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Unfall

Unfall auf dem Weg zur Arbeit - wer zahlt?

Jeder Arbeitgeber muss für seine Arbeitnehmer Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung als Zwangsversicherung abführen. Damit wird zweierlei erreicht: zum einen sind die Arbeitnehmer damit gegen die Folgen eines Arbeitsunfalls versichert, zum anderen können die Arbeitnehmer aufgrund gesetzlicher Regelungen in diesen Fällen keine Ansprüche gegen den Arbeitnehmer oder - falls Kollegen an dem Arbeitsunfall schuld sind - Arbeitskollegen stellen.

Unfall auf dem Weg zur Arbeit Gettyimages

Die Beiträge zur gesetzlichen Unfallversicherung trägt der Arbeitgeber in voller Höhe alleine. Ihre Rechtsgrundlage findet die gesetzliche Unfallversicherung im 7. Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII).

Definition des Arbeitsunfalls (§§ 7 ff SGB VII)

Ein Versicherungsfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung liegt vor bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit. Arbeitsunfälle sind nach der gesetzlichen Definition Unfälle, die ein Versicherter infolge seiner beruflichen Tätigkeit erleidet. Unfälle sind dabei zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen.

Neben der eigentlichen beruflichen Tätigkeit gelten als versicherte Tätigkeiten u. a. auch

  • das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit (sogenannter Wegeunfall).
  • das Zurücklegen des von einem unmittelbaren Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit abweichenden Weges, um 
    - eigene Kinder wegen der beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anzuvertrauen. 
    - mit anderen Berufstätigen oder Versicherten gemeinsam ein Fahrzeug zu benutzen.

 

Dienstreisen und Geschäftsreisen sind Dienstwegeunfälle. Diese sind der eigentlichen Tätigkeit des Versicherten zuzurechnen und gelten damit als Arbeitsunfälle im Sinne von § 8 Absatz 1 SGB.

Als Berufskrankheiten gelten die in einer gesetzlichen Verordnung als solche festgelegten Krankheiten.

Fallstricke bei Wegeunfällen

Die gesetzliche Unfallversicherung prüft ihre Eintrittspflicht bei den so genannten Wegeunfällen besonders kritisch. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer auf dem Weg von und zur Arbeit nur dann über die gesetzliche Unfallversicherung nur dann versichert, wenn die oben genannten Voraussetzungen erfüllt werden. Abgestellt wird also immer auf den unmittelbaren Weg zwischen Wohnung und Betrieb. Der Versicherungsschutz besteht bei Wegeunfällen grundsätzlich nur auf dem direkten Hin- oder Heimweg. Unterbrechungen oder Abweichungen von diesem Weg sind nur in Ausnahmefällen versichert. Umwege und Abweichungen vom direkten Weg bergen für den Arbeitnehmer das Risiko des Verlustes des Versicherungsschutzes. Folgende Fälle sind z. B. schon höchstrichterlich entschieden worden: 

Tanken auf dem Arbeitsweg

Jeder Arbeitnehmer hat schon auf dem Weg von oder zur Arbeit getankt, ohne dabei seinen üblichen Arbeitsweg zu verlassen. Zieht sich ein Arbeitnehmer beim Tanken eine Verletzung zu, liegt dann ein Wegeunfall und damit ein Arbeitsunfall vor, der zu Ansprüchen gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung berechtigt?

Das Bundessozialgericht sieht das Auftanken eines – auch für den Arbeitsweg genutzten – Pkws als private, eigenwirtschaftliche Tätigkeit an. Auch wenn das Auftanken einer Arbeitsaufnahme letztendlich vorausgeht, ist es mehr dem persönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Etwas anders gilt nur dann, wenn das Nachtanken während der Fahrt unvorhergesehen erforderlich wird, damit der restliche Arbeitsweg zurückgelegt werden kann. Hätte mit dem restlichen Tankinhalt aber der übliche Heim- oder Hinweg zurückgelegt werden können, besteht keine absolute Notwendigkeit zum Tanken. Das Tanken kann dann ebenso gut in der Freizeit des Arbeitnehmers erledigt werden. Deswegen kann die Unfallversicherung zu Recht einen Arbeitsunfall verneinen und Leistungen ablehnen.
BSG, Urteil vom 11.08.1998, B 2 U 29/97 R

