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Gastbeitrag

Die Zukunft erfolgreichen Marketings beginnt mit der Vergangenheit

(Bild: Fotolia) (Bild: Fotolia)

 

Ein Gastbeitrag von Jörn Grunert

Die Digitalisierung bringt neue Herausforderungen und neue Chancen mit sich - auch im Marketing. Big Data ist das neue Öl der Werbeindustrie. Deswegen sollten sich Marketing-Treibende dem Fortschritt öffnen, anstatt den Kopf in den Sand zu stecken.

Ein Plädoyer für eine ganzheitliche Analyse

Was waren das früher noch für Zeiten! Wollte ein Markenhersteller ein neues Produkt auf den Markt bringen und es in kürzester Zeit bekannt machen, reichte ein Bierdeckel für den Mediaplan aus. Denn die Anzahl der Medien war überschaubar und der Konsument saß in Masse verlässlich und pünktlich vor dem Fernseher. Das bisschen Streuverlust? Geschenkt!

Heute stellt sich die Medienlandschaft so fragmentiert dar wie nie zuvor, und das Wort „Masse“ mag man im Zusammenhang mit Zielgruppen – pardon, Zielpersonen – schon gar nicht mehr in den Mund nehmen. Heterogenität verursacht dem Mediaplaner Bauschmerzen – was Individualität „anrichtet“, kann man sich denken.

Werbung im Umbruch

So stehen die Verteiler der Werbegelder heute vor einem Dilemma: Kaum ein Jugendlicher hat heute noch Verständnis dafür, dass die Älteren jeden Sonntag um 20.15 Uhr den Tatort gucken – weder was das Inhaltliche angeht, noch den Zwang zur Pünktlichkeit. Lineares TV verliert die jüngeren Bevölkerungsgruppen – namentlich die werberelevanten Millenials und die Generation Z –  zunehmend an die digitalen Kanäle. Netflix, Amazon und Co. grüßen mit vollen Kassen aus dem Internet und punkten nicht mehr nur mit ihrer 24/7-Verfügbarkeit und attraktiven Abo-Modellen, sondern längst auch mit attraktiven Eigenproduktionen, die den Programmverantwortlichen der öffentlich-rechtlichen Sender regelmäßig Schweißperlen auf die Stirn treiben dürften. Für Werbetreibende hat die neue Form des Bewegtbildkonsums gravierende Auswirkungen: Klassische Branding-Maßnahmen, die für die Markenbildung so extrem wichtig sind, können die notwendigen Reichweiten bei weitem nicht mehr so einfach erzielen, wie es einmal möglich war.

Kein Grund jedoch, den Kopf in den Sand zu stecken. Denn was gerade passiert, passierte schon immer und hat einen Namen: Fortschritt. Und denjenigen, der sich anpassen kann, hat der Fortschritt schon immer mit offenen Armen empfangen. Für die Mediaplanung bieten sich durch die Digitalisierung fantastische Möglichkeiten für eine nie gekannte Effizienz. Denn wann immer sich Konsumenten „digital betätigen“, hinterlassen sie (nachvollziehbare) Spuren – beim Online-Shopping auf dem Desktop, bei der Online-Suche auf dem Tablet, bei der Routenplanung auf dem Smartphone und beim Parkticket ziehen mit der App.

In Summe werden diese digitalen Spuren heute als Big Data bezeichnet und gelten als das Öl des 21. Jahrhunderts: Wer die richtigen Werkzeuge hat, um den Schatz zu heben sowie den Rohstoff zu verarbeiten und zu nutzen, gehört am Ende in zweierlei Hinsicht zu den Gewinnern. Denn trifft die Botschaft auf den richtigen Adressaten, steigt die Wahrscheinlichkeit des Abschlusses. Und spart man sich die Ansprache aller Nichtinteressierten, so spart man eine Menge Geld, das dann wiederum für die richtigen Kanäle zur Verfügung steht.

