulische Leistungen auf oder waren weniger anfällig für Drogensucht.

Die Metapher vom Muskel

Roy Baumeister, ein US-amerikanischer Sozialpsychologe, beschreibt die Fähigkeit zur Selbstkontrolle als Muskel: Wie ein Körpermuskel ermüdet unsere Selbstkontrolle durch Gebrauch. Ohne ausreichend Erholung wird es weniger wahrscheinlich, dass wir in einer nächsten Situation erfolgreich Selbstkontrolle ausüben können. Habe ich diesen Artikel hier fertig geschrieben, prognostizieren mir die Psychologen: Es wird schwieriger werden, mich zu überwinden, meine Buchhaltung endlich nachzuführen. Die Gefahr steigt, dass ich meinem dominanten Impuls nachgebe und mich an den Strand liege. Oder zumindest den Kühlschrank plündere.

It’s the sugar, stupid

Wobei den Kühlschrank zu plündern eine gute Taktik sein kann: Der Blutzuckerspiegel hat einen entscheidenden Einfluss auf unsere Fähigkeit zur Selbstkontrolle. Untersuchungen zeigen, dass Menschen mit geringerer Glukosezufuhr in Tests zur Selbstkontrolle schlechter abschneiden. Außerdem senkt sich der Blutzuckerspiegel dadurch, dass ich Selbstkontrolle ausübe. Das heißt, ein Schokoriegel, eine Cola oder Eiscreme können den Blutzuckerspiegel anheben und so die Selbstkontrolle kurzfristig verbessern. Eine langfristige Verbesserung oder ein nachhaltiges Einüben von mehr Selbstkontrolle ist dadurch aber nicht zu erwarten. Außerdem schmeckt das Eis vom Kiosk am See sowieso besser.

Zähneputzen hilft

Baumeisters Muskelmodell lässt eine zweite Schlussfolgerung zu: Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle lässt sich trainieren. Dabei wird der Muskel zwar nicht größer, ermüdet aber weniger schnell. Wir können länger und mehr Selbstkontrolle ausüben. Friese und Messmer beschreiben entsprechende Experimente. Probanden wurden dabei bestimmten Selbstkontrollaufgaben unterworfen: Etwa während mehrerer Wochen eine saloppe Umgangssprache vermeiden, gerade sitzen, Einnahmen und Ausgaben notieren, die Computermaus mit der schwächeren Hand führen und so weiter. Erstaunlich an den Resultaten: Die Teilnehmer zeigten verbesserte Selbstkontrolle auch in Bereichen, die sie gar nicht geübt hatten. Die Beteiligten rauchten weniger, ernährten sich gesünder und lernten mehr für die Uni. Selbstkontroll-Training funktioniert also bereichsübergreifend. Will ich mehr Sport treiben, könnte es helfen, vorher zwei Wochen lang die Zähne mit der schwächeren Hand zu putzen.

Ehrlich währt am längsten ...

Wie gut man die eigenen Impulse kontrollieren kann, hängt auch von der Selbsteinschätzung ab. Untersuchungen von Loran Nordgren von der Kellog School of Management zeigen: Je mehr wir unsere Fähigkeit zur Impulskontrolle überschätzen, desto weniger können wir Versuchungen widerstehen. Raucher etwa, die glauben, ihr Suchtverhalten im Griff zu haben, werden eher der Versuchung der nächsten Zigarette erliegen als Personen, die ihre Selbstkontrolle tiefer einschätzen. Das hängt damit zusammen, dass Leute mit hoher Einschätzung der eigenen Selbstkontrolle weniger tun, um Versuchungen zu vermeiden. Sie bringen sich schneller in ‘gefährliche’ Situationen - weil sie davon ausgehen, der Versuchung widerstehen zu können.

Vier Tipps für mehr Glück

Wissenschaft und Forschung haben inzwischen ein klares Bild, was Selbstkontrolle beeinflusst und wie wir unseren Umgang damit verbessern können. Aus diesen Erkenntnissen lassen sich einfache Hinweise ableiten, was man jetzt und heute tun kann, um mehr Kontrolle über die eigenen Impulse zu haben:

1. Training. Die Fähigkeit zur Selbstkontrolle lässt sich trainieren. Dieses Einüben funktioniert bereichsübergreifend. Wie im Artikel erwähnt kann das Zähneputzen mit der schwächeren Hand oder andere Routinen dazu führen, dass ich mehr Disziplin zeige, wenn es um das Bewirtschaften meiner To-Do-Listen geht. Ich selbst übe zum Beispiel zur Zeit das gerade Sitzen.

2. Planung. Der Muskel der Selbstkontrolle ermüdet. Es ist darum nicht sinnvoll, mit dem Rauchen aufhören zu wollen, während man schon eine Diät macht. Hier ist etwas Planung angesagt: Die nächsten vier Wochen kümmere ich mich um meinen E-Mail-Eingang. Die vier Wochen darauf arbeite ich an meiner Termintreue. Ein zu erwartender Trainingseffekt lässt außerdem hoffen, dass mir mein zweites Vorhaben sogar leichter fällt.

3. Ernährung. Der Blutzuckerspiegel ist entscheidend, wenn es darum geht, das eigene Verhalten zu steuern. Hier hilft es, auf eine gesunde Ernährung zu achten. Glukose lässt sich kurzfristig über Süßigkeiten zuführen, nachhaltiger dürfte es sein, vermehrt auf Vollkornkost und frische Lebensmittel zu achten. Und ganz simpel, aber nicht immer einfach: Regelmäßiges Essen, um zu verhindern, dass Zuckertiefs überhaupt auftauchen.

4. Selbsteinschätzung. Überschätzen wir unsere Fähigkeit zur Selbstkontrolle, neigen wir eher dazu, unseren Lieblingsversuchungen zu erliegen. Abhilfe schafft, möglichen Versuchungen aus dem Weg zu gehen. Also erst gar keine Eiscreme zu kaufen, das E-Mail-Programm auszuschalten oder sich tatsächlich mal einen Internet-Blocker zu installieren. Und natürlich eine realistische Einschätzung der Fähigkeit, die eigenen Impulse zu dominieren.

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