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Gesellschaftsrecht

Strafrechtliche Haftung für fremdes Fehlverhalten auf Geschäftsführerebene

Viele unternehmerische Entscheidungen bergen für die Mitglieder der Geschäftsführung ein strafrechtliches Risiko. Dabei gilt, dass die interne Geschäftsverteilung zwischen mehreren Geschäftsführern oder Vorständen einer Gesellschaft grundsätzlich ohne Einfluss auf die eigene Strafbarkeit ist. Es herrscht eine Art "Sippenhaft" für Fehlverhalten von Geschäftsführungskollegen.

Beispiel
Dem Geschäftsführungsmitglied A wird bekannt, dass der für Finanzen zuständige Geschäftsführer B zum Beispiel auf Anweisung des Unternehmensgründers oder des Gesellschafters inhaltlich falsche Steuerbuchungen vorgenommen hat, wodurch unzulässig Betriebsausgaben generiert wurden.

Geschäftsführer A hat zwar weder jemals eine Steuererklärung für das Unternehmen unterschrieben noch ist er nach der Ressortverteilung für Finanzen zuständig. Nachdem A seine Bedenken in der nächsten Geschäftsführersitzung unterbreitet hat, treffen die übrigen Mitglieder der Geschäftsführung die Entscheidung, dass die Unrichtigkeit der Steuererklärung unerkannt bleiben soll oder für unerheblich eingestuft wird. Zudem ergeht der mehrheitliche Beschluss, dass die gesamte Geschäftsführung in der Sache nicht tätig wird.

Die beispielhaft geschilderte Situation führt den Geschäftsführer A in den Konflikt sich entweder den Vorgaben aus der Kollegialentscheidung, seines Vorgesetzten oder des Gesellschafters unterzuordnen und dadurch selbst Gefahr zu laufen Täter einer Straftat zu werden oder aber die entdeckten Missstände durch Beachtung der ihm als Geschäftsführer obliegenden Handlungspflichten zu beseitigen. Zugleich stellt sich für A die Frage, ob eine Stimmenthaltung oder die Abgabe einer Gegenstimme die Gefahr der eigenen Strafbarkeit beseitigt.

Praxis

In der Praxis sind diese Art von Fallgestaltungen häufig und treten oftmals dann auf, wenn ein (neuer) Geschäftsführer, Vorstand oder sonstiges Gremiumsmitglied erstmals zufällig oder infolge einer bereits bestehenden Krisensituation mit strafrechtlich relevanten Sachverhalten – z. B. durch Kenntnisnahme von schwarzen Kassen, Schwarzlohnabreden, Umweltverstößen, Bestechungshandlungen o. ä. – konfrontiert wird. Regelmäßig versucht der betroffene Geschäftsführer der Gefahr einer eigenen Strafbarkeit durch Unterlassen der gebotenen Handlung mit dem Argument entgegenzutreten, dass nach der internen Geschäftsverteilung nicht er für das von dem Misstand betroffene Ressort zuständig sei, sondern ein anderer Kollege der Geschäftsführung. In strafrechtlicher Hinsicht wird dieses Argument in aller Regel scheitern!

Generalverantwortung

Aus § 35 Abs. 1 und 2 GmbHG folgt die grundsätzliche Generalverantwortung und Allzuständigkeit des Geschäftsführers. Bei mehreren Geschäftsführern trifft grundsätzlich jeden und zunächst unabhängig von der internen Aufgabenverteilung die Verantwortung für die Beachtung und Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben Sorge zu tragen. Unabhängig von der zivilrechtlichen Wirksamkeit ist eine Ressortverteilung oder interne Arbeitsaufteilung von mehreren Geschäftsführern aufgrund des Gesellschaftsvertrages in strafrechtlicher Hinsicht daher zunächst irrelevant.

Die Geschäftsverteilung führt nämlich nicht zu einer Befreiung der strafrechtlichen Gesamtverantwortung jedes einzelnen Geschäftsführers. Die Geschäftsverteilung wirkt auch in strafrechtlicher Hinsicht nur insoweit, als sich die generelle Sorgfaltspflicht für alle Geschäftsführermaßnahmen in eine Aufsichtspflicht gegenüber den anderen Geschäftsführungsmitgliedern umwandelt. Da eine Geschäftsverteilung auf gegenseitigem Vertrauen der Geschäftsführer beruht, genügt der jeweilige Geschäftsführer in der Regel dann seiner allgemeinen Aufsichtspflicht, wenn er sich auf den Gesellschaftssitzungen hinreichend über die anderen Ressorts informiert. Eine Verletzung der Aufsichtspflicht kommt grundsätzlich erst dann in Betracht, wenn für einen ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführer der Verdacht bestehen musste, dass die Geschäfte des anderen Geschäftsführers nicht ordnungsgemäß geführt werden.

Erkennt ein Geschäftsführer, dass für die Gesellschaft unrichtige oder unvollständige Steuererklärungen abgegeben wurden, ist er, so wie im obigen Beispielsfall nach § 153 Abs. 1 AO verpflichtet, eine etwaige Steuerverkürzung unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, begeht der jeweils betroffene Geschäftsführer durch sein Unterlassen grundsätzlich selbst eine strafbare Steuerhinterziehung gem. § 370 AO. Unabhängig von der steuerlichen Pflicht nach § 135 Abs. 1 AO ergeben sich jeweils in Abhängigkeit des jeweiligen Sachverhaltes diverse gesetzliche Handlungspflichten für den Geschäftsführer.

Insoweit gilt:

Die Zustimmung eines Geschäftsführers zu einem strafrechtlich erheblichen Beschluss des Geschäftsführergremiums macht ihn ohne weiteres zum Mittäter. Auch eine Stimmenthaltung führt in dieser Lage nicht zu einer Freistellung von der strafrechtlichen Mitverantwortung.

Soweit der betroffene Geschäftsführer die gesetzlich gebotene Handlung nicht vornimmt oder bei einem Geschäftsführerbeschluss überstimmt wird, kommt für diesen eine Strafbarkeit wegen Unterlassens in Betracht. Die Strafbarkeit wegen Unterlassens setzt die Pflicht zum Handeln voraus. Diese Pflicht folgt grundsätzlich aus der angesprochenen Alllzuständigkeit des Geschäftsführers oder wie in dem o. g. Beispiel aus § 153 Abs. 1 AO.

Ergeben sich Anhaltspunkte für ein strafrechtsrelevantes Verhalten der übrigen Geschäftsführer, lebt die durch die interne Aufgabenverteilung begrenzte Generalverantwortlichkeit und Allzuständigkeit des einzelnen Geschäftsführers zumindest in strafrechtlicher Hinsicht wieder auf. In einem solchen Fall ist der Geschäftsführer, wenn er das Risiko der eigenen Strafbarkeit gering halten will, zu gestuften Gegenmaßnahmen verpflichtet. Je nach konkretem Einzelfall kann der Geschäftsführer als Ultima Ratio sogar auch zu einer Anzeige gegenüber staatlichen Stellen gezwungen sein.

Eine effektive Problemlösung liegt in der Hinzuziehung eines externen Beraters. Dieser kann dem betroffenen Geschäftsführer nicht nur eine (strafbefreiende) Verhaltensempfehlung an die Hand geben und ggf. auf andere Geschäftsführungsmitglieder einwirken, sondern zudem ein Gesamtkonzept im Mandanteninteresse entwickeln. Eine entsprechende Beratungsleistung setzt sichere Rechtskenntnisse der (wirtschafts-) strafrechtlichen Materie sowie praktische Erfahrung im Umgang mit solchen krisen- und konfliktbehafteten Situationen voraus.

Der Autor

RA Dr. Torsten Schaefer, LL.M.
Lohberger & Leipold
Rechtsanwälte
www.lohberger-leipold.de  

Autor: DASV

Der Autor ist Mitglied in der Deutschen Anwalts- und Steuerberatervereinigung für die mittelständische Wirtschaft e.V., Brühl

Website des Autors
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