Sturz am Straßenrand auf dem Heimweg

Ein Musiker trat nach einer mehrstündigen Orchesterprobe seinen Heimweg von Pirna nach Dresden mit dem Auto an. Auf der rechten Straßenseite einer von ihm auf dem Heimweg öfter befahrenen Straße stellte er vor einer Kreuzung, in die er nach links hätte abbiegen müssen, um nach Dresden zu kommen, sein Fahrzeug ab. Dann ging er zu Fuß in den rechten Teil der kreuzenden Straße, überquerte diese und kaufte in einem Geschäft auf der anderen Straßenseite eine Flasche Mineralwasser, weil er starken Durst hatte. Von seinem Auto bis zum Geschäft waren es ca. 64 Meter. Nachdem der Musiker auf seinem Rückweg zum Auto die kreuzende Straße wieder überquert hatte, stürzte er am Straßenrand und verletzte sich erheblich.  Die zuständige Berufsgenossenschaft lehnte Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab, weil kein Arbeits- bzw. Wegeunfall vorlag. Der Musiker klagte, bekam zwar vor dem Sozialgericht und Landessozialgericht Recht, verlor aber vor dem Bundessozialgericht.

Das Bundessozialgericht verneinte einen Arbeits-/ Wegeunfall. Als der Unfall sich ereignete befand der Musiker sich nicht mehr auf dem versicherten Heimweg, sondern auf einer Straße, die nicht zum öffentlichen Verkehrsraum des Heimwegs gehörte. Daran ändert auch nichts, daß der Musiker diese Straße bei anderer Gelegenheit zur Heimfahrt benutzte. Darüber hinaus besteht der  Versicherungsschutz auch deshalb nicht, weil der Musiker seine Heimfahrt unterbrochen hatte, um sich etwas zum Trinken zu besorgen. Das Besorgen von Nahrungsmitteln und Getränken ist nämlich in der Regel dem nicht versicherten persönlichen Lebensbereich zuzuordnen. Nur in - von  der Rechtsprechung entwickelten – Ausnahmefällen kann hier Versicherungsschutz bestehen. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor.
BSG, Urteil vom 30.06.1999,  B2 U 31/98

Ansprüche der Versicherten

Nach einem Arbeitsunfall haben die Versicherten Anspruch gegen die gesetzliche Unfallversicherung, die insbesondere durch die Berufsgenossenschaften repräsentiert wird, auf 

  • Heilbehandlung, einschließlich Leistungen der medizinischen Rehabilitation
  • Berufsfördernde, soziale und ergänzende Leistungen zur Rehabilitation 
  • Leistungen bei Pflegebedürftigkeit 
  • Geldleistungen, insbesondere Verletztengeld und Verletztenrente.

Solange diese Ansprüche bestehen, haben krankenversicherte Arbeitnehmer keine Ansprüche gegen ihre Krankenkasse.

Da in der betrieblichen Praxis häufig erst geklärt werden muss, ob ein Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit vorliegen, tritt die Krankenkasse häufig mit (Behandlungs-)Leistungen in Vorlage und fordert das Geleistete später von der zuständigen gesetzlichen Unfallversicherung zurück. Dasselbe mit umgekehrten Vorzeichen gilt für den Fall, dass die gesetzliche Unfallversicherung zunächst Leistungen erbringt, weil von einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit ausgegangen wird, und sich dann herausstellt, dass tatsächlich kein Arbeitsunfall oder keine Berufskrankheit vorliegen. In diesem Fall hat der gesetzliche Unfallversicherungsträger Ersatzansprüche gegen die Krankenkasse.

Arbeitnehmer, die infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit arbeitsufnähig werden, erhalten nach Ablauf der Entgeltfortzahlung aufgrund des Entgeltfortzahlungsgesetzes (sechs Wochen-Zeitraum) Verletztengeld. Dieses beträgt 70% des Bruttoarbeitsentgelts, darf allerdings 90% des Nettoarbeitsentgelts nicht überschreiten.

