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Führung und Organisation

Entwicklungsphasen in Unternehmen Teil 2

Im Entwicklungsphasenmodell nach Glasl und Lievegoed schließt die Differenzierungsphase an die Pionierphase an. Das Unternehmen hat Gründung und Aufbau gut gemeistert, Erfolg hat sich eingestellt. Doch die Stärken der überreifen Pionierphase – Kreativität, Spontaneität, Improvisation, Individualität – verwandeln sich zunehmend in Schwächen. Mit Zunehmen der Krise wird der Ruf nach Transparenz, Systematik, Logik und Steuerbarkeit lauter.

Differenzierungsphase: Aufbau von steuerbaren Strukturen

Die Kennzeichen von Unternehmen in der Differenzierungsphase leiten sich aus den als problematisch erkannten Merkmalen von Unternehmen in der Pionierphase ab und können folgendermaßen beschrieben werden:

  • Ordnung statt kreatives Chaos,
  • Planung statt Improvisation,
  • rationale Systematik statt spontane Handlungsweise,Formalisierung statt informellem Handeln,
  • Sachaufgabe statt Personenbezug.

Charakteristika der Differenzierungsphase

Unternehmen brauchen Standardisierung

Wird ein System undurchschaubar, braucht es nachvollziehbare Regeln und einheitliche Ordnungskriterien, die für Transparenz und Orientierung sorgen. Durch Standardisierung kann jeder Prozess, jede Arbeitsmethode oder jeder Vorgang auf eine exakt beschriebene Norm reduziert werden. Standardisierung greift von technischen Aspekten auf den Menschen über in Form von Funktions- oder Stellenbeschreibungen, Leistungskatalogen oder einheitlichen Bewertungsschemata.

Produktpaletten werden auf die Produkte reduziert, die die besten Marktchancen haben. Diese Produkte oder Dienstleistungen des Unternehmens werden dann "in den Markt gedrückt" und nicht mehr wie in der Pionierphase von den individuellen Wünschen des Kunden bestimmt. Kunden werden nicht mehr als Individuen begriffen, sondern zu anonymen Kundengruppen zusammengefasst, die sich durch vergleichbare Merkmale (z.B. Umsatz, geographische Lage, Branche) definieren.

Standardisierung reduziert Unüberschaubarkeit und Komplexität

Sie macht das Zusammenwirken in Unternehmen beherrschbar, planbar und vorhersagbar. Unternehmen in der überreifen Pionierphase wird damit eine Entwicklungsrichtung vorgegeben, denn gerade die Elemente Klarheit, Transparenz, Differenzierung und Abgrenzung fehlen.

Äußeres Zeichen der beginnenden Differenzierungsphase sind daher (neu geschaffene) Organigramme, Ablaufbeschreibungen, Produktbeschreibungen, Merkblätter, Stellenbeschreibungen oder formal festgelegte Kommunikationsformen (Besprechungsprotokolle etc.). Dahinter steht das Bestreben, im Unternehmen Orientierung und Sicherheit zu schaffen. Nutzen Sie diese strukturierenden Möglichkeiten, wo es Ihnen sinnvoll erscheint. Dokumentationen von Arbeitsgängen gewährleisten gleichbleibende Qualität Ihrer Dienstleistungen und Produkte. Auch erleichtern sie u. a. die Einarbeitung von neuen Mitarbeitern. Organigramme machen sichtbar, wer für wen und was zuständig und verantwortlich ist.

Menschen entwickeln Spezialisierungen

Waren die Mitarbeiter in Pionierunternehmen noch "omnipotent" und global einsetzbar, erfolgt in der Differenzierungsphase eine immer stärkere Spezialisierung auf einen begrenzten Aufgabenbereich. Für "ihren" Bereich brauchen die Mitarbeiter immer spezifischer werdende Kenntnisse und Qualifikationen.

Spezialisierung der Aufgabenbereiche zieht notwendigerweise das Entstehen von (Fach-)Abteilungen nach sich. Damit verbunden entstehen auch Personalstrukturen, in denen Führungskräfte auf unterschiedlichen Ebenen erforderlich sind.

Für Sie als Unternehmer bedeutet das, dass Sie Ihr kostbarstes Gut, die Mitarbeiter, "hegen und pflegen" müssen, so wie Sie es mit einer teuren Maschine tun würden. Unterstützen Sie Ihre Mitarbeiter dabei, sich weiterzuentwickeln und sich Kompetenzen und Qualifikationen anzueignen, sei es durch betriebsinterne Weiterbildungen oder durch externe Maßnahmen.

Unternehmensführung bedeutet Koordinierung

Wo Differenzierung und Spezialisierung stattfinden, wird Koordinierung notwendig. Hatte der Gründer der Pionierphase noch "alles selber im Blick", verteilt sich in der Differenzierungsphase der Überblick über das Gesamtunternehmen auf mehrere Personen, die Führungsaufgaben übernommen haben. Dies erfordert Instanzen, welche die unterschiedlichen (Führungs-)Personen "unter einen Hut bringen". Damit sind Stab-Linien-Funktionen und Hierarchien geboren. Führung wird rational und sachlich, sie konzentriert sich eher auf Sachzwänge als auf Wohlergehen und Motivation der Mitarbeiter. Formelle Kommunikationswege werden geschaffen, damit möglichst viele Mitarbeiter den gleichen Informationsstand erlangen können.

Machen Sie sich immer bewusst, dass Sachorientierung wichtig ist, aber dass Ihr Unternehmen nicht zu einem bürokratischen Koloss ohne Menschenbezug verkommt. In Ihrem Unternehmen arbeiten Menschen, die wertschätzend behandelt werden und Sinn in ihrer Arbeit finden wollen.

Grenzen der Differenzierungsphase: Vernachlässigen menschlicher Beziehungen

Die größte Gefahr von Differenzierung ist ihre Übertreibung. Wenn Regeln mehr Gewicht haben als der gesunde Menschenverstand, wenn ohne Dokumentation nichts mehr geht, wenn notwendige Entscheidungen in einem Wust von Paragraphen und Richtlinien hängenbleiben, verharren Unternehmen in einer Erstarrung, die die Arbeit zum Selbstzweck verkommen lässt. Die Anforderungen der Kunden (und Bedürfnisse der Mitarbeiter) werden in dieser Phase oft als lästig empfunden.

Abteilungen entwickeln sich immer weiter auseinander, der ganzheitliche Blick auf das Produkt geht verloren. Konkurrenzdenken zwischen Abteilungen ist mittelfristig gesehen für den Unternehmenserfolg schädlich, weil nicht mehr alle an einem Strang ziehen, sondern Eigeninteressen Vorrang vor dem Gesamtinteresse bekommen. Mit der Anzahl der hierarchischen Ebenen und Abteilungen wird die Kommunikation und Information immer schwieriger und schwerfälliger.

In einem System, in dem der Mitarbeiter nur noch ein undefinierbares Rädchen in einem Getriebe ist, den Sinnzusammenhang nicht mehr erkennt und sich nicht ausreichend informiert fühlt, leidet die Motivation. Und unmotivierte Mitarbeiter haben oft nur noch die Wahl des Dienstes nach Vorschrift.

Sie als Unternehmensgründer und Ihre Führungskräfte brauchen in der Differenzierungsphase nicht mehr nur Fachkompetenz, sondern zunehmend auch das Bewusstsein und die Fähigkeit, mit Ihren Mitarbeitern respektvoll, klar und Orientierung gebend umzugehen.

Autor: Annette Eckes

Dr. Annette Eckes arbeitet als Organisationsberaterin und Coach. Mit einer eigenen Erfahrung von über 15 Jahren im leitenden Management weiß sie, was Führungskräfte und Mitarbeiter/-innen im täglichen Umgang miteinander bewegt.

Seit 2004 arbeitet Dr. Annette Eckes mit Menschen in und aus Unternehmen. Als gefragte Moderatorin sorgt sie mit Wertschätzung und Klarheit dafür, dass alle Beteiligten in Entwicklungs- und Veränderungsprozesse eingebunden werden, denn Veränderung in Unternehmen lässt sich nur zusammen mit den Menschen gestalten, nicht über sie hinweg. Als Organisationsentwicklerin und Prozessberaterin unterstützt sie Unternehmen darin, ihre Entwicklungsprozesse so zu gestalten, dass sie zu gemeinsamen Lernerfahrungen werden. Als versierter Coach begleitet sie Führungskräfte aller Hierarchieebenen, Geschäftsführer und Unternehmer, damit sie ihr berufliches Handeln reflektieren und zu stimmigen Lösungen finden können.

Ihre Themenschwerpunkte sind:
  • Entwicklung und Training von Führungskräften
  • Management-Coaching
  • Führen von unten
  • Kommunikation und Zusammenarbeit in Teams
  • Entwicklungsorientierte Konfliktmoderation
  • Begleitung von Entwicklungs- und Veränderungsprozessen
  • Moderation von Strategieworkshops

// eckes
Beratung für Fach- und Führungskräfte, Teams und Organisationen
Dr. Annette Eckes
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