In der Verarbeitung des Rohstoffs allerdings liegt, und das soll hier das Thema sein, die größte Herausforderung für Marketingverantwortliche und ihre Dienstleister. Denn aus der schieren Masse an messbaren Daten die richtigen zu generieren, zu extrahieren, zu strukturieren, zu analysieren und als nachvollziehbare Handlungsempfehlungen aufzubereiten, ist eine Mammutaufgabe, die ohne technische Hilfsmittel nicht zu bewältigen wäre. Was dem Goldgräber vor 150 Jahren sein Sieb war, ist dem Werbetreibenden von heute seine Technologie. An die Stelle des Spitzhackenverleihers ist der Tool-Anbieter getreten.

Performance oder Branding, Attribution oder Modelling – Online oder Offline?

Das Marketing-Klavier hat viele Tasten, die erst im perfekten Zusammenspiel eine erfolgreiche Verkaufsmelodie ergeben. Der Marketingverantwortliche muss bei deren Komposition viele Facetten im Blick haben und die verschiedenen Ziele übergreifend koordinieren. So gilt es zwischen Branding- und Abverkaufsmaßnahmen zu unterscheiden und den passenden Marketing-Mix für die Zielerreichung zu orchestrieren. Besonders die Zusammenstellung der Maßnahmen ist eine ebenso wichtige wie schwierige Aufgabe. Denn trifft man hier falsche Entscheidungen, können Werbegelder verpuffen und der Absatz stagnieren. Und richtige Entscheidungen zu treffen wird durch die immense Zahl der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten – online wie offline – erschwert.

Beim auf Abverkauf fokussierten Online-Performance Marketing wird gemessen, was technisch messbar ist, um die Maßnahmen und somit das eingesetzte Budget permanent zu optimieren. Ermöglicht wird dies durch Attributionsmodelle, die heute jeder digitalen Werbemaßnahme einen Wertbeitrag über alle Kanäle zuweisen und damit eine sinnvolle Steuerung der Budgets erlauben. Weil Werbekunden immer mehr den Anspruch haben, Kommunikation auswertbar zu machen, steckt die Entwicklung intelligenter Technologien im Fast Forward-Modus. Mediaagenturen müssen hier mitziehen und sowohl ihre Beratungsleistung als auch die technischen Angebote entsprechend aufstellen.

Die Kompetenzträger in der Media- und Technologielandschaft werden sich zunehmend als Partner verstehen müssen, um Werbekunden bestmögliche Ergebnisse zu liefern. Aber auch auf Seiten der Unternehmen ist ein neues Denken erforderlich. Viel zu häufig werden Marketing-Maßnahmen einzeln geplant, viel zu häufig wird noch in den viel zitierten Silos agiert. Erfolg jedoch kommt von Kooperation: Die Entscheider aller Marketingbereiche müssen an einem Tisch sitzen und gemeinsam planen und entscheiden.

Big Spender, wie beispielsweise Automobilhersteller, die traditionell auf große Imagekampagnen in TV und Digital setzen, arbeiten oftmals schon parallel – aber halt nicht zusammen: Mit Attributionsmodellen auf der einen und Marketing Mix Modelling auf der anderen Seite werden Erkenntnisse aus Online- und Offline-Daten gewonnen und für die jeweiligen Marketing-Ziele getrennt voneinander ausgewertet.

Stellen wir uns dazu einmal folgendes Szenario vor: Einer dieser Autohersteller möchte sowohl sein Image verjüngen als auch aufpolieren, verfolgt aber gleichzeitig hohe Abverkaufsziele für ein neues Modell in den jüngeren Zielgruppen. Sowohl das Brand Marketing- als auch das Digital/Sales-Team widmen sich ihren Aufgaben und agieren, ohne sich mit „den Anderen“ abzustimmen. Ohne das Ineinandergreifen der beiden Marketing-Disziplinen Performance und Branding jedoch wird jeder Bereich unter seinen Möglichkeiten bleiben. Denn da sich die Kanäle unweigerlich beeinflussen, sollten Online- und Online-Marketingmaßnahmen auch in Abstimmung miteinander geplant werden.  

Kaufentscheidungen sind immer ein Ergebnis des gesamten Marketing- und Kommunikationsmix, also aller Online- und Offline-Maßnahmen. Das Banner vor einem Monat, der Blogbeitrag vor drei Wochen, der TV-Spot vor ein paar Tagen: Es ist ein Prozess, bei dem alles eine Rolle spielt und der durch viele Faktoren beeinflusst wird. Brandeffekte wirken sich beispielsweise auf Performance-Maßnahmen aus (und umgekehrt), Wettbewerbsaktivitäten verzerren die eigenen Ergebnisse, und auch saisonale Trends und die Marktentwicklung insgesamt spielen beim Abverkauf eine entscheidende Rolle.

Es ist daher Zeit für den 360-Grad-Analyseblick zur Erfassung und Nutzung des Datenschatzes in Unternehmen sowie die ganzheitliche Kontrolle und Bewertung aller Marketingmaßnahmen. Gelingt dies, kann der ideale ROI für alle Marketingaktivitäten erreicht werden.

Die Kombination von Marketing Attribution und Marketing Mix Modelling

Das A und O hierbei sind übergreifende Daten-Analysen und Bewertungen. Markenverantwortliche müssen erkennen können, wie Online-Käufe von anderen Marketingmaßnahmen beeinflusst werden bzw. welchen Einfluss Online-Werbung auf Käufe im stationären Handel hat. Hierfür müssen Marketing Attribution und Marketing Mix Modelling zusammengeführt werden. Beide Analyse-Ansätze haben, neben ihrer gemeinsamen Zielsetzung, eine grundlegende Gemeinsamkeit: Sie basieren auf mathematisch ähnlichen Vorgehensweisen und sich gleichenden statistischen Methoden. Dies ist die Basis für eine erfolgreiche Verschmelzung beider Herangehensweisen.

Das Ziel ist die Etablierung eines Ansatzes, der über allen On- und Offline-Kanälen steht, sämtliche Aktivitäten koordiniert und verbindend eingreift. Hierbei gilt es insbesondere, die klassischen Nettoreichweiten aus dem TV als verbindliche Währung in die Online-Welt zu übertragen. Das ist eine Voraussetzung für ein besseres Zusammenspiel von Branding und Performance. Beide Analysemethoden unterstützen das Verständnis über Wechselwirkungen, Zusammenhänge und Einflüsse zwischen den verschiedenen Kanälen, wobei das Marketing Mix Modelling zusätzlich externe Faktoren in die Betrachtung mit einbezieht.

Greifen Marketing Attribution und Marketing Mix Modelling nun ineinander, profitiert die Marketing-Planung: Kampagnen im Branding- und Performance-Bereich, alle Offline- oder Online-Maßnahmen sowie geräteübergreifende Aktivitäten können im Detail analysiert und ausgewertet werden.

Gewonnene Daten und Einsichten lassen sich nun auf die nächste Planungsperiode übertragen. Dies sorgt für die nötige Transparenz, die Unternehmen und Markenverantwortliche von der Analyse erwarten, und für eine bessere Kontrolle über die Marketinginvestitionen. Mit einer ganzheitlichen Lösung, bei der alle Daten aus der Marketing Attribution und aus dem Marketing Mix Modellig einfließen, lässt sich der Erfolg oder Misserfolg einer Kampagne genauer beurteilen. Vor allem können deutlich präzisere Empfehlungen für die Budgetallokation - auch für Branding-Kampagnen - abgeleitet werden.

Technik hat nicht nur den Medienkonsum so verändert, dass die Werbeplanung darauf dringend reagieren muss. Technik bietet auch die Lösung für dieses Problem. Vorausgesetzt, alle beteiligten Partner begreifen den nötigen Paradigmenwechsel als Chance: Mediaagenturen und Technologiedienstleiser müssen sich als Partner verstehen. Und in Unternehmen mögen einzelne Marketing-Disziplinen an Einfluss verlieren, wenn eine Zusammenarbeit forciert wird und die verantwortlichen Kanalmanager ihr Wissen in das große Mischpult einspeisen. Aber nur mit einem ganzheitlichen Vorgehen wird die werbliche Ansprache weiterhin erfolgreich sein.

Autor: Jörn Grunnert

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