Im Gegensatz zum Krankengeld der gesetzlichen Krankenversicherung findet beim Verletztengeld keine Kappung bei der gesetzlichen Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung statt. Allerdings sehen die Satzungen der Unfallversicherungsträger eine Grenze für die Berücksichtigung des Bruttoarbeitsentgelts. Diese Grenze kann höher liegen als die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung mit der Folge, dass das Verletztengeld höher als das Krankengeld sein kann.---NEUE-SEITE---Pflichten des Arbeitgebers

Damit der Arbeitnehmer seine Ansprüche gegen die Unfallversicherung geltend machen kann, muss zuvor der Arbeitgeber den Arbeitsunfall angezeigt haben. Voraussetzung ist, dass der Versicherte so verletzt ist, dass er mehr als drei Tage arbeitsunfähig oder gar tödlich verunglückt ist.

Darüber hinaus hat der Arbeitgeber es der Unfallversicherung anzuzeigen, wenn er im Einzelfall Anhaltspunkte dafür hat, dass bei Beschäftigten seines Unternehmens eine Berufskrankheit vorliegen könnte.

Die Anzeige eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit muss binnen drei Tagen erfolgen. Diese Frist rechnet ab der Kenntnis des Arbeitgebers von einem Arbeitsunfall oder den Anzeichen einer Berufskrankheit. Die Anzeige muss vom Arbeitgeber, aber auch – sofern ein solcher vorhanden ist – vom Betriebs- oder Personalrat unterschrieben werden. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber die Sicherheitsfachkraft oder den Betriebsarzt über jede Unfall- oder Berufskrankheitenanzeige in Kenntnis zu setzen.

Der versicherte Arbeitnehmer kann vom Arbeitgeber eine Kopie der Unfallanzeige verlangen.

Der Unfallversicherungsträger kann zur Feststellung, ob eine Berufskrankheit vorliegt, Auskünfte über gefährdende Tätigkeiten von Versicherten verlangen. Über ein derartiges Auskunftsverlangen muss der Arbeitgeber den Betriebs- und Personalrat unverzüglich unterrichten.

Verletztengeld

Die Unfallversicherungsträger zahlen an die betroffenen Arbeitnehmer Verletztengeld. Allerdings wird dies bei krankenversicherten Arbeitnehmern von den Krankenkassen ausgezahlt. Diese zahlen das Verletztengeld in voller Höhe, also nicht nur in Höhe des Krankengeldes, aus. Damit die Krankenkassen das Verletztengeld berechnen können, muss der Arbeitnehmer eine Entgeltbescheinigung vorliegen.

Entgeltbescheinigung

Die Entgeltbescheinigung ist auf einem von den Spitzenverbänden entwickelten Vordruck auszufüllen.

Der Arbeitgeber ist nach § 98 SGB X (Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) verpflichtet, auf Verlangen der Sozialversicherungsträger die Auskünfte zu erteilen, die diese für die Leistungsgewährung benötigen. Wer seiner Auskunftspflicht nicht nachkommt, handelt ordnungswidrig. Diese Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden.

Der Arbeitgeber muss Auskünfte nicht nur erteilen, wenn es um die Berechnung von Verletztengeld geht, sondern auch wenn eine Verletztenrente möglich ist.

Der Arbeitgeber muss u. a. Auskunft erteilen über:

  • Unfalltag
  • Unfallversicherungsträger 
  • Höhe des Entgelts im letzten Entgeltabrechnungszeitraum und den letzten drei Monaten 
  • Lohnsteuerfreie Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeitszuschläge im letzten Entgeltabrechnungszeitraum sowie den letzten drei Monaten

Autor: Ralph Jürgen Bährle

RA Bährle ist Gründer der Kanzlei Bährle & Partner in Mannheim. Das Büro besteht seit 1987, ist überregional tätig und bietet:

Die Beratung sowie gerichtliche und außergerichtliche Vertretung von kleinen Unternehmen und Privatpersonen, insbesondere in arbeitsrechtlicher, erbrechtlicher und familienrechtlicher Hinsicht. Darüber hinaus beschäftigen sie sich mit Vorsorgeverfügungen (Patientenverfügungen, Betreuungsverfügungen, Vorsorgevollmachten), dem privaten und gewerblichen Mietrecht sowie der zivil– und strafrechtlichen Abwicklung von Verkehrsunfällen.

Rechtsanwalt Ralph Jürgen Bährle
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