<< Themensammlung Gründung

Interview mit Paolo Tumminelli, goodbrands GmbH

"Egal ob jung oder etabliert, eine Marke ist das wertvollste Gut eines Unternehmens"

förderland im Gespräch mit Paolo Tumminelli, Gründer der goodbrands GmbH und Professor für Designkonzepte an der Universität Köln, über Markenbildung, erfolgreiche Vermarktung, gutes Design und eine "heimliche" Leidenschaft.

Paolo Tumminelli, Gründer der goodbrands GmbH und Professor für Designkonzepte an der Universität Köln. Paolo Tumminelli, Gründer der goodbrands GmbH und Professor für Designkonzepte an der Universität Köln. Bild: Paolo Tumminelli

förderland: Herr Tumminelli, würden Sie sich, Ihre Tätigkeit und die goodbrands GmbH bitte kurz vorstellen?

Paolo Tumminelli: Wie der Name auch suggeriert, ist Goodbrands ein Beratungsunternehmen rund um das Thema Marke. Goodbrands integriert Design-, Marketing- und Kommunikationskompetenz und differenziert sich somit von klassischen Agenturen. Auch arbeiten wir, anders als andere Agenturen, ausschließlich projektorientiert, wobei ich als Geschäftsführer jeden Auftrag persönlich betreue.

Dabei steht der Fokus auf Konzeption und Strategie, für die Umsetzung - zum Beispiel im Produktdesign - sind wir flexibel: wir können die notwendigen Ressourcen intern freimachen, wir können mit externen Agenturen kooperieren und wir können natürlich auch die Ressourcen des Kunden in den Prozess integrieren - schließlich gibt es kein "Standard-Projekt".

Grundsätzlich sehe ich drei Geschäftsfelder. Goodbrands hilft Start-Up-Unternehmen neue Marken, Produkte und Dienstleistungen zu positionieren, zu konzipieren und zu gestalten, um sie wirksam auf den Markt zu bringen. Goodbrands hilft etablierten Unternehmen ihre Marke(n), Produkte und Dienstleistungen auf inhaltliche Qualität und Ausrichtung zu prüfen und zu optimieren. Und schließlich entwickeln und beraten wir an innovativen Geschäftsideen mit und für Marken, Produkte und Dienstleistungen.

förderland: Wie wichtig ist Markenbildung für ein junges Unternehmen?

Tumminelli: Egal ob jung oder etabliert, eine Marke ist das wertvollste Gut eines Unternehmens. Dabei meine ich nicht nur ein schönes Logo, sondern die Gesamtgestaltung der Beziehung zwischen Unternehmen und Publikum. Ein Verständnis dafür zu haben, dass alles, was man ist, tut und sagt, die Qualität der Markenbeziehung beeinflusst, ist von Anfang an wichtig. Oft höre ich junge Unternehmer sagen: "Ich fang mal an, wenn ich Erfolg habe, dann denke ich an Marke". Genau das ist die falsche Einstellung. Um ein Geschäft erfolgreich zu etablieren, muss man ab sofort an den Markenaufbau denken und im Rahmen des möglichen investieren.

förderland: Welche Tipps würden Sie einem jungen Unternehmen geben, um seine Produkte und/oder Dienstleistungen erfolgreich zu vermarkten?

Tumminelli: Der Prozess ist denkbar einfach: den Marktkontext richtig analysieren, ein klares Konzept zu definieren, dieses dann konsequent umsetzen. Es gibt aber leider kein Erfolgsrezept, wie manche Bücher versprechen. Wichtig ist: Mutig genug sein, um die notwendige Differenz zu schaffen und bei den Entscheidungen immer den kritischen Blick von außen zu schätzen. Viele Unternehmer scheitern gerade deswegen, weil sie eine offene, kritische Beratung nicht akzeptieren. Vor allem aber eines verstehen sie nicht, dass die Geschäftswelt genauso irrational ist wie das Leben. Dies soll nicht irritieren, sondern dazu ermutigen, neues und mehr zu wagen.

förderland: Nach leitenden Positionen in renommierten Unternehmen - unter anderem bei Alfa Romeo und Rosenthal - haben Sie 2002 die goodbrands GmbH gegründet. Warum haben Sie sich für die Selbstständigkeit entschieden?

Tumminelli: Nach und nach stellte ich fest, dass feste Strukturen zwar vieles ermöglichen, vieles aber auch nicht zulassen. Irgendwann stößt die eigene Kompetenz an die Grenze der Umsetzbarkeit, bedingt durch Budgets, unternehmenspolitische Einflüsse, langwierige Entscheidungsprozesse. Risikobereitschaft fehlt in fast jedem etablierten Unternehmen, nur die Selbstständigkeit gibt den notwendigen Freiraum sich nach vorne zu entwickeln. 

förderland: Würden Sie rückblickend wieder alles genauso machen? Haben Sie den Schritt in die Selbstständigkeit jemals bereut?

Tumminelli: Ich bin über meine Entscheidung zweifellos glücklich - heute würde ich aber viele Kleinigkeiten anders machen. Schließlich zwingt die eigene Erfahrung auch zur Selbstberatung und ich habe im eigenen Markenaufbauprozess einiges gelernt. So kann ich übrigens, nachdem ich in größeren Unternehmen und einer Beratungsfirma tätig war, Start-Up-Kunden noch besser verstehen und beraten. Bereut habe ich die Entscheidung nicht, nur die Erkenntnis ist manchmal bitter, dass das Leben als Angestellter unverhältnismäßig einfacher ist. Alles wäre viel besser, würde sich der Staat intelligent für die Förderung junger Unternehmen einsetzen.  

förderland: Seit 2000 lehren Sie als Professor für Design Konzepte an der Köln International School of Design. Was wollen Sie dem studentischen Nachwuchs mit auf den Weg geben?

Tumminelli: Vor allem die Fähigkeit, sich mit komplexen Strukturen vertraut zu machen und die Notwendigkeit, sich von egozentrischen Denkweisen zu befreien. Das macht den Unterschied zwischen Designhandwerk - dem Pseudo-Künstler - und Designberatung - dem Consultant - aus. Ein guter Designer muss anpassungsfähig sein, offen für Neues, im wahrsten Sinne des Wortes strategisch-kreativ sein. Hier sehe ich die Chance für eine Qualifizierung der Figur des Designers in der Gesellschaft.

förderland: "Design als gute Form ist tot" - können Sie dieses Zitat näher erklären?

Tumminelli: An dieser Stelle darf ich philosophieren: Die Pop-Kultur hat die Idee vorangebracht, Geschmack sei Volkssache. Demnach wurden Entwicklungsprozesse verändert, heute fragt man den Kunden, was ihm gefällt und dann produziert man es. Deswegen macht es heute keinen Sinn mehr, über gute Form zu reden. Dass etwas den Leuten gefällt, bedeutet längst nicht, dass dies auch gut ist - in der von Marktforschung getriebenen Welt haben Trüffel gegen Champignons keine Chance.

Es ist auch ein Thema der Irrationalität, die unsere Gesellschaft so gerne unterdrückt, und die trotzdem unser Konsumverhalten massiv prägt. Parallel hat sich Design von der gegenständlichen und geschmäcklerischen Perspektive befreit. Lucius Burckhardt schrieb "Design ist unsichtbar". So hat man auch längst aufgehört, Stil oder Schönheit zu lehren und zu lernen. Heute geht es bei Design mehr um Prozesse und Systeme, die neue Lebensformen und Gewohnheiten ermöglichen.

förderland: Im Handelsblatt schreiben Sie eine eigene Kolumne "Tumminellis Designkritik". Was macht gutes Design aus?

Tumminelli: Unabhängig von der Form, gutes Design ist selbsterklärend. Gutes Design macht sinnvolle Nutzung von Technologien und Ressourcen möglich. Gutes Design fügt sich harmonisch in einen definierten Kontext ein. Gutes Design aktiviert Beziehungen, zum Beispiel zwischen Mensch und Produkt und zwar langfristig. So ist auch gegeben, dass gutes Design bei unveränderten Rahmenbedingungen nie alt wird. Alles in allem, gutes Design macht das Leben einfacher.

förderland: Gibt es ein Unternehmen, das Ihrer Meinung nach in Sachen Design alles richtig gemacht hat?

Tumminelli: Es gibt viele Vorbilder - wobei jede Geschichte nur für einen bestimmten räumlichen und zeitlichen Kontext gilt. Es gibt bei allen etablierten Unternehmen gute und schlechte Phasen, schließlich sind sie auch dynamische Organismen. Aktulle Beispiele finde ich besonders wichtig.

Sixt hat gewusst mit dem reisenden Geschäftsmann eine Beziehung aufzubauen, ihn täglich zum lächeln zu bringen, seinen Arbeitstag zu verschönern - und dabei tun sie nichts anderes als Autos zu vermieten, wie alle anderen.

TomTom hat als Newcomer in wenigen Jahren die Marktführerschaft in einer von Giganten dominierten Branche erreicht - alles mit einem perfekt abgestimmten Produkt, das trotz hoher Komplexität nicht mal eine Gebrauchsanleitung braucht. In beiden Fällen war das Aussehen nicht ausschlaggebend, sondern die Qualität der Inhalte.

Apple hat bei seiner Wiedergeburt unter Jobs demonstriert, dass einfaches Design ohne Schnörkel, an das sonst niemand geglaubt hätte, Millionen von Menschen ansprechen kann und länger am Markt hält als bunte Innovation. Dies hat übrigens nicht Jobs erfunden, sondern war früher Fundament des Deutschen Designs.

förderland: Agentur, Universität, eine Kolumne im Handelsblatt, Buchautor - bleibt da noch Zeit für`s Privatleben? An welcher Tätigkeit hängt Ihr Herz besonders?

Tumminelli: Ich bin eher ein Universalist, der keine Schublade mag und gerne vielseitig beschäftigt ist. Blicke ich auf mein Leben zurück, so hat es nie eine Trennung zwischen privater und beruflicher Schublade gegeben. Ich suche und finde überall Inspiration und gewinne dabei die Energie, die ich benötige.

An Intensität gemessen, ist mein Privatleben vollkommen - die Zeitmenge, die ich ihm widmen kann, ist gewiss unausgeglichen. Mir ist bewusst, dass große Projekte wie zum Beispiel die Gründung einer Familie sich dabei schwer umsetzen lassen. Vielseitig beschäftigt zu sein, ist aber eine wirksame Vorbeugung gegen Frustration, andererseits war mein Problem schon immer, dass ich gerne mehr unternehmen würde, als ich umsetzen kann - und das macht mich manchmal unruhig.

Alles in allem bleibt meine Ökobilanz aber positiv. Tatsache ist, so effektiv wie ich meinen Kopf auch steuern kann, so bestimmt das Herz den Schwerpunkt des Interesses. Darin sehe ich eine Würdigung der menschlichen Irrationalität. Gerade plane ich zum Beispiel "privat" ein Haus an einem sizilianischen Strand - Architektur, das komplexeste aller Designs, weil sie das Menschenleben so direkt beeinflusst, ist eine faszinierende Beschäftigung. Und als ich die Ruine in der Mitte eines traumhaften Naturreservats entdeckte, eine seltsame Collage aus Bauernhaus und modernistischer Architektur, fühlte ich mich zum Job verpflichtet. 

förderland: Ihre "heimliche" Leidenschaft sind Automobile. Ihre Karriere begann ja auch bei Alfa Romeo. Gesetzt dem Fall, Ihr Telefon klingelt und Ferrari ist am anderen Ende - ein Grund, Deutschland den Rücken zu kehren?

Tumminelli: Am Steuer eines offiziellen F430 habe ich im letzten Mai das Mille-Miglia-Rennen begleitet, mit 15 Millionen Menschen im Publikum, ein einmaliges Erlebnis, bei dem ich den Mythos Ferrari noch besser begreifen konnte. Sollten die Freunde von Ferrari anrufen, so würde ich sicherlich das Gespräch annehmen. In Deutschland habe ich aber noch einiges vor. Gerade gründe ich das Goodbrands Institute for Automotive Culture, ein geradezu notwendiges Projekt zur offenen, unabhängigen Förderung der Automobilkultur. Und zwar nicht in Maranello oder Turin sondern in Köln - Nicolaus Otto hat doch hier seinen Motor erfunden und somit dem modernen Automobil seinen Existenzgrund gegeben.

förderland: Vielen Dank für das Gespräch.

© 2007 förderland

Frau überlegt beim Schreiben
Diese Regeln und Formulierungen helfen

Weiterlesen

Roter Hintergrund Mann mit Smarthone in der Hand
So geht's

Weiterlesen

Sie wollen ein Angebot oder die gratis Teststellung für die Unterweisung?

88 E-Learnings zu den Herausforderungen der aktuellen Arbeitswelt