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Interview mit Sina Trinkwalder von manomama.de

"Ich habe bis heut keinen Business-Plan geschrieben - und es ist bereits mein zweites Unternehmen"

Im heutigen Interview stellen wir eine Frau und ihr mutiges Start-up-Projekt "manomama" vor, das unserer Meinung nach bei anderen Start-ups Schule machen sollte. Als sozial ausgerichtete Unternehmerin erteilt uns Sina Trinkwalder nun eine Unterrichtsstunde in den Fächern: "Verantwortungsvolles Unternehmertum", "Vor dem Konsum ist nach dem Konsum" und "Kopf durch die Wand". Frohes Lesen!

Ich grüße Sie, Frau Trinkwalder. Wir sind neugierig und möchten heute einige Dinge über Sie und Ihr Start-up manomama.de wissen. Erklären Sie unseren Lesern doch bitte kurz, worum es sich denn da handelt! Was verkaufen Sie?

Sina Trinkwalder: Das ist die falsche Frage. "Was machen Sie?", trifft es eher. Ich führe seit Anfang April das erste deutsche Social Business im Textilbereich. Eine Unternehmung, die nicht gewinnorientiert arbeitet, sondern Antworten auf gesellschaftliche Missstände geben möchte. Nachdem ich hier in Augsburg bin, lag das Tätigkeitsfehld nahe: bei über 20.000 arbeitslosen Textilern haben wir begonnen, am ehemaligen Textilstandort wieder Bekleidung zu fertigen. Das Besondere: alle Zutaten (bis auf die Bio-Baumwolle - diese kommt aus der Westtürkei) lassen wir im Umkreis von 250 km fertigen oder beziehen sie innerhalb dieses Radius. Darüber hinaus sind wir wohl erster weltweiter Hersteller von echter Ökomode, denn bei uns ist vom Stoff über die Färbung bis hin zum Nähfaden und Siebdruck alles am Kleidungsstück GOTS7IVN-zertifiziert.

Wie fing die ganze Geschichte denn an?

Trinkwalder: Nach 13 Jahren Werberdasein wird einem bewußt, dass dieser Job nicht alles sein kann. Eine kluge Frau, ihres Zeichens Marketing-Professorin an der FH Erding, schrieb einmal: "Marketing ist Nichts. Werbung ist die Widerholung von Nichts!". Das war mir auf Dauer zu wenig. Ich wollte und will nachhaltig etwas schaffen - für die Gemeinschaft. Denn: ich bin ein unverbesserlicher Weltverbesserer. Und glaube daran.

Was haben Sie eigentlich gelernt und war es Ihnen nützlich bei der Gründung?

Trinkwalder: Was ich gelernt habe? Auf den Menschenverstand zu vertrauen, Bauchgefühl sprechen zu lassen und gerade in Situationen, in denen er dich verlässt, ihn zu zeigen: Mut. Das meinten Sie aber sicherlich nicht mit Ihrer Frage. Ich habe BWL und Politik studiert und nein, es hat mir nichts gebracht. Ich habe bis heut keinen Business-Plan geschrieben - und es ist bereits mein zweites Unternehmen. Es braucht nicht mehr als erwähnten Menschenverstand und Mut.

Eine soziale Note beim Kleiderhandel? Ihre Mainstream-Branchenpartner haben da kein Verständnis dafür. Ihnen scheint aber ein guter Lohn für die Arbeit wichtig zu sein, warum?

Trinkwalder: Warum möchten Sie ordentlich bezahlt werden? Weil ihre Arbeit dadurch eine Wertschätzung erhält. Im Fall meiner Näher geht es weniger um eine zusätzliche Wertschätzung als schlicht um das Überleben. Wie in vielen Berufsbildern erhalten Sie heute in Deutschland Löhne, die zu viel zum Sterben und zu wenig zum Leben sind. Davon müssen wir wegkommen. Hier sehe ich klar die Unternehmer wie Konsumenten in der Verantwortung. Nur, wenn ich Produkte unter sozial fairen Bedingungen konsumiere, darf ich auch selbst nach einem fairen Lohn schreien. Die ewige Entschuldigung "Ich muss beim Discounter kaufen, weil ich es mir nicht leisten kann" lasse ich nicht mehr gelten. Die Ausbeutung wird so nur weitergereicht. Das muss ein Ende haben. Und dieses können wir nur erreichen, wenn wir gemeinsam zusammen helfen.

Konsumieren Sie auch privat, was Sie geschäftlich predigen? Sozial und ökologisch?

Trinkwalder: Soweit es mir möglich ist, ja. Das Problem: Als Konsument bin ich seitens der Hersteller um meine Wahl, verzeihen Sie, beschissen worden. Ich habe heute in vielen Bereichen keine Wahl. Ich muss Produkte kaufen, die sich nicht mit meinen Wertvorstellungen decken. In solch einem Fall überlege ich mir dreimal, ob ich das Produkt ernsthaft benötige.

Haben Sie ein unternehmerisches Vorbild? Und was sind Ihre Werte als Chef?

Trinkwalder: Nein, habe ich nicht. Werte als Chef? Respekt, Wertschätzung, Vertrauen und Offenheit. Diese Werte machen ein gemeinsames Vorankommen leichter.

Ihre Produktpalette entspricht doch bei weitem nicht jedem Geldbeutel. Ist soziales Gewissen eine Frage der Finanzkraft? Wie kann man das lösen?

Trinkwalder: "Ich habe zu wenig Geld, um Billiges zu kaufen". Unsere Produkte sind ihren Preis wert, wenn man bedenkt, dass wir über 50 % Lohnkosten auf einem Produkt haben. Die Rechnung, gerade im textilen Bereich, ist auch ziemlich einfach: Sie können sich vier 10,- Euro T-Shirts kaufen, und diese nach jeweils 3 Monaten wegschmeissen, sie können aber auch ein manomama-T-Shirt davon kaufen - und jahrelang Freude daran haben. Eines ist dem noch hinzuzufügen: Wir müssen schon allein aus Ressourcengründen die Mentalität der Wegwerfgesellschaft verlassen. Unsere Produkte lohnen sich für eine Reparatur - und sie können auch fachkundig repariert werden. Ergo ist es nicht teurer.

Beschreiben Sie uns doch kurz die verschiedenen Phasen und deren spezielle Herausforderungen, die Sie bei Ihrer Gründung absolvieren mussten!

Trinkwalder: Eine detailierte Beschreibung wäre zu umfangreich, deshalb möchte ich mich vielmehr auf spezielle Dinge beschränken. Wie man eine Unternehmung gründet, sich einen Gewerbeschein holt oder beim Notar eine GmbH eintragen lässt, ist einfach. Eine tagtägliche Herausforderung hingegen für mich ist, die kaputte und exportierte Infrastruktur wieder aufzubauen, alte Verbindungen wieder zu knüpfen und jeden Tag aufs Neue Menschen zu überzeugen, dass es funktionieren wird. Das Tolle: Immer mehr Menschen stehen zu uns. Und so kann ich heute bereits stolz erzählen, dass wir wieder in Augsburg weben. Nun steht das Färben auf dem Tagesordnungspunkt.

Ich habe gelesen - Sie hatten keinen Businessplan. Hat das jemals irgendwen gestört?

Trinkwalder: manomama ist komplett eigenkapitalfinanziert. Es hat also niemanden gestört. Selbst die Jury des karmakonsum-Awards, den wir dieses Jahr erhielten, waren Banker gesessen, die das Fehlen des Businessplans eher respektvoll angenommen haben.

Was war der glücklichste Moment für Sie im Zusammenhang mit manomama?

Trinkwalder: Das mag kitschig klingen, aber jeder Morgen ist ein glücklicher Moment. Wenn ich die Produktion betrete und singende Näher/innen vor den Maschinen habe, gute Laune spüre und die unbändige Willenskraft von allen, es zu schaffen.

Haben Sie eine Empfehlung für alle Frauen, die sich das Gründen nicht so recht trauen?

Trinkwalder: Nicht nachdenken, nicht abwägen - machen. Man darf hinfallen, man muss aber wieder aufstehen. Und: das gilt nicht nur für Frauen.

Ich bedanke mich für das Interview und wünsche Ihnen recht viel Erfolg